Hagen. AfD-Politiker Andreas Geitz erklärt weiter, er habe nicht am Sturm auf den Reichstag teilgenommen. Jetzt hat er die Funke-Mediengruppe angezeigt.
Der 29. August 2020 war ein düsterer in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es war der Tag des sogenannten Sturms auf den Reichstag. Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Rechtsextreme - in etwa 400 Personen - hatten sich bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen auf der Treppe des Reichstags versammelt und zum Teil versucht, in das Gebäude einzudringen. Ein Unterfangen, das letztlich scheiterte. Innerhalb des sogenannten „befriedeten Bezirks“ eine Versammlung abzuhalten, ist verboten. Es sei denn, man meldet sie sieben Tage vorher an und sie wird genehmigt. Das war nicht der Fall.
Mittendrin am 29. August zeigt ein Foto Andreas Geitz, AfD-Politiker und Ratsherr aus Hagen. Er steht auf der Treppe des Reichstags. Geitz aber will mit dem Sturm und der Demonstration nichts zu tun haben und hat mehr als ein Jahr nach der ersten Berichterstattung über seine Teilnahme die Funke-Mediengruppe, zu der auch die Westfalenpost gehört, wegen Verleumdung angezeigt.
Ermittlungen führt der Staatsschutz
Weil Geitz Politiker ist, liegt der Fall nun beim Staatsschutz. Die Ermittlungen in dieser Sache sind - wie die Polizei auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt - gerade erst angelaufen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
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Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte zunächst unter der Überschrift „Warum haben Sie mitgemacht?“ einzelne Teilnehmer am Sturm auf den Reichstag befragt. Einer der Befragten: Andreas Geitz aus Hagen, Inhaber eines Fahrdienstes, der in Hagen unter anderem zahlreiche Schulkinder morgens und mittags durch die Stadt kutschiert.
Mit Vorwürfen konfrontiert
Auch die Stadtredaktion Hagen hatte das Thema aufgegriffen und Andreas Geitz vor über einem Jahr direkt mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er bei der versuchten Erstürmung mit dabei gewesen sei. Pikant: Geitz selbst war noch bei der Bundestagswahl 2021 mit dem Ziel angetreten, ein Bundestagsmandat für seine Partei zu erringen. Er scheiterte allerdings ebenso wie ein Jahr später bei der Landtagswahl.
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Gegenüber unserer Zeitung erklärte Geitz, ehemals Mitglied der SPD, damals zunächst: „Ich war 2020 in Berlin. Ich war auch in der Nähe. Aber dass Leute versucht haben, in den Reichstag einzudringen, davon habe ich erst im Nachhinein erfahren.“
Fotos liefern Beleg
Wenige Tage später aber tauchten Fotos auf, auf denen Geitz auf der Treppe vor dem Reichstag zu sehen war. Der Hagener AfD-Mann, dessen Kinder nach eigener Aussage eher zu den Grünen tendieren, trägt ein USA-T-Shirt. In der Hand hält er eine Deutschland- und eine USA-Fahne. Er reckt sein Smartphone hoch, trägt einen Kopfhörer. Ein Bild, das sich durchaus von der Aussage, er - Geitz - sei nur in der Nähe gewesen, unterscheidet.
Also hakte die WP-Stadtredaktion noch einmal nach. Und diesmal erklärte Geitz: „Ich bin gefragt worden, ob ich bei einem ,Sturm‘ auf den Reichstag dabei gewesen sei. Ich war dabei. Aber das war kein Sturm, das war ein Schlendern. Das war ja schon fast ein Happening. Ich war höchstens 30 Sekunden auf dieser Treppe inklusive hoch und runtergehen.“
Geitz erstattet Anzeige
Durch die Artikel sieht sich Geitz verleumdet und hat jetzt - über ein Jahr danach - Anzeige erstattet. Auch dazu hat ihn die Stadtredaktion nun befragt. Seine Aussage nun: „Ich habe nicht teilgenommen. Keine Staatsanwaltschaft hat mich je kontaktiert. Ich werde mir das nicht länger bieten lassen.“ Später hatte er noch angegeben, als Dokumentarfilmer vor Ort gewesen zu sein. Jetzt unterstrich er, dass dem Staatsschutz Videomaterial vorliege, das ihn entlaste.
Neben der Funke-Mediengruppe hat Geitz weitere Personen und Organisationen in diesem Zusammenhang angezeigt. Darunter ist der Hagener SPD-Ratsherr Werner König, der die Causa Geitz im Rat zum Thema gemacht hatte. „Mein Ziel war es mit einem Wortbeitrag im Rat deutlich zu machen, dass die AfD den Biedermeier gibt“, so König. „Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, diese Partei und ihre Vertreter zu demaskieren.“
Fraktionen fordern Rücktritt
In einer Resolution, die alle Fraktionen und Gruppen (bis auf die AfD) mittrugen, war der Rücktritt des AfD-Ratsherrn gefordert worden. Nachgekommen ist der AfD-Mann dieser Aufforderung aber nicht. Zurückgetreten war Geitz kurze Zeit später aus dem Städtepartnerschaftsverein „Holibru“, um - wie er es formulierte - Schaden von dem Verein abzuwenden.
Geitz bestätigte gegenüber unserer Zeitung, weitere Anzeigen erstattet zu haben. Gegen wen - das wollte er nicht verraten.