Lüdenscheid/Hagen. Eine 22-Jährige stellt den Rechtsstaat mit ihren wiederholten Taten vor Probleme: Nun wird sie zu zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt.
Über mehrere Jahre trieb die junge Frau ihr Unwesen und hielt die Stadt in Atem: Immer wieder brannten in Lüdenscheid Altpapiercontainer - ohne dass die der Taten verdächtigte 22-Jährige nachhaltig gestoppt worden wäre. Am Dienstag ist nun ein Urteil in dem öffentlichkeitswirksamen Fall, der sogar den Landtag beschäftigte, ergangen: Das Amtsgericht Lüdenscheid verurteilte die Angeklagte wegen Sachbeschädigung in 39 Fällen (inklusive zweier versuchter Sachbeschädigungen) zu zwei Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die mutmaßliche Täterin kann noch Revision oder Berufung einlegen.
Zwei Verfahren zusammengeführt
Zu verantworten hatte sich die junge Frau vor Gericht wegen insgesamt rund 50 Fällen, in denen sie Altpapiercontainer angezündet haben soll: in Lüdenscheid, ihrem jetzigen Wohnort, aber auch bei der Staatsanwaltschaft Bochum wurde eine Strafverfahren gegen sie geführt. Ihr gefährliches Spiel mit dem Feuer hat nun ein vorläufiges Ende. Erleichterung in der Stadt? Nicht nur.
Wallburga Jung ist Lüdenscheiderin. Sie hat, wann immer über brennende Altpapiercontainer in ihrer Stadt berichtet wurde, die Meldungen aus der Zeitung ausgeschnitten und verwahrt. Die Sache ließ ihr keine Ruhe. Sie verstand nicht, wie macht- und hilflos der Rechtsstaat zu sein schien. Als sie vom Urteil des nicht-öffentlichen Prozesses erfährt, sagt sie: „Die Frau ist aus meiner Sicht psychisch krank, sie benötigt eine Therapie. Wenn sie nun zwei Jahre weggesperrt wird, dann ist ihr nicht geholfen - im Gegenteil vermutlich.“
„Es herrschte extreme Unruhe in der Bevölkerung“, sagt Dudas: „Es ist gut, dass das ein Ende hat.“
Tatsächlich berücksichtigte das Jugendschöffengericht beim Strafmaß eine „krankheitsbedingt verminderte Schuldfähigkeit“, wie Miriam Meier, Pressesprecherin des zuständigen Landgerichts Hagen auf Nachfrage mitteilt. Die Staatsanwaltschaft Hagen hatte sogar zwei Jahre und sechs Monate sowie den Erlass eines Haftbefehls gefordert, wie Gerhard Pauli, Sprecher der Anklagebehörde, auf Nachfrage berichtet. Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleibt sie nun also auf freiem Fuß - und eine Therapie ist vorerst nicht Teil der erzieherischen Maßnahmen. „Als Teil einer Bewährungsauflage wäre eine Therapie denkbar gewesen“, erklärt Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli. Doch die Strafe wurde ohne Bewährung ausgesetzt. Ob dieses Urteil Bestand haben wird, bleibe abzuwarten.
Tatverdächtig in 191 Fällen seit August 2022
Die Brandserie hatte weit über Lüdenscheid hinaus für Aufsehen gesorgt. Auch weil die Polizei im Märkischen Kreis von einer deutlich größeren Zahl an Taten ausgeht. Allein zwischen August 2022 und Oktober 2024 hat es im gesamten Stadtgebiet Lüdenscheid 268 Containerbrände gegeben. Die Angeklagte werde in 191 Fällen als Tatverdächtige geführt, teilt die Polizei im Märkischen Kreis auf Nachfrage mit. Besonders brisant: Die Containerbrände sind offenbar auch nach dem Prozessstart am 2. Oktober weitergegangen.
Bei mindestens zwei Fällen aus dem Oktober gilt die Angeklagte als Tatverdächtige. Am 21. Oktober wurde „eine polizeibekannte 22-jährige Frau“ in Gewahrsam genommen. Am 25. Oktober wurde „eine polizeiliche bekannte Lüdenscheiderin im Nahbereich angetroffen und erhielt einen Platzverweis für die Örtlichkeit“. Die Polizei bestätigt, dass es sich um die mutmaßliche Serienbrandstifterin handelt.
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Der Landtagsabgeordnete Gordan Dudas (Märkischer Kreis) hatte die Brandserie und die Hilflosigkeit der Justiz durch eine kleine Anfrage zum Thema im Landtag gemacht. Denn: Noch bevor sich das Amtsgericht Lüdenscheid mit dem Fall befasste, hatte sich das Landgericht Hagen für nicht zuständig erklärt, da es sich bei den angeklagten Fällen lediglich um Sachbeschädigungen gehandelt habe. Eine befriedigende Antwort hatte Dudas nicht erhalten. Erfreut aber nimmt er das Urteil zur Kenntnis, wenn es denn rechtskräftig wird.
„Damit ist die Brandserie hoffentlich beendet und die Allgemeinheit vor der Täterin geschützt. Das ist die Botschaft, auf die alle Bürger gewartet haben, die teilweise in Angst gelebt haben“, kommentiert Dudas das Urteil. Auch sei enormer Sachschaden entstanden. Ein sechsstelliger Betrag war nach Auskunft der Stadt Lüdenscheid schon vor Monaten zusammengekommen. „Es herrschte extreme Unruhe in der Bevölkerung“, sagt Dudas: „Es ist gut, dass das ein Ende hat.“