Halver. Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Schulen: Wann ist der Einsatz sinnvoll? Wann schwierig? Eine Schule im Sauerland ist schon lange im Thema.

Für Mathematiklehrer Sven Kuhlmann ist sie längst zum festen Bestandteil seines schulischen Lebens geworden: die Künstliche Intelligenz (KI). Sie hilft ihm etwa dabei, Textaufgaben neu zu formulieren oder ihm Anregungen für die Struktur seines Unterrichts zu geben. Damit ist der Lehrer am Anne-Frank-Gymnasium in Halver im Sauerland schon weiter als die Bildungs-Bürokratie im Lande es vorsieht. Denn aus dem NRW-Schulministerium heißt es auf Anfrage unserer Redaktion, eine Handlungsempfehlung zum Umgang mit KI in schulischen Bildungsprozessen werde ausgearbeitet und solle im Herbst vorliegen. Darauf wartet man am Gymnasium in Halver nicht, hier hat man sich Experten des Fraunhofer-Instituts geholt, damit Lehrer wie Schüler in einem Workshop KI-Grundkenntnisse lernen.

Die für den Herbst angekündigte allgemeine Handlungsempfehlung mit den „grundsätzlichen Hinweisen für den Einsatz von KI an Schulen“ aus dem Schulministerium ist zugegebenermaßen nicht die erste Informatione von dieser Stelle. Bereits Anfang 2022 sei ein „Handlungsleitfaden zum Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen“ herausgegeben worden. Ergänzt werde dieser von einem Online-Lernplattform für Lehrkräfte. Mit einer Million Euro starte das Land zudem ein Pilotprojekt zum Einsatz von KI im Unterricht, berichtet das Ministerium. Hier würden „25 Projektschulen in den kommenden drei Jahren konkrete Unterrichtseinheiten für die Fächer Deutsch und Mathematik entwickeln“.

Unterrichtsaufbau mit künstlicher Intelligenz?

Mathematiklehrer Sven Kuhlmann interessiert allerdings auch die Frage, was die künstliche Intelligenz nicht leisten kann: „Wo sind die Grenzen des Systems, wo ich selbst etwas erbringen kann?“ Die Grenzen erkennt er durchaus in seinem eigenen Matheunterricht. Eine KI könne beispielsweise keine ganze Unterrichtsstunde konzipieren oder eine neue Aufgabe entwickeln. Selbst als Grundlage für den Unterrichtsaufbau helfe sie kaum. Bei derartigen Aufgaben sei die Arbeit mit einer KI umständlich: „Da muss man viel korrigieren.“

An anderer Stelle sei der Einsatz dagegen hilfreich. Zum Beispiel, um in seinem Unterrichtsfach Mathematik ganz leicht einen neuen Kontext für eine Textaufgabe zu erstellen – bei den dazugehörigen Rechnungen dagegen könne sie nicht so viel beitragen. Die Anregungen zur Struktur des Unterrichts durch die Künstliche Intelligenz schätzt Kuhlmann ebenso: „Es ist immer eine gute Inspiration.“

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Experten des Fraunhofer-Instituts vor Ort

Max Landefeld und Simon Jurreit sind zwei Fachleute des Fraunhofer-Instituts. Um Lehrer Kuhlmann und seinen Schülern und Schülerinnen KI näherzubringen, sind sie aus Köln ins Sauerland gekommen. Rund ein Dutzend Interessierte haben sich zu ihrer Weiterbildung in Raum 18 des Gymnasiums in Halver eingefunden. Die Teilnahme ist freiwillig. „Man merkt, dass die alle Bock darauf haben“, freut sich Experte Max Landefeld.

Er ist nicht nur im Sauerland unterwegs: „Wir haben eine Weiterbildungskampagne zum Thema künstliche Intelligenz gestartet.“ Speziell will der Experte den Schülern und Schülerinnen die Grundlagen der generativen KI beibringen. Mithilfe von Modellen werden bei der generativen KI Daten wie Bilder oder Texte generiert. Ein prominentes Beispiel für die Texterstellung ist ChatGPT. „Uns geht es darum, einen Blick in die Blackbox zu werfen“, betont Max Landefeld. Besonders wichtig sei hier auch ein Grundverständnis beim Thema Datenschutz.

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Mathelehrer Sven Kuhlmann lernt zusammen mit seinen Schülern und Schülerinnen am Anne-Frank-Gymnasium in Halver die Grundlagen von KI in einem Workshop von Max Landefeld und Simon Jurreit (v. l. n. r.) vom Fraunhofer-Institut. © WP | Antonia Flieder

Im Workshop erklärt er aber nicht nur, wie ChatGPT angewendet wird. Stattdessen geht er weiter: Auch ein Grundverständnis der Funktionsweise und Übungen im Programmieren bringt Max Landefeld den Teilnehmern bei. „Wir finden, dass man verstehen muss, wie das eigentlich funktioniert“, sagt er.

