Hagen. Der Tierschutzverein Hagen will neue Taubenhäuser aufstellen und ist bereit, die auch zu bezahlen. Trotzdem wird daraus noch nichts.

Es gibt ein marodes Haus in der Nähe des Bahnhofs in Hagen, in dem das ganze Desaster vor drei Monaten sichtbar geworden war. „Als wir das Gebäude zum ersten Mal betreten haben - das war ganz fürchterlich“, sagt Birgit Ganskow, Vorsitzende des Tierschutzvereins: „Dreck, tote Tiere, junge Tauben zwischen irgendwelchen alten Kartons. Überall Tauben, die in ihren eigenen Hinterlassenschaften brüten mussten - all das hat mit Tierschutz rein gar nichts zu tun. Erbärmliche Zustände, die auch gezeigt haben, dass der Versuch von Stadt und Bahn, die Population mit der Taubenpille in den Griff zu bekommen, gescheitert ist.“

„Im Grunde sind wir uns doch mit jenen einig, die immer von einer Taubenplage sprechen und geradezu einen Hass auf diese Tiere entwickelt haben: Der Bestand in der Hagener Innenstadt ist viel zu groß.“

Birgit Ganskow
Vorsitzende des Tierschutzvereins

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Das aber ist nur einer der Anlässe für Ganskow und ihre Mitstreiter, das Thema Stadttauben jetzt noch einmal in den Fokus zu rücken. „Wir reden jetzt seit zwölf Jahren um den heißen Brei herum, und nichts hat sich getan“, sagt Ganskow. „Und ehrlich gesagt: Ich bin die Ausreden leid. Erst war es die Flüchtlingswelle, dann die Jahrhundertflut und zuletzt Corona, die die Verwaltung so sehr gefordert haben.“

Bestand ist zu groß

Birgit Ganskow und Andrea Glade blicken durch die Brille von Tierschützern auf die Stadttauben. Aber sie sagen auch: „Im Grunde sind wir uns doch mit jenen einig, die immer von einer Taubenplage sprechen und geradezu einen Hass auf diese Tiere entwickelt haben: Der Bestand in der Hagener Innenstadt ist viel zu groß.“

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Am Graf-von-Galen-Ring in Hagen gibt es ein Taubenhaus. Es bietet aber nur 30 Brutplätze.
Am Graf-von-Galen-Ring in Hagen gibt es ein Taubenhaus. Es bietet aber nur 30 Brutplätze. © WP | Michael Kleinrensing

„Was wir in Hagen brauchen, ist ein kleiner, stabiler Bestand.“

Birgit Ganskow
Vorsitzende des Tierschutzvereins

Dabei ließe sich aus Sicht der Tierschützer das Problem ganz einfach lösen: „Wir brauchen in der Hagener Innenstadt drei Taubenhäuser an den Stellen, an denen sich die Tiere auch tatsächlich aufhalten“, sagt Ganskow, „dort könnte man die Eier austauschen und so die Bestände auf eine art- und tierschutzgerechte Weise endlich in den Griff bekommen.“ Denn: „Momentan“, so ergänzt Andrea Glade, „erreichen wir die Tiere nicht. Sie nisten auf alten Dachböden, in Brach-Immobilien und in Nischen von Gebäuden, die kaum erreichbar sind.“

Eiertausch funktioniert bereits

Wie gut das Prinzip, die gelegten gegen Gipseier zu tauschen, funktioniere, erlebe man gerade in dem maroden Haus in Bahnhofsnähe, das Ehrenamtliche des Tierschutzvereins gereinigt haben. „Wir haben dort in Ikea-Regalen Brutstätten eingerichtet, die die Tiere auch nutzen“, sagt Andrea Glade, die dort selbst regelmäßig aktiv ist. „Wir haben vor drei Monaten begonnen und mittlerweile 130 Eier getauscht.“

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Hagen
Wie hier am Rathaus in Hagen sorgt Taubenkot für Ärger. © WP | Yvonne Hinz

Das bedeutet eben auch 130 Tiere weniger, die auf dem Bahnhofsvorplatz und in der Umgebung für Ärger sorgen. „Tauben brüten sechs- bis achtmal pro Jahr“, erklärt Birgit Ganskow, die den genauen Bestand in der Innenstadt nicht beziffern kann, ihn aber auf 3000 bis 5000 Tiere schätzt, „wenn man das einfach geschehen lässt, vermehrt sich die Population exorbitant. Was wir in Hagen brauchen, ist ein kleiner, stabiler Bestand.“

Tauben in Bäckereien

Ärger kommt immer wieder vor. Zum Beispiel, wenn Tauben in Bäckereien fliegen. „Da habe ich schon intensive Diskussionen mit Betreibern führen müssen“, sagt Birgit Ganskow. „Aber man muss wissen, dass Tauben Haustiere sind. Wenn sie auf diese Art nach Futter suchen, dann ist es die reine Not, die sie antreibt. Dann stehen sie vor dem Verhungern.“ Gleiches gelte auch für Tiere, die Unrat essen würden. Dieser Hunger sei es schließlich, der auf eine eigene Art die Ausbreitung der Tiere fördere. „Hungrige Tiere brüten häufiger. Es ist ein Arterhaltungstrieb, der das befördert.“

M. Kleinrensing WP Hagen Tauben
Die Tauben in Hagen bräuchten, so die Tierschützer, ein positives Image: Deshalb sind die Mitglieder des Tierschutzvereins mit Stofftauben in Schulen unterwegs. © WP | Michael Kleinrensing

Hinzu kommt für die Tierschützer: In Taