Siegen. Finanz-Bauchschmerzen: „Ein Projekt dieser Größe kann sich Siegen eigentlich nicht leisten“, so der Kämmerer über ein neues Hallenbad in Weidenau
- Ein Hallenbad-Neubau kostet genauso viel wie eine Bestandssanierung und -erweiterung
- Weil das Löhrtor-Stadtbad wegfällt, muss wenigstens ein Teil der Wasserfläche kompensiert werden
- Die Kommunalpolitik ringt sich zu einer Grundsatzentscheidung durch – wie es weitergeht:
Die Frage ist längst nicht mehr die nach der Variante – alles außer einem Neubau widerspräche jeglicher Logik und gesundem Menschenverstand, da sind sich eigentlich alle einig. Wenn die Stadt Siegen schon einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nimmt – die Rede ist von einer Summe zwischen 42 und 47 Millionen Euro – dann baut sie doch besser direkt ein neues Hallenbad, das länger hält, günstiger zu betreiben ist, optimierte Verkehrswege im Inneren hat, Platz für Photovoltaik und Dachbegrünung. Im Unterschied zu einer Sanierung und Erweiterung des Bestandsgebäudes, das all das nur deutlich schlechter kann, wie in der gemeinsamen Sitzung von Sport- und Bäder- und Bauausschuss am Mittwoch deutlich wird.
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Mit einigen finanziellen Bauchschmerzen ringt sich die Politik am Ende einer langen Sitzung mehrheitlich dazu durch, dass das alte Hallenbad Weidenau abgerissen und an gleicher Stelle ein neues errichtet werden soll. Für die Bauchschmerzen hat Kämmerer Wolfgang Cavelius gesorgt: „Ein Projekt in der Größenordnung können wir uns eigentlich nicht leisten“, sagte er auch mit Blick auf die jährlichen Folgekosten von rund 1,5 Millionen Euro. Umso mehr, als die steigenden Gas- und Energiepreise die Stadt ab 2023 massiv treffen würden und weitere Großprojekte anstehen. Er sehe aber die Notwendigkeit eines Hallenbads.
Bei den Kosten für das neue Hallenbad sind Baupreissteigerungen enthalten
Die 42 Millionen Euro für die Bestandssanierung sowie 47 für Teil- und Komplettneubau enthalten bereits 14 Prozent Risikopuffer für Baupreissteigerungen, rechnet Thomas Guszan vom Projektsteuerer-Büro Constrata vor – ein Ende sei aber nicht absehbar, „wir wissen nicht, wie es weitergeht“. Billiger werde es jedenfalls nicht.
Ein Drittel der Wasserfläche, die mit der Schließung des Löhrtor-Stadtbads mittelfristig entfällt, solle in Weidenau aufgefangen werden, so Stadtrat Arne Fries, der intensiv für den Neubau wirbt: Mit künftig dann noch zwei Bädern werde es zwangsläufig zu deutlich mehr Besucherverkehr und längeren Öffnungszeiten kommen, wenn Vereine, Schulen, Öffentlichkeit das Bad nutzen. „Das muss gut gesteuert sein.“ Ein Neubau ermögliche das, dennoch werde man Schulen und Vereine von außerhalb Siegens womöglich von der Badnutzung ausschließen müssen.
Mit einem Hallenbad-Neubau könnte Siegen Schwimm-Wettkämpfe ausrichten
Eine Bestandssanierung oder auch Teilneubau ermögliche das weniger, verdeutlichte Thomas Kalman, Geschäftsführer und Architekt des auf öffentliche Bäder spezialisierten Büros Krieger aus Velbert. Das Gebäude sei intensiv neu vermessen worden, um die gestellte Aufgabe bestmöglich erfüllen zu können. Der Bestand aus den 50er und 70er Jahren könne hinsichtlich der Betriebsabläufe einfach nicht so gut optimiert werden, wie es ein Neubau von vornherein wäre. Ganz zu schweigen von geringerer Energieeffizienz, Lebensdauer, Barrierefreiheit, Bauzeit, Restrisiken etwa bei Schadstoffen. Ein Ersatzneubau könne die Defizite des alten Bades beseitigen – und mit 50-Meter-Bahnen auch die Wettkampffähigkeit – und einen extrem guten energetischen Zustand herstellen. Bäder sind die größten Energieverbraucher im städtischen Portfolio.
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Zahlreiche Mitglieder Siegener Schwimmvereine, darunter viele Jugendliche, verfolgen die Debatte im Ratssaal. Neben der gewaltigen Summe, die insbesondere bei der FDP auch grundsätzliche Überlegungen zur Siegener Bäderlandschaft etwa mit einem großen Zentralbad auslöst, bereitet einigen der Standort Sorgen: Bernd Mäckeler (Grüne) verweist auf die Lage am Zusammenfluss von Sieg und Ferndorf. Ein 100-jähriges Hochwasser sei technisch händelbar, so die Planer und die Verwaltung – ein extremes Hochwasser wie im Ahrtal aber nicht, insistiert Mäckeler.
Stadtbaurat; In Siegen gibt es keine anderen geeigneten Hallenbad-Standorte
Alternativstandorte gebe es aber nicht, verweist Stadtbaurat Henrik Schumann auf die intensive Prüfung der Verwaltung – zumindest keinen, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sei, was als zentrales Kriterium gelte. Vielleicht noch der Bismarckplatz gleich gegenüber, der aber vom Verkehr und für Veranstaltungen benötigt werde.
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Irgendwann platzt Jürgen Rompf (CDU) der Kragen: Es gehe um eine Grundsatzentscheidung, ob Siegen ein Bad will – „und wenn nicht, müssen wir auch den Arsch in der Hose haben, dass wir uns das nicht leisten können.“ Und dann gehe es auch um Kultur, Musikschule, Kunstrasenplätze und Turnhallen, „da haben wir nämlich überall kein Geld für. Dann machen wir eben nichts für die Bevölkerung und sparen uns zu Tode.“
Extremhochwasser: Kritik am Vergleich Ahrtal mit Siegen
Flüsse und Bäche könnten im gesamten Stadtgebiet über die Ufer treten, „das kann nicht der Maßstab des Handelns sein“, so Ingmar Schiltz (SPD), Maß aller Dinge sei nicht das extreme, sondern das 100-jährige Hochwasser. Dass das Ahrtal als Vergleich herangezogen werde, ärgere ihn wirklich, pflichtet Thomas Christian bei: „Da haben Menschen ihre Existenz verloren“, hier gehe es um ein überflutetes Hallenbad. „Wir reden über Hochwasser und die Möglichkeit, den Menschen das Schwimmen nicht beizubringen“, zeigt sich auch Stadtrat Fries irritiert.
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Man wolle einen Hallenbad-Neubau nicht verhindern, sei aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entscheidungsfähig, betont Ansgar Cziba (Grüne).