„Für das Lehrpersonal ist das eine Herkulesaufgabe. Da muss sich Schule mit auseinandersetzen.“

Max Landefeld
Fraunhofer-Institut

Dafür wird in dem Workshop in Halver auf einem Einsteigerlevel programmiert. Zur Personenerkennung könne eine KI beispielsweise leicht angelernt werden. Dazu benötige diese je 100 Bilder von zwei unterschiedlichen Personen. Dann könne sie diese Personen bereits auf anderen Fotos eigenständig identifizieren. „Das geht auch schon in wenigen Minuten“, sagt Max Landefeld.

Schüler nutzen jetzt schon oft KI

Das Programmieren von KI mag für viele neu sein – die Anwendung von KI ist es allerdings für die wenigsten. Mathematiklehrer Kuhlmann berichtet, viele seiner Schüler und Schülerinnen würden KI auch für die Schule bereits in verschiedenen Bereichen nutzen: Beim Schreiben von Analysen, zur Beschaffung von Informationen, zum Übersetzen von Texten – und auch zum Lösen von Matheaufgaben. Kuhlmann muss dann erkennen, ob für die Lösung einer Aufgabe KI angewendet wurde.

Zu erkennen, was wirklich selbst von den Schülern und Schülerinnen verfasst worden ist, wird allerdings immer schwieriger. Experte Max Landefeld erklärt, von einer KI erstellte Texte könnten maschinell nicht zuverlässig von selbst geschriebenen auseinandergehalten werden. Lediglich anhand des Schreibstils oder anderer persönlicher Merkmale könnten die Texte zugeordnet werden. „Für das Lehrpersonal ist das eine Herkulesaufgabe. Da muss sich Schule mit auseinandersetzen.“

Hausaufgaben sind schwer auf KI-Einsatz zu kontrollieren

Große Probleme hatte Mathelehrer Sven Kuhlmann damit bisher noch nicht. Um zu erkennen, ob jemand KI eingesetzt habe, stelle er gezielte Nachfragen. „Bei einem Vortrag in Informatik habe ich nur eine Rückfrage gestellt, da war dann sofort klar, dass der Vortrag nicht selbst erstellt worden war“, erinnert er sich.

02.09.2024 Mathelehrer Sven Kuhlmann lernt zusammen mit seinen Schülern und Schülerinnen am Anne-Frank-Gymnasium in Halver die Grundlagen von KI in einem Workshop von Max Landefeld und Simon Jurreit (von links nach rechts) vom Fraunhofer-Institut. Künstliche Intelligenz Schule

„Wenn die Schüler einen Vortrag in KI erstellen und ich es nicht merke, dann ist es auch in Ordnung.“

Sven Kuhlmann
Mathematiklehrer

Und wenn die Rückfrage ohne Probleme beantwortet werden könne, sei die Anwendung von KI kein Problem. Es gehe vor allem darum, dass die Schüler die Aufgabe logisch verstehen würden. „Wenn die Schüler einen Vortrag in KI erstellen und ich es nicht merke, dann ist es auch in Ordnung“, erklärt Sven Kuhlmann.

Schwierigkeiten gebe es lediglich bei einfachen Hausaufgaben. „Wenn ich nur an den Schülern vorbeigehe, um ihre Arbeit zu überprüfen, dann kann ich nur schwierig sehen, ob eine Aufgabe selbst gelöst und verstanden worden ist“, muss der Lehrer zugeben. „Aufgabe der Schule ist es dann, zu sensibilisieren. Es geht nicht darum, die Aufgaben vorliegen zu haben, sondern darum, sie auch zu verstehen“, betont er.

Lehrer hinken bei KI oft hinterher

Der Kurs an diesen zwei Tagen ist dabei nur ein kleiner Teil des Weges der Schule in Halver zu mehr Bewusstsein beim Thema KI. Bereits im vergangenen Jahr konnten sich Lehrer und Schüler bei einer KI-Konferenz intensiv mit künstlichen Intelligenzen beschäftigen. Und auch Max Landefeld vom Fraunhofer-Institut ist bereits zum vierten Mal für einen Workshop hier. Nicht in allen Schulen, erklärt er, werde so viel Wert auf die Fortbildung im Bereich KI gelegt.

Weitere Themen aus der Region:

Neben den Präsenzworkshops vor Ort bringt er das Thema vor allem in Online-Workshops bundesweit in die Schulen. Besonders für Lehrer und Lehrerinnen biete sich diese Form der Fortbildung an. „Unter den Schülern und Schülerinnen ist KI in ganz Deutschland ähnlich weit verbreitet“, erklärt Max Landefeld. Größere Unterschiede gebe es bei den Lehrkräften: „Die bleiben meist hinter den Schülern zurück, was die Nutzung von KI angeht.“