Berlin. Ein Kinofilm über ihre rekordträchtige Tournee und die Wiederveröffentlichung eines ikonischen Albums: Taylor Swift eilt von Erfolg zu Erfolg.
Spätestens dieses Jahr ist Taylor Swift zum größten Popstar der Gegenwart geworden. Der US-Musiker Billy Joel - selbst einer der erfolgreichsten Solokünstler überhaupt - hat es neulich so beschrieben: „Das einzige, womit ich es vergleichen kann, ist das Phänomen der 'Beatlemania'.“ Das sagte er der „New York Times“, nachdem er ein Konzert der 33-Jährigen besucht hatte. Nach der „Beatlemania“ nun also die „Swiftmania“? Um die US-amerikanische Musikerin herrscht jedenfalls weltweite Euphorie.
Wie ist es dazu gekommen? Man kann zur Erklärung auf zwei bevorstehende Ereignisse blicken. Da ist zum einen ihr berühmtes Album „1989“, das am 27. Oktober von ihr neu aufgenommen auf den Markt kommt. Und da ist ein Kinofilm über ihre Tour, die gerade Rekorde bricht und zur größten in der Popmusikgeschichte werden könnte. Auch Fans in Deutschland können „Taylor Swift - The Eras Tour“ ab dem 13. Oktober im Kino anschauen.
Taylor Swifts untrügliches Gespür für Pop-Hymnen
„1989“ war 2014 das Album, mit dem sich die US-Musikerin vom Country komplett in den Mainstream-Pop wagte. Nun hat sie es - wie frühere Alben - neu aufgenommen, um nach einem Streit mit ihrem alten Label die Rechte daran zurückzugewinnen. „1989“ zeigt Swifts ungewöhnliches Gespür für Pop-Hymnen. Bis heute schafft sie es, immer neue, unverbrauchte Hooks zu kreieren.
Man denke an den beispiellosen Hit „Shake It Off“. Zu kickendem Drumbeat und repetitivem Saxofon-Motiv setzt Swifts Cheerleader-hafter Gesang ein: „I stay out too late/ Got nothing in my brain/ That's what people say“. Unmöglich, sich dazu nicht zu bewegen.
Die Musikwissenschaftlerin Svenja Reiner hat in der Vergangenheit zur Fankultur bei Swift geforscht. „Das hätte ja niemand gedacht, dass ein Re-Release von existierenden Alben noch mal so viel Aufmerksamkeit generiert“, sagt sie über die bevorstehende Zweit-Veröffentlichung von „1989“. Alle Alben, die Swift bislang „re-released“ hat, landeten wieder auf Platz eins der US-Billboard-Charts. Auf den Streamingplattformen brach Swift damit Rekorde.
Eine rekordträchtige Tournee, die den Zeitgeist trifft
Der Refrain von „Shake It Off“ hat eine Melodie mit besonders starkem Hafteffekt - und davon gibt es auf „1989“ besonders viele. Zum Beispiel in den Liedern „Blank Space“ oder „Bad Blood“. Alle drei Songs spielt Swift auch auf ihrer aktuellen Tour. Insgesamt performt sie bei jedem Auftritt über 40 Stücke aus ihrer 17-jährigen Karriere. Am Ende der Welttournee könnte Swifts Tour die mit den höchsten Einnahmen jemals werden, schreiben etwa „New York Times“ und „Washington Post“.
Nicht nur in Deutschland wurde wegen der hohen Nachfrage nach Tickets ein komplett neues Verkaufssystem eingerichtet. Der Anbieter „Ticketmaster“ sprach für die US-Tour von einer noch nie da gewesenen Nachfrage. Die Städte, in die Swift kommt, profitieren wirtschaftlich in verschiedenen Bereichen, wie mehrere Medien berichteten. Politiker und sogar das FBI beziehen sich öffentlich auf die Musikerin.
Mit ihrer megalomanischen Tour trifft Swift den Zeitgeist. Nach der Pandemie sind viele Leute bereit, für besondere Events viel Geld auszugeben. Die „Swifties“, also die Fans der Musikerin, „treffen den Nerv der Zeit in der Post-Covid-Wirtschaft“, schrieb die Nachrichtenagentur „Bloomberg“. „Selbst angesichts der drohenden Rezession sind viele Verbraucher bereit, für das zu zahlen, was sie auf dem Höhepunkt der Pandemie verpasst haben - sei es eine Reise oder Live-Unterhaltung.“
Hohes Identifikationspotenzial für Fans
Reiner sieht weitere Erklärungen für den Erfolg - auch wenn sich dieser nicht vollständig entschlüsseln lasse. „Es sind die Themen, mit denen sie sich beschäftigt, die häufig belächelt werden. Gerade junge Frauen sind eine Zielgruppe, die in unserer durch männliche Werte geprägten Gesellschaft nach wie vor nicht ernst genommen werden. Und wenn dann jemand sehr ernsthaft über das eigene Aufwachsen, über die eigenen Probleme, über Liebe und Freundschaft singt, trifft das einen Nerv.“
Das Identifikationspotenzial mit Swift ist hoch. Sie habe „sehr, sehr jung schon angefangen und sich vom Kleinen ins Große gespielt. Was die Erzählung, dass man nicht besonders sein muss, um es zu schaffen, sondern es vor allem wollen muss, stabilisiert.“ Abgesehen davon habe sie „natürlich auch bestimmte Ressourcen, sie ist sehr normschön“. Außerdem sei sie „eine unglaublich gute Geschichtenerzählerin“. Swifts Texte sind anschlussfähig und universell, aber auch detailliert und nie beliebig.
Taylor Swift, die Maschine - für Content und Hits
In ihren Lyrics versteckt sie zudem viele „Easter Eggs“, Andeutungen, die es von den Fans zu Enträtseln gilt. Besonders in den Sozialen Medien funktioniere das gut, sagt Reiner. Das „Verrätselte“ sorge für viel Gesprächsbedarf, der Content generiert.
Den Kinofilm beschreibt Reiner als „Diversifizierung der Produktpallette“, womit die Musikerin sich einen zusätzlichen Markt erschließe. Es mache „eigentlich nur Sinn, dieses Material noch mal zweit zu verwerten, weil diese Shows natürlich mit unglaublich viel Aufwand und Material - mit vielen Kostümwechseln, vielen Tänzerinnen usw. - toll choreografiert und dramaturgisiert sind.“
Gutes Marketing, ein Gespür für Zeitgeist, die Inszenierung einer bestimmten Persönlichkeit: Pop ist so viel mehr als nur der Klang eines Songs. Das zeigt das Beispiel Taylor Swift gut. Andere Popstars, etwa Harry Styles oder Beyoncé, können so etwas natürlich auch.
Was die Singer-Songwriterin von ihnen abhebt, ist vielleicht am Ende ganz simpel. Und hängt mit der Tatsache zusammen, warum ihre Konzerte aktuell mehr als drei Stunden dauern: Sie hat einfach besonders viele gute Hits geschrieben.