Der Gang ist leer, die Türen sind verschlossen, es herrscht Stille um ihn herum. Er geht langsam durch den Gang, vorbei an den vielen Klassenzimmern. "Du Nichtsnutz! Du bist so doof, wie du lang bist! Du Lauch, aus dir wird nie etwas werden!" Und hinter ihm unterdrücktes Lachen seiner Mitschüler.

Er geht weiter. Noch ganz ruhig. Hinter den Türen hört er die Stimmen der Lehrer, die unterrichten. Sie alle haben meistens ihre Lieblinge und hassen Schüler wie ihn. Sie haben ihr Urteil über ihn längst gefällt. Sie haben kein Interesse mehr an ihm.

Plötzlich hört er die vertraute Stimme seines Schulleiters. Der hatte von seinem Büro aus seine Eltern angerufen, während er weinend draußen vor der Tür stand und wartete. Er braucht jetzt nur seinen Mut zusammenzunehmen, die Tür zu öffnen, die Waffe aus seiner Manteltasche herauszuholen und auf ihn zielen . . .

So könnte die Geschichte eines Amokläufers anfangen. Aus seiner Wut und Verzweiflung entsteht ein explosives Gemisch: Er läuft Amok

Der Begriff Amok kommt aus der malaysischen Sprache und steht für eine männliche Person, die plötzlich gewalttätig wird und Tiere tötet, die ihm zufällig über den Weg laufen.

Die Ursachen für Amok sind noch unzureichend geklärt, die jeweiligen Erklärungsansätze reichen von Besessenheit und seelischen Deformationen bis hin zu biologischen und psychologische Theorien.

Potentielle Amokläufer, das hat die Vergangenheit gezeigt, sind oft eher unauffällige Schüler, die vielfach davon träumen, endlich einmal, ein einziges Mal, in ihrem Leben im Mittelpunkt zu stehen, zu erreichen, daß geschieht, was sie wollen. Als Auslöser reichen manchmal schon Nichtigkeiten.

Ramazan Yesilyurt, 10 Rudolf-Roß-Gesamtschule