Halver. Tausende Lehrer werden in ganz NRW gesucht. Der Beruf scheint bei vielen unbeliebt. Nicht bei Edmund Steinbeck: Das motiviert ihn.

Mit entschiedenen Schritten betritt Edmund Steinbeck den Raum in der ersten Etage des großen Schulgebäudes. Der Mathelehrer weiß noch nicht, was genau in den nächsten Wochen und Monaten auf ihn zukommen wird. Dennoch freut er sich auf das Ende der Sommerferien und den Schulstart am Mittwoch. Auf seinen ersten Tag in einem Beruf, den offenbar kaum einer mehr ausüben möchte.

Bis zur Vereidigung Anfang dieser Woche ist er einige Umwege gegangen. Aber gerade wegen diesen ist er davon überzeugt, genau richtig zu sein hier am Anne-Frank-Gymnasium in Halver. Es mangelt besonders in seinem Fach Mathematik überall an Lehrern. Bereits zum letzten Wintersemester waren nach Angaben des Statistischen Landesamtes deutlich weniger Studierende als im Vorjahr in NRW eingeschrieben.

Auch der Philologenverband in NRW sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Derzeit gebe es (Stand Juni 2024) 6000 unbesetzte Stellen im Bundesland. Was schreckt so viele ab, aber Edmund Steinbeck nicht?

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Herausforderungen im Beruf des Lehrers

„Ich möchte doch Leuten etwas beibringen“, sagt Steinbeck. Die Schule in Halver kennt er selbst noch nicht so gut, ist erst zum zweiten Mal hier. Wo was ist und wie die Schule organisiert ist, muss er alles noch lernen. Fast wie ein Erstklässler. Doch das Lehren kennt er bereits gut: Seit den Schulzeiten gibt er Freunden und Bekannten Nachhilfe.

Doch auch der geborene Kasache weiß um die Herausforderungen seines Berufs. Die emotionale Anstrengung, die sozialen Unterschiede gerade in Ballungszentren, die Gesundheit der Lehrer: „Ich kann mir vorstellen, dass viele wegen der Probleme mit dem Beruf hadern“, sagt er. Er selbst versuche sich unter anderem dadurch zu schützen, dass er Beruf und Privatleben strikt voneinander trenne. Zudem habe er bereits in der Ausbildung unterschiedliche Techniken zur Klassenführung kennengelernt – im Zweifel hole er einen Kollegen dazu. „Es ist nicht so einfach, alleine daranzugehen, wenn man Probleme mit einer Klasse hat“, erklärt er.

Als Autoritätsperson akzeptierten ihn die Schüler – er selbst habe daher von diesen keine Bedrohungen oder Beleidigungen erfahren. „Für mich ist es aber schlimmer, wenn die Schüler sich gegenseitig beleidigen“, bedauert er den fehlenden Respekt untereinander. Besonders schwierig sei es in Klassen mit pubertierenden Kindern. Darum sieht er es auch als seine Aufgabe an, die Schüler immer wieder zu sensibilisieren. „Pädagogik ist etwas, was ich gerne mache. Doch mein Fokus liegt mehr auf dem Fachwissen und der Didaktik“, erklärt er.

Halver - Mathematiklehrer Edmund Steinbeck
Besonders gerne beschäftigt sich Mathematiklehrer Edmund Steinbeck am Gymnasium in Halver mit Fach- und Didaktikwissen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Weg zum Lehramt im Sauerland

Sein Berufswunsch stand auch nicht von Anfang an fest – erst während des Studiums entschied er sich für die Laufbahn als Lehrer. Und auch danach wollte er sich nicht festlegen, sondern vieles ausprobieren. Er nahm eine Stelle an einer Dortmunder Gesamtschule an, absolvierte das Referendariat am Abendgymnasium in Hagen.

Darauf folgte eine Vertretung am Berufskolleg und eine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fernuni Hagen. Dort hätte dem 33-Jährigen wegen viel digitaler Kommunikation der zwischenmenschliche Kontakt gefehlt. „Deswegen habe ich mich dann noch für den Lehrberuf entschieden. Jetzt bin ich mir zu einhundert Prozent sicher, dass ich hier richtig bin.“

Mit Ehrgeiz aus dem Arbeitermilieu zum Studium

Viele Schwierigkeiten musste er bis zur Vereidigung bewältigen. Als Kind kam er nach der Grundschule zunächst auf die Realschule. Für den ehrgeizigen Edmund Steinbeck aber langfristig nicht ausreichend: Er wechselt zur Gesamtschule, um das Abitur absolvieren zu können.

„Mir war klar, dass ich studieren möchte. Einfach, weil ich aus einer Familie aus dem Arbeitermilieu kam.“ Weil seine Eltern keine Akademiker waren und zudem einer Zuwandererfamilie angehörten, war sein Ehrgeiz geweckt: „Ich wollte den höchstmöglichen Bildungsabschluss erreichen.“

Studium von Mathe und Geschichte

Warum gerade die Fächer Mathe und Geschichte? „Mathe kann ich, und Geschichte mag ich“, erinnert sich Edmund Steinbeck an seine ursprünglichen Gedanken. Doch der 33-Jährige war nicht immer von den Fächern begeistert: „Ich habe mit Philosophie und Geschichte angefangen, weil ich vor dem Mathematikstudium etwas Angst hatte.“

Aber auch hier kam sein Ehrgeiz ins Spiel und er entschied sich, es zu versuchen: „Im ersten Semester bin ich gnadenlos gescheitert.“ Doch er hat sich gefangen – und ist seitdem restlos begeistert: „Wenn man es einmal verstanden hat, ist es eigentlich das schönste Fach, das man studieren kann. Weil man sich theoretisch einfach hinsetzen und denken kann. Das ist unglaublich cool.“

Halver - Mathematiklehrer Edmund Steinbeck
Zum neuen Schuljahr ist Geschichts- und Mathematiklehrer Edmund Steinbeck am Anne-Frank-Gymnasium in Halver vereidigt worden. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Neue Stelle im Sauerland: Bedeutung des Lehrberufes

Diesen Bezug möchte er auch seinen Schülern und Schülerinnen ermöglichen und ihnen verdeutlichen, dass die Fächer für das Leben relevant seien. In Geschichte durch den Gegenwartsbezug und in Mathe durch den Wirklichkeitsbezug. „Ich versuche, ein Problem so aufzubauen, dass es als solches von den Schülern selbst festgestellt wird und sie nicht nur Formeln auswendig lernen“, erklärt er seine Unterrichtsmethoden.

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Wo genau er seine erste Stelle als Lehrer antreten sollte, war für den Dortmunder nicht von Anfang an klar. „Such mal irgendwas in der Nähe“, habe er sich zunächst gedacht. Vom Ruhrgebiet aus ein weites Feld. Seine Liebe zum Landleben habe ihn letztlich nach Halver geführt. „Das Sauerland ist ein guter Kompromiss von sozialem Kontakt und dem Landleben allgemein“, erklärt er.

In Berufskolleg und in der Gesamtschule wollte er nicht so gerne arbeiten, weil es dort seiner bisherigen Erfahrung nach mehr Probleme unter den Schülern gab: „Tatsächlich ist das einer der Gründe, warum ich lieber aufs Gymnasium gehe.“