Schmallenberg. In der Wintersportregion mussten 2024 zwei Skigebiete Insolvenz melden. Experte: „Wenig Hoffnung, dass man 2050 noch Ski fährt.“
Als der Hunaulift im Schmallenberger Ortsteil Bödefeld am 13. Dezember 1969 in Betrieb ging, berichtete sogar die ARD-Tagesschau zur besten Sendezeit über den seinerzeit höchstgelegenen Skilift nördlich der Mainlinie. Der Startschuss für das heutige Skigebiet Bödefeld-Hunau hatte Zeitzeugen zufolge zwar auch kritische Stimmen im Ort hervorgerufen („ein „tot geborenes Kind“). Doch ein Super-Winter bescherte dem neuen Lift eine Traumsaison über fünf Monate bis in den April 1970 hinein.
Mehr als 50 Jahre später macht der Schneemangel im Sauerland den Betreibern arg zu schaffen. Im Oktober meldete die „Skigebiet Bödefeld-Hunau-Lift GmbH & Co. KG“ Insolvenz an, gerade eben hat es ein von Bödefelder Bürgern und Geschäftsleuten neu gegründeter Verein in einem Kraftakt im Zusammenspiel mit der Stadt Schmallenberg und einer Bank geschafft, den Skibetrieb für die kommende Wintersaison sicherzustellen.
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Jetzt wird nach einer Dauerlösung für das Gebiet mit dem längsten Flutlichthang des Sauerlandes auf 810 Metern Höhe gesucht. Das ruft Skeptiker auf den Plan, die angesichts des fortschreitenden Klimawandels und der laut Prognosen weniger werdenden Zahl an Schneetagen im Winter große Fragezeichen hinter die Zukunft des Skisports im Sauerland setzen – zumal in diesem Jahr mit „Mein Homberg“ in Winterberg-Züschen ein weiteres heimisches Skigebiet Insolvenz anmeldete.
Geld sitzt nicht mehr so locker
Jürgen Schmude ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft und wissenschaftlicher Leiter des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT). Er sagt: „Die Zukunftsszenarien, die auf Klimamodellen beruhen, bieten wenig Anlass zu der Hoffnung, dass man im Jahr 2050 in den Mittelgebirgen noch Ski fährt. Mehr noch: Skitourismus wird es langfristig im gesamten Bundesgebiet mit ganz wenigen Ausnahmen in Bayern nicht mehr geben.“
Bereits heute werde es für Skigebiete zunehmend schwieriger, die für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendige minimale Anzahl an Betriebstagen zu erreichen, so Schmude weiter. Hinzu komme, dass das Geld bei potenziellen Skifahrern nicht mehr so locker sitze: „Das hat auch damit zu tun, dass Skifahren durch die zunehmende Technisierung immer teurer wird. Eine Studie der Sporthochschule Köln hat dargelegt, dass beim Skifahren bereits eine gewisse soziale Auslese stattfindet. Verlierer ist die klassische Familie.“
Das Sauerland ist für viele das bekannteste deutsche Skigebiet jenseits der Alpen. Was ist, wenn irgendwann in ferner Zukunft das Skifahren Schnee von gestern sein sollte? Jürgen Schmude empfiehlt den Tourismus-Verantwortlichen, jetzt ihre Hausaufgaben zu machen: „Die große Aufgabe, vor der Urlaubsregionen mit Skigebieten stehen, ist der Übergang zu einem Ganzjahrestourismus“, sagt der Experte aus München.
