Hamburg. Rund 20.000 Besucher sind am ersten Tag des Musikfestivals nach Wilhelmsburg gekommen. Sie wurden mit großen Shows verwöhnt.
Sie ist nur knapp über 1,60 Meter groß, noch nicht einmal volljährig - aber beherrscht die Bühne trotzdem schon wie ein absoluter Vollprofi: Als der international gefeierte Nachwuchs-Star Billie Eilish (17) um kurz nach 22 Uhr auf die Bühne springt, gibt es für die Tausenden Besucher des „MS Dockville“ in Hamburg kein Halten mehr. Im neongrünen Hosenanzug, mit grün gefärbten Haaren, steigt sie direkt mit ihrem Welthit „Bad Guy“ ein - es ist wie ein Versprechen, dass sich das lange Warten auf die Ausnahmekünstlerin gelohnt hat.
In diesem ekstatischen Moment scheint sich tatsächlich eine kollektive Vorfreude zu entladen, die sich spürbar schon den ganzen Tag über bei den rund 20.000 Besuchern aufgebaut hatte. Denn normalerweise ist es symptomatisch für dieses bunte, verrückte Festival, dass sich die Menge der Festivalbesucher großzügig auf die vielen Haupt- und Nebenbühnen auf dem Gelände auf der Elbinsel in Wilhelmsburg verteilt, dass man sich eben ziel- und planlos treiben lässt, immer den Bässen und Gerüchen nach.
Retroklassiker gibt es in der „Silent Disco“
Zu entdecken gibt es schließlich auch am Freitag einiges: Von „Do-it-Yourself“-Werkstätten, in denen man eigene Seife produzieren kann, über aufwendige Kunstinstallationen, Independent-Shops und zahlreiche Food-Trucks, in denen sich die vom Dauertanzen Ausgemergelten eine Stärkung holen können. Und auch musikalisch erwartet einen in jeder Ecke eine andere Klangwelt: egal ob dicke Technobeats im backsteinfarbenen Märchenschloss - oder Retroklassiker bei der „Silent Disco“ im Zirkuszelt.
Doch an diesem ersten Tag fällt auf, dass sich die Traube vor der Hauptbühne, dem „Grossschot“, auch im Laufe des Tages kaum auflösen will. „Ich möchte mir jetzt schon einen Platz sichern, für heute Abend, für Billie!“, sagt eine junge Frau, die sich schon gegen 17 Uhr unweit der Bühne auf den staubigen Boden setzt. Bis es so weit ist, muss sie sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch lange gedulden.
Berlinerin Rapperin Juju auf der Bühne
Vorher nutzt die Berliner Rapperin Juju, die als Teil des Hip-Hop-Duos SXTN bekannt wurde, ihren Slot auf der Hauptbühne, um Songs von ihrem erst Ende Mai veröffentlichten Solo-Debüts „Bling Bling“ zum Besten zu geben. Ihre eingängige Stimme, die den meisten wohl vor allem von dem Duett „Vermissen“ mit AnnenMayKantereit-Frontmann Henning May bekannt ist, bringt einen ersten starken Impuls in die Menge - und macht spürbar Lust auf mehr.
Zwei Stunden später hat sich die Anzahl derer, die es sich an den Rändern gemütlich gemacht haben, noch einmal erhöht. Parallel dazu weht die verzerrte Stimme des Cloud-Rappers Rin über das Industrieareal. Die Sonne senkt sich langsam über dem Elbpanorama.
Amerikanerin war absoluter Glücksgriff
Nach einer Dreiviertelstunde Pause ist es dann endlich soweit: die junge Amerikanerin, die erst Ende Juni ihr fulminantes Debüt auf dem Glastonbury Festival gegeben hat, fegt endlich wie ein Sturm über die Hamburger Bühne hinweg. Kaum ein Künstler hat in diesem Jahr so sehr polarisiert wie sie. Vom Cover auf dem „Rolling Stones Magazine“, weltweiten Nummer-1-Platzierungen und Lobeshymnen prominenter Branchenkollegen – alle Zeichen sprechen dafür, dass hier eines der größten Pop-Phänomene der jüngsten Zeit auftritt.
„Das war ein absoluter Glücksgriff. Wir hatten früh Interesse an ihrem Auftritt gezeigt. Damals hatte ja auch keiner ahnen können, wie groß sie wird“, sagte eine Sprecherin der Veranstalter. Die Tausenden Fans reagieren entsprechend euphorisch, streckenweise gibt es auf dem Areal weitflächig kaum noch ein Durchkommen. Vereinzelt entstehen an den Rändern sogar kleinere Moshpits - Kreise tanzender Menschen.
Letztendlich läuft bei dem Auftritt zwar nicht alles perfekt: Das Mikrofon ist beispielsweise deutlich zu leise eingestellt, so dass man den Jungstar eigentlich nur unmittelbar vor der Bühne wirklich gut verstehen kann. Der guten Stimmung tut das keinen Abbruch: einen Blick auf diesen aufgehenden Stern am Pophimmel werfen zu können, scheint für die meisten an diesem Abend vollkommen auszureichen.