Siegen. Eine schwere, komplizierte und definitiv sehr teure Entscheidung für die Politik: Wie stehen die Fraktionen zur Zukunft der Siegener Hallenbäder?

Am 10. Mai entscheidet der Rat über die Zukunft der Siegener Bäderlandschaft – gibt es ein großes Zentralbad oder bleibt Eiserfeld neben einem Neubau in Weidenau erhalten? Nicht die erste politische Grundsatzentscheidung in Sachen Bäder, die mehrfach schon von der bröckelnden Realität in den Gebäuden überholt wurden. Die Entscheidung darüber ist nicht einfach. Es geht um sehr viele Millionen Euro, die Siegen in nach wie vor schwieriger finanzieller Lage aufbringen muss – und es geht um die Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere im Siegener Süden, aber auch über die Stadtgrenzen hinaus. Sehr teuer wird es in jedem Fall, etwas weniger sehr teuer würde es wohl mit einem Zentralbad, vor allem was Betrieb und Personal angeht. Dafür aber hätte Siegen nur noch ein Hallenbad – dafür aber sehr groß und hochmodern.

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Die Entscheidung ist so komplex, dass die Verwaltung sich nicht festlegt, die Politik müsse alle Faktoren bewerten und letztlich entscheiden. Vier der zehn Ratsfraktionen haben sich bislang positioniert, bei den meisten gibt es noch einigen Gesprächsbedarf. Erstmals öffentlich beraten wird das Thema in einer gemeinsamen Sitzung des Bau- mit dem Sport- und Bäderausschuss am Dienstag, 28. März. Eine fraktionsübergreifende Ratsentscheidung wie zuletzt beim Haushalt scheint in diesem Fall unwahrscheinlich. Ein erstes Stimmungsbild.

Für ein Zentralbad und für die Schließung von Eiserfeld sind diese Fraktionen

AfD: Maxime der Fraktion sei immer „Was brauchen wir und was können wir uns leisten?“, so Fraktionschef Michael M. Schwarzer – ein für alle Siegener erreichbares Schwimmangebot sei eine legitime Mindestforderung, müsse aber auch solide finanziert werden können. Ein Zentralbad in Weidenau sei ein mehr als akzeptabler Kompromiss: Nach Lage der Dinge sei es noch so gerade finanzierbar, recht gut erreichbar, sichere das Schwimmangebot für mindestens 30 Jahre, werte mit einem 50-Meter-Becken den Schwimmsport auf. „Den Wunsch der Eiserfelder nach Erhalt ihres Bades können wir absolut nachvollziehen“, so Schwarzer, angesichts der Kosten lasse der Haushalt aber keine Zwei-Bäder-Lösung zu. Schulden im hoch zweistelligen Millionenbereich seien für diesen Komfortgewinn nicht zu verantworten.

Volt: Zwei Schwimmbäder könne sich Siegen auf Dauer nicht leisten. Priorität müsse daher Vereinen und Schulen gelten, damit alle Kinder schwimmen lernen können, so die Fraktion. Ein Zentralbad biete da die beste Möglichkeit, bei der gleichzeitig die Kosten im Rahmen blieben, so Luca Weber, sportpolitischer Sprecher. Die begrenzten Ressourcen der Stadt müssten gezielt fürs Zentralbad genutzt werden, um die Bedürfnisse der Bevölkerung bestmöglich zu erfüllen: Dazu – und um Kosten zu sparen – sollte nach Ansicht der Fraktion das Zentralbad ein noch größeres Becken mit 25x50 Metern (statt 21x50) bekommen, was die Beckenkonstruktion vereinfache. Eine private Sauna und Physiotherapie würden der Stadt zudem Mietzahlungen einbringen.

Diese Fraktionen im Rat Siegen sprechen sich für zwei Hallenbäder aus

CDU: Die Fraktion sei sich einig und erhalte ausschließlich Rückmeldungen zum Erhalt beider Standorte, Weidenau und Eiserfeld. Dafür spreche eine für alle Siegener Bürger – und Schulen – vertretbare Entfernung zum jeweiligen Bad, gefestigte Vereinsstrukturen und Rehasport-Angebote an beiden Standorten. Zwei Bäder würden zudem mehr Zeiten für öffentliches Schwimmen ermöglichen als ein Zentralbad. Laut DLRG-Bundesverband sei in allen deutschen Städten, in denen in den vergangenen Jahren Zentralbäder entstanden sind, die Nichtschwimmerquote der Kinder unter 6 Jahren doppelt so hoch (40 %) wie in Städten mit dezentralen Schwimmbadstrukturen (20 %). Ein Zentralbad ermögliche zudem keine Redundanz, etwa wenn technische Probleme auftreten.