Kein Patentrezept
Wie man das am besten mache, dafür gebe es kein Patentrezept: „Als in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Skigebiete entwickelt wurden, hatte man es leichter: Sie wurden allesamt nach dem gleichen Muster errichtet. Ein solches Schema F haben wir heute nicht mehr. Was daran liegt, dass die Zielgruppen und die Bedürfnisse immer stärker differenziert worden sind.“ Jede Urlaubsdestination müsse ihren eigenen Weg finden. Schmude: „Es macht keinen Sinn, wenn jetzt alle Skigebiete auf Mountainbiken umsteigen oder zu Familien-Erlebniswelten werden. Das wird nicht funktionieren.“
Nach den Worten Schmudes seien in diesem Prozesse alle touristischen Leistungsträger - zum Beispiel Veranstalter und Betriebe - gefordert: „Es kann keine Einzelentscheidung sein, dass ein Skigebietsbetreiber sagt, wir setzen zukünftig auf Produkt X oder Y. Es müssen Regionskonzepte her.“ In dieser Hinsicht sei das Sauerland schon relativ gut aufgestellt, findet Schmude – auch was die Entwicklung von Ganzjahrestourismus angeht. „Das Problem, wenn man diesen Begriff gebrauchen kann: Der Wintertourismus-Gast lässt mehr Geld an seinem Urlaubsort als der Sommertourismus-Gast: Ein Skifahrer gibt zum Beispiel etwa doppelt so viel aus wie ein Radfahrer.“
„Die große Aufgabe, vor der Urlaubsregionen mit Skigebieten stehen, ist der Übergang zu einem Ganzjahrestourismus.“
Ein Skigebiet zum Ganzjahresziel zu machen: Das ist auch das Motto, das Timo Hennecke einfällt, wenn er an die Zukunft „der „Hunau“ denkt: „Ohne das Sommergeschäft geht es nicht. Wir müssen selbst an den Stellschrauben drehen, können nicht jeden Winter beten, dass Schnee fällt.“ Der Bäckermeister ist Vorstandsmitglied in dem im Oktober neu gegründeten Verein, der das Skigebiet in Zukunft betreiben will: „Wir möchten ein Sommergeschäft mit nachhaltigem Tourismus in der Hunau etablieren.“
Der Hunaulift und die umliegenden Pisten hätten touristische Strahlkraft weit über das Schmallenberger Sauerland hinaus, so Hennecke weiter: „Im Ruhrgebiet ist unser Ort ein Begriff. Viele Ältere haben in der Hunau das Skifahren gelernt.“ Und auch die Wintersport-Arena Sauerland, ein Zusammenschluss von Sauerländer Skigebieten, profitiere von dem „Nischen-Angebot Bödefeld-Hunau. Es gibt Menschen, die bewusst bei uns Skifahren wollen, um dem Rummel in Winterberg zu umgehen.“
Bei der Wintersport-Arena Sauerland ist man heilfroh, dass es in diesem Winter in Bödefeld weitergeht: „Alle Skigebiete hier in der Region, ob groß oder klein, haben ihre Bedeutung“, so Susanne Schulten, „sie machen die Vielfalt des Wintersports für die Gäste aus.“
Die Sprecherin weist auf eine Häufung von wirtschaftlichen Herausforderungen für die Betreiber von Skigebieten seit 2019 hin, „wie es sie zuvor zumindest in dieser Form noch nicht gegeben hat“. So sei der Winter 2019/20 sehr mild gewesen. Einige Skigebiete hätten nur wenige Tage, andere auch gar nicht öffnen können. Susanne Schulten: „Dass es immer wieder mal einen milden Winter gibt, kennen die Skigebiete und überstehen diese in der Regel auch. Allerdings brauchen sie dazwischen auch mal eine gute Saison. Dies hat aufgrund der Pandemie gefehlt.“
Sommerangebote als Ausgleich
So hätten in dem besonders guten Winter 2020/21 die Anlagen geschlossen bleiben müssen. Die Gemengelage habe auch dazu geführt, „dass mittelgroße Skigebiete, die eigentlich gut aufgestellt sind, in Schieflage geraten. Im Gegensatz zu den Kleinen haben die einen deutlich höheren Kostendruck“.
Sommerangebote - „die übrigens auch Investitionen erfordern“ - könnten nach den Worten der Arena-Sprecherin „ein Ausgleich sein, wenn ein Winter mal schlecht läuft“. Doch stünden die Einnahmen im Sommer meist hinter denen zurück, die im Winter erzielt würden. Es gebe gute Beispiele für Sommerangebote wie Bikeparks, Sommerrodelbahnen, Ziplines (Seilrutschen) usw.: „An den Winter kommen die allerdings überwiegend nicht heran“, sagt Susanne Schulten: „Zudem kann ja nicht jedes Skigebiet einen Bikepark bauen. Da müssen sehr individuelle Lösungen her.“
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