Erwitte. Die DLG-Feldtage lockten 17.000 Besucher in die Soester Boerde. Zu sehen gab es viel Zukunft der Landwirtschaft mit Robotern und KI.
Drei Tage lang strömten Tausende Landwirte aus ganz Deutschland und dem Ausland auf einen Acker in der Soester Börde. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) hatte zu den Feldtagen eingeladen. Alles zwei Jahre findet die Messe statt, bei der neueste Pflanzenzüchtungen vorgestellt werden - Weizen, Gerste, Rüben oder Kartoffeln, die neuen Schädlingen Paroli bieten können und bei Klimaschwankungen noch Erträge bringen. Entwickelt mit viel Intelligenz, auch künstlicher. Für die Showeffekte sorgen die mittlerweile autonom fahrenden oder fliegenden landwirtschaftlichen Geräte - und ein Nachwuchswettbewerb.
Team Norwegen hat Probleme. Auch im dritten Anlauf kreiselt der Miniroboter mehr unkontrolliert herum, als dass er sauber zwischen den kleinen Mais-Pflänzchen durch die Furchen ackert. In der Soester Börde läuft die Weltmeisterschaft der Feld-Roboter, bei der internationale Hochschulteams sich gerade messen. Jannik Jose, Informatikstudent der Hochschule Osnabrück, beobachtet das Geschehen so gespannt wie die anderen rund um die eingezäunte Fläche mitten im Nirgendwo. Genauer: Auf einem Feld von Gut Brockhof zwischen Erwitte und Lippstadt, wo die Feldtage stattfinden.
Besucher aus ganz Deutschland, Benelux und sogar aus der Ukraine
Das Interesse ist groß, der Stau auf den letzten Kilometern zum Ziel gibt einen Vorgeschmack darauf. Die Schlange am Einlass erinnert an Rockkonzerte. Wenn man so will, spielt an drei Tagen bei Erwitte die Zukunftsmusik in Sachen Landwirtschaft. KI und Robotertechnik haben längst Einzug in den Alltag vieler Landwirte gehalten. Aus ganz Deutschland, den Niederlanden und Belgien kommen die Besucher der Feldtage nach Erwitte angefahren.
365 Aussteller auf einer Fläche mit der Größe von 75 Fußballfeldern
Auf 55 Hektar, also einer Fläche von etwa 75 Fußballfeldern, veranstaltet die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) in diesem Jahr ihre Leitmesse für Pflanzenbau. 365 Aussteller aus 18 Ländern präsentieren sich und ihre Produkte. Es geht längst nicht mehr allein um Pflanzenbau. Dieses Mal ist es auch eine große Show für voll automatisiert fahrende Traktoren, autonom fliegende Drohen, welche Saatgut verteilen oder Pflanzenschutzmittel ausbringen. Auch für die zunehmende Digitalisierung der Branche. Das spiegeln Stände mit Softwareentwicklern für selbstlernende Agrar-Roboter wie den „Feldfreund“ wider, der vom Softwareunternehmen „Zauberzeug“ mit Daten gefüttert wird.
Feld-Roboter-Meisterschaft lockt Hochschulen in die Branche
Die Feld-Roboter-Meisterschaft, an der Jannik Jose mit seinem Team teilnimmt, ist ein unterhaltsamer Teil der Messe, der junge Leute für die Landwirtschaft begeistern soll. Den 24-jährigen Informatiker Jose hat das Thema bereits gepackt. 17 kluge Köpfe stark ist das Osnabrücker Team. Maschinenbauer, Elektrotechniker, Informatiker sind dabei. Und Jannik Jose erkennt, weiß genau, warum die norwegischen Konkurrenten Probleme haben: „Die Reihen mit Maispflanzen stehen eng. Die Pflanzen sind noch sehr niedrig. Wir nutzen ein Lidar-System, also einen 3-D-Scanner und dürften keine Probleme bekommen.“ Der Masterstudent hat an der richtigen Software getüftelt, damit der Feldroboter seinen Weg ins Ziel findet. Nachwuchsarbeit, gesponsert vom Landmaschinenkonzern Claas aus Harsewinkel, die fruchtet. Jannik Jose zieht es nach dem Studium nicht in einen großen IT-Konzern oder namhafte Unternehmen wie den einen Steinwurf entfernten Automobilzulieferer Hella in Lippstadt, der Technologieführer für Radarsysteme ist. Der Masterstudent denkt aktuell an eine Zukunft als Entwickler für die Landwirtschaft.
„Bis zu 90 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel landen am Ende auf den Flächen.“
Wie spannend diese Branche auch in Sachen Technik sein kann, zeigt sich geballt auf dem Acker bei Erwitte. Dort ziehen dieser Tage KI-optimierte und autonom fahrende Traktoren ihre Kreise. „Das hier ist ein echter Gamechanger“, glaubt Paul Bühnemann von Agravis Technik. Der Spezialist für Smart Farming und Digitalisierung zeigt auf die Präzisionsfeldspritze Ara der Schweizer Firma Ecorobotix, die auf dem Gelände unterwegs ist. Sechs mal sechs Zentimeter genau kann das Gerät flüssige Substanzen auf Feld und Pflanze ausbringen. „Bis zu 90 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel landen am Ende auf den Flächen“, behauptet Bühnemann.
Drohnen bringen Saatgut vollautomatisch auf das Feld
Agravis Technik vertreibt die Geräte in Deutschland. Die Nachfrage werde immer größer. Nebenan rollen ähnlich intelligente Systeme anderer Anbieter über das Feld. Ein paar Meter weiter präsentiert sich das Unternehmen „Saaten-Union“ aus dem Raum Hannover, das für mittelständische Pflanzenzüchter den Vertrieb organisiert. Der Hingucker hier: eine vollautomatische Drohne mit etwa zwei Meter Spannweite und vielen kleinen Düsen. „Sie wird häufig zum Ausbringen von Saatgut für Zwischenfrüchte genutzt“, sagt Karsten Gros, bei Saaten-Union der Spartenleiter für das Thema „Zwischenfrüchte“, also Aussaat, die zwischen dem regulären Anbau gesät wird, um auf diese Weise Unkraut zu verhindern und kein oder weniger Pestizid einsetzen zu müssen. „Es funktionieren nicht alle Kulturen überall. Wir experimentieren gerade mit Frührettich und Wicken“, sagt Gros. Wetter sei nicht das große Problem für die Flugdrohne, die idealerweise zwischen drei und fünf Meter über dem Boden schwebt und auf einer Breite bis zu zehn Meter Saatgut voll automatisch verteilen kann. Bei zehn Hektar Fläche müsse zwei bis drei Mal der Akku gewechselt werden, mehr nicht.
Die Zukunft der Landwirtschaft hat also längst begonnen. Roboter, Drohen, immer neue Pflanzensorten, die bei weniger Einsatz von Schutzmitteln, also sogenannten Pestiziden, immer noch ausreichend Ertrag bringen. Denn darauf kommt es an, sollen nicht eines Tages Landwirte zu Energiewirten werden, die nur noch mit Biogas, Photovoltaik und Windkraft ihr Geld verdienen. Woher kommen dann die Nahrungsmittel?
„Ackerbau nach Schema F ist nicht mehr Stand der gesellschaftlichen und der Fortschritts-Diskussion.“
Die Landwirtschaft, sagt DLG-Präsident Hubertus Paetow zur Eröffnung der Feldtage, erlebe gerade einen Paradigmenwechsel: Nachhaltigkeit, Biodiversität und Klimaschutz mit Produktivität zu verbinden, erfordere Innovationsbereitschaft und Technologieoffenheit. Die Feldtage in der Soester Börde seien eine gute Gelegenheit, einen Blick über den eigenen Ackerrand hinaus auf neue Wege im Pflanzenbau zu werfen: „Ackerbau nach Schema F ist nicht mehr Stand der gesellschaftlichen und der Fortschritts-Diskussion.“ Zu sehen ist dies noch bis Donnerstag dieser Woche auf dem Gelände von Gut Brockhof bei Erwitte - eine frühe Anreise ist ratsam.
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