Grüne: Erreichbarkeit, Familienfreundlichkeit, Entwicklungsmöglichkeit, Barrierefreiheit, Energieverbrauch (auch bei erhöhtem Pendleraufkommen), CO2-Neutralität bis 2040, Auswirkungen auf Schulsport und die Vereine, mögliche Ausfall-Redundanzen, Akzeptanz in der Bevölkerung und Wirtschaftlichkeit seien zu berücksichtigen. Für beide Alternativen gebe es gute Gründe, so Stadtverordneter Martin Heilmann. Nach internen Beratungen positioniert sich die Fraktion für langfristig zwei Hallenbad-Standorte – insbesondere die Erreichbarkeit sei ein zentrales Kriterium, daneben auch die Redundanz.

AfS: Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Neubau in Weidenau mit einer Schließung in Eiserfeld verquickt werde, so Geschäftsführer Roland Steffe: Vor wenigen Jahren sei Eiserfeld noch das beste Bad gewesen, nun gebe es plötzlich millionenschweren Sanierungsstau. Darin sei aber auch die Renovierung der zwar alten, aber intakten Umkleiden enthalten – „nicht zwingend für einen sicheren Betrieb des Bades erforderlich“. Zusätzlich zu einem angemessenen Neubau in Weidenau, der Menschen, Vereinen und Schulen gerecht werde, brauche Siegen ein weiteres Bad für die südlichen Stadtteile, um organisatorische Nachteile für Schüler, Nachteile bei den Belegungszeiten und Fahrten quer durch die Stadt zu vermeiden. „Reines Kostendenken führt hier nicht weiter.“ Da die Mehrheit der Bevölkerung das Bad in Eiserfeld erhalten zu wollen scheine, regt die Fraktion einen Bürgerentscheid zu solch einer bedeutsamen Entscheidung an.

Diese Siegener Ratsfraktionen haben noch keine Position zu Hallenbad-Entscheidung

SPD: Oberstes Ziel sei immer gewesen: Alle Kinder Siegens sollen schwimmen lernen können, so Fraktionsgeschäftsführer Ingmar Schiltz. Zentrale Entscheidungskriterien seien daher Organisation des Schulschwimmens und Nutzung durch Schwimmvereine. Offene Fragen wie etwa Fördermöglichkeiten sollen bis zur Fraktionssitzung geklärt werden. In der öffentlichen Diskussion spiele aus Sicht der SPD die Finanzierung dieser Langfristentscheidung bislang leider keine Rolle – „die Politik muss aber auch so ehrlich sein und sagen, dass die Stadt Siegen eigentlich weder für die eine noch für die andere Variante das Geld hat.“ Steuererhöhungen würden sich daher wahrscheinlich nicht vermeiden lassen.

FDP: Zentrale Gründe: ausreichendes Schwimmangebot, Machbarkeit, Kosten und Erreichbarkeit aus allen Stadtteilen, so Fraktionsvorsitzender Markus Nüchtern. Nach den internen Diskussionen werde man sich in den Ausschusssitzungen auch mit den anderen Fraktionen beraten. Auch Vertreter der Bürgerinitiative zum Erhalt des Eiserfelder Hallenbads seien eingeladen.

Die Fraktionen machen sich die Entscheidung über die Siegener Hallenbäder nicht leicht

UWG: Die interne Diskussion sei sehr kontrovers, „sehr offen und hoch differenziert“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Bell – und noch nicht abgeschlossen. Aus Eiserfeld erhalte man Rückmeldungen, dort stehe der Nutzen für Familien, Schulen und Vereine klar im Fokus, was ein Zentralbad nicht ersetzen könne. Aus anderen Stadtteilen erhalte man dagegen nur selten Meinungen.

GfS: Man bereite fundiert vor, hole sich Expertise von außen, diskutiere im Team, so Fraktionsvorsitzender Christian Sondermann: „Es stehen noch Treffen mit der Bürgerinitiative Hallenbad Eiserfeld und der Sport- und Bäderverwaltung an“. Es gelte die Meinungen der Bevölkerung zu berücksichtigen und die wichtige Frage zu klären, ob ein Zentralbad tatsächlich funktionieren könne. „Es muss also hundertprozentig ‘wasserdicht’ sein“. Die Kosten sprächen zwar für ein Zentralbad, es brauche aber auch ein überzeugendes Betriebskonzept. „Wenn wir alle Fakten kennen, wägen wir ab, welche Variante für die Stadt Siegen am Ende die bessere ist. Wir finden eine solche Herangehensweise seriöser, als sich von vornherein als die großen Retter Eiserfelds zu positionieren.“

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Linke: „Wir werden das in den kommenden Wochen diskutieren, um zu einer einheitlichen Position zu kommen“, so Fraktionsgeschäftsführerin Melanie Becker. Zentral für die Fraktion: Den Bedarf mit einer Lösung bestmöglich abzudecken.