Hagen. Der frühere TV-Koch Stefan Marquard lobt das Küchenteam der Hagener Waldorfschule - und erklärt, wie man Gemüse nicht mehr zubereiten sollte

Der bekannte TV-Koch Stefan Marquard will Schulessen besser machen. Mit seinem Team besuchte er deshalb die Waldorfschule in Hagen für ein Coaching der besonderen Art. Dabei erklärt „Team Marquard“ auch, wie Gemüse heute nicht mehr zubereitet werden sollte.

Essen in Schulküchen verbessern

Längst ist Sternekoch Stefan Marquard nicht mehr in Shows wie „Die Kochprofis (RTL 2), „Grill den Henssler (VOX) oder dem ZDF-Fernsehgarten zu sehen ist, sondern tourt bundesweit als Botschafter durch die Schulen. Als Botschafter für effizientes, nachhaltiges und gesundes Kochen. Projektname: „Sterneküche macht Schule.“ Rund 200 Schulküchen zwischen Nordseeküste und Bodensee hat „Team Marquard“ dafür in den vergangenen acht Jahren besucht, um dort Küchenteams zu trainieren. Die Waldorfschule in Haspe sei eine der wenigen dieser Schulen, wo mit frischem Gemüse gekocht wird, lobte Marquard bei seinem Besuch.

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„Ich möchte neue Impulse geben“, sagt der gelernte Koch und Metzger mit markant-fränkischem Dialekt. Das Projekt „Sterneküche macht Schule“ richtet sich an Schulen bundesweit und ist kostenlos. Finanziert wird es als Präventionsprojekt von der „Knappschaft“, einer der größten Krankenkassen Deutschlands.

Offen für Tipps und Tricks

In die Schulcafeteria der Waldorfschule in Haspe kam er mit seinem vierköpfigen Team nicht als Missionar mit dem Holzhammer, sondern als Berater und Motivator. „Ich habe hier selbst von dem Küchenteam neue Impulse bekommen, über die ich vorher nicht nachgedacht hatte“, profitieren für Profikoch Stefan Marquard beide Seiten von diesem Projekt. Seine offene Art kam an und stieß auf neugieriges Interesse.

„Wann hat man schonmal diese Möglichkeit?“, fragt Cafeteria-Betreiber Dirk Wunderlich, dessen Betrieb nicht nur täglich bis zu 180 Waldorfschüler bekocht, sondern auch Catering und Partyservice für bis zu 400 Personen anbietet. „Man sollte immer offen für Neues sein.“

M. Kleinrensing WP Hagen Schulessen
Selbstgemachten süßen Dattel-Aufstrich servierten die Waldorfschülerinnen Joana, Jule, Jolina und Amelie zum Frühstück in der Schulcafeteria. © WP | Michael Kleinrensing

Coaching an zwei Tagen

Zwei Tage war „Team Marquard“ an der Hagener Waldorfschule und nahm sich Zeit für das Training. Am ersten Tag wurde das Kochteam um Dirk Wunderlich gecoacht, am zweiten Tag gemeinsam das Schulessen zubereitet, unterstützt von neun Schülern. Zum Frühstück standen Brotaufstriche mit brauner Dattel-Creme und Tomate-Mozzarella auf dem Plan, für das Mittagessen blubberte Bolognese in den Töpfen.

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Die Schülerinnen Jolina, Ida und Amelie haben sichtlich Spaß an der ungewöhnlichen Unterrichtsstunde in der Waldorfschule Haspe. © WP | Michael Kleinrensing

Doch um ungesunde Snacks und süße Nuss-Nougat-Creme aus den Köpfen von Jugendlichen zu verdrängen, braucht es viel Einsatz. „Probiert doch mal“, sagt der erfahrene Koch und Caterer Dirk Wunderlich und hält sein Tablett einer Gruppe von Oberstufenschülern unter die Nase. Auf dem Tablett liegen kleine Toast-Häppchen, bestrichen mit einer braunen Creme aus Nüssen und natürlich-süßen Datteln, garniert mit weißen Streuseln aus Amaranth-Körnern, die gesundes Eiweiß enthalten. Er erntet manch skeptischen Blick.

„Wir machen das gesund, was Kinder sowieso geil finden. Es geht um gesundes ‚Eigen-Convenience‘.“

Stefan Lembert, Organisator vom „Team Marquard“

Stefan Lembert aus dem „Team Marquard“ beugt sich über den Topf Bolognese, der nicht Hackfleisch, sondern Karotten, Sellerie, Blumenkohl und Kohlrabi enthält. „Wir machen das gesund, was Kinder sowieso geil finden“, sagt er. „Es geht um gesundes Eigen-Convenience“.

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Nachhaltige Erfolge

Die Universität Flensburg hat das Projekt „Sterneküche macht Schule“ von 2019 bis 2022 erforscht. Küchen- und Lehrkräfte wurden zu ihren Erfahrungen am Aktionstag sowie zu Veränderungen in der Schulküche befragt.

„Rund 90 Prozent der befragten Küchenleitungen gaben an, nach der Teilnahme an „Sterneküche macht Schule“ die Gar- und Zubereitungsverfahren verändert zu haben“, so Stefanie Ortmann, Uni Flensburg, auf Anfrage. An rund 80 Prozent der Schulen werde die Methode des „Aktivierens von Lebensmitteln“ im Kochprozess mit einbezogen. 83 Prozent der befragten Küchenleitungen hätten zudem von Veränderungen in der Lebensmittelauswahl berichtet.

„Der Gemüseanteil stieg laut Aussage der Interviewpartner und es wurden weniger Convenience-Produkte eingesetzt.“ Sowohl die befragten Lehrkräfte als auch die Küchenkräfte hätten Verbesserungen bei Geschmack und Abwechslung der Gerichte seit der Projektteilnahme wahrgenommen, so Ortmann weiter.

Lembert zeigt auf einen anderen Topf, gefüllt mit selbstgemachter Hafermilch, die optisch wie geschmacklich eine Sahnesoße ersetzen könnte. Zutaten: Haferflocken, Wasser, Blumenkohl, Kohlrabi und weiße Zwiebeln. „Wir haben hier eine Sahnesoße ohne Sahne, damit gibt es auch keine Probleme wegen Lactose.“

„Blanchieren“ nicht effizient

Dazu gibt es Tipps, um Kochmethoden energiesparender und wirtschaftlicher zu machen. „Warum muss man Gemüse blanchieren?“, hält Lembert das Kochen und anschließende Abschrecken in Eiswasser für ineffizient. „Das ist ein irrer Aufwand und dauert viel zu lange.“ Stattdessen wirbt „Team Marquard“ dafür, Lebensmittel zu „aktivieren“, bevor sie gegart werden. Heißt: Vor der eigentlichen Zubereitung werden Gemüse, Fisch und Fleisch mit einer Salz-Zucker-Mischung gewürzt. „Damit kann die Garzeit um bis zu 75 Prozent reduziert werden“, sagt Stefan Marquard.

„Man kann nicht alles Eins-zu-Eins umsetzen, aber ‚das Aktivieren‘ der Lebensmittel und die neuen Garverfahren, das werden wir sicher nutzen.“

Dirk Wunderlich, Betreiber der Küche in der Waldorfschule
über die neuen Impulse

Dirk Wunderlich und sein Team wollen solche Impulse für ihre Arbeit mitnehmen. „Man kann nicht alles Eins-zu-Eins umsetzen“, sagt er, „aber ‚das Aktivieren‘ der Lebensmittel und die neuen Garverfahren, das werden wir sicher nutzen.“

M. Kleinrensing WP Hagen Schulessen
Zeit für Autogramme: Der frühere TV-Koch Stefan Marquard war zwei Tage an der Waldorfschule in Hagen. Für „Sterneküche macht Schule“ besucht er Schulküchen bundesweit. © WP | Michael Kleinrensing

Rund 200 Rezepte bekommt das Küchenteam der Hagener Waldorfschule zusätzlich an die Hand, dazu eine digitale Sammlung der Kochmethoden und Tipps.