Münster/Sundern. Robert Gördes organisierte im Januar die Bauern-Proteste mit und kämpft für eine Branche, in der er für seinen Sohn kaum Zukunft sieht.
Robert Gördes ist hin- und hergerissen. „Landwirt ist der geilste Beruf der Welt.“ Einerseits. Andererseits ist die Gemütslage des 55-jährigen Landwirts aus Sundern schnell tief im Keller, wenn es um die Zukunft seiner Branche in Deutschland an sich geht. Medien, Politik, Verbraucher, alle spielen dabei eine Rolle, mehr oder weniger.
Mit seinem Sohn Lennard sucht der Hofbesitzer Gördes Ablenkung bei den Agrarunternehmertagen in Münster. Und Inspiration für das Kerngeschäft. Es ist eine regionale Messe, die alle zwei Jahre rund 20.000 Landwirte anlockt. Im Programm: Fachvorträge über Keimreduktion in Ställen, Anbieter von Wundermitteln zur optimalen Geburtsvorbereitung für Zuchtsauen, die neuesten Trecker und Informationen zum Einsatz von künstlicher Intelligenz auf dem Acker. Proteine, Enzyme, Fruchtfolgen, die zu beachten sind. Dem Laien schwant wieder, dass es sich bei Landwirtschaft um eine heimliche Wissenschaft für sich handelt.
Schiefes Bild von satt-subventionierten Bauern
„Als Landwirt ist man Elektriker, Klempner, Bauschlosser und ein bisschen Mediziner“, sagt Gördes. Sein erster Gang auf der Messe führt ihn zum Stand der Genossenschaft zur Förderung der Schweinehaltung (GFS). Die GFS ist der Spermalieferant für den Sauerländer Ferkelzüchter. Sich endlich einmal wieder mit dem Kerngeschäft befassen, statt mit Themen wie Bürokratie oder Subventionsstreichung beim Agrardiesel, tut sichtlich gut. Die Miene hellt sich auf.
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Am Agrardiesel hatte sich zur Jahreswende bundesweit nie dagewesener Protest von Landwirten über Nacht entzündet. Ein Stichwort reicht, und Gördes ist wieder wie angeknipst: „Es war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, erinnert sich der Sauerländer. Auch einen Monat nach der vermutlich größten Demonstration von Landwirten, die es im Sauerland je gab, schwingen Wut und Frust über politische ad-hoc-Entscheidungen noch in seiner Stimme mit und das schiefe Bild über satt-subventionierte Bauern. „Es fängt doch schon in den Schulbüchern an. Das steht nur noch Blödsinn in Bezug auf die Landwirtschaft von heute drin. Das ist hier kein Bullerbü.“
Rund eintausend Fahrzeuge, überwiegend Trecker, waren am 8. Januar auf den Flugplatz in Meschede-Schüren gerollt, ungefähr 1700 Kolleginnen und Kollegen von Gördes hatten sich zum Protest versammelt, machten ihrer Wut über die aus ihrer Sicht leidigen Debatten Luft – und hörten zu, was heimische Spitzenpolitiker wie CDU-Chef Friedrich Merz oder SPD-Spitzenpolitiker Dirk Wiese (SPD) zum Besten gaben, moderiert von Robert Gördes.
Der Politik ein Klotz am Bein?
Landwirt Gördes ist engagiert, Vorsitzender des Landwirtschaftsstadtverbandes in Sundern, Mitglied in der CDU, offen für ehrliche Kritik. Der Beitrag des Genossen Wiese ist ihm positiv in Erinnerung geblieben. Und dennoch: „Manchmal habe ich das Gefühl, die Landwirtschaft ist der Politik ein Klotz am Bein.“
Statt Tag für Tag im geilsten Beruf der Welt auf dem Feld zu ackern und im Stall zu schuften, gelte es bürokratische Hürden zu überwinden, gefühlt ohne Unterlass statistische Angaben an ein halbes Dutzend verschiedener Behörden zu melden und sich am Ende von Gott und der Welt auch noch vorwerfen zu lassen, von Steuergeldern ein gutes Leben zu führen. „Es ist ähnlich wie beim Fußball, alle haben Ahnung, nur die, die es täglich machen, haben keine. Alle reden mit – Medien, Politik, und den Verbrauchern ist es oft egal, zumindest an der Fleischtheke.“
Absage an Tierwohl-Cent
Gördes will nicht alimentiert werden. Den Tierwohl-Cent, über dessen Einführung vergangene Woche diskutiert wurde, hält er wohl für die nächste Sau im Dorf. „Ich bin gegen die Einführung eines Tierwohl-Cents. Meiner Meinung nach muss man Politik und Wirtschaft voneinander trennen. Bei so einer Abgabe fürchte ich, dass der bürokratische Aufwand sehr kostspielig wird und am Ende das Geld nicht dort ankommt, wo es hingehört! Wenn der Verbraucher bereit ist, mehr für Tierwohl zu zahlen und wir Landwirte uns etwas dabei ausrechnen können, bauen wir unsere Ställe ohne Fördermittel und zusätzliche Bürokratie um!“
Der Sauerländer Landwirt gönnt sich einen Kaffee, schwarz. Sein Sohn Lennard auch. Ausnahmsweise fällt die Branchenmesse einmal in eine Woche ohne „Abferkeln“. Bei 400 Zuchtsauen im Stall ein glücklicher Zufall. Während andere in diesen Tagen wie jeck feiern oder dem Karneval mit einem Kurzurlaub entfliehen, reicht für den Landwirt offenbar selten zu mehr als einem Nachmittag unter Gleichgesinnten wie in Münster (die Messe startet erst um 13 Uhr).
Das ist nicht schlimm für Gördes. Auch seinem Sohn Lennard macht der Sieben-Tage-Rhythmus offenbar nicht die Bohne aus. Den Hof übernehmen? Der junge Mann nickt, seine Augen leuchten, die seines Vaters spiegeln Skepsis wider, obwohl es doch eigentlich ein so toller Beruf ist: „Ja, Lennard möchte das machen. Aber ich kann es ihm in der jetzigen Situation nicht empfehlen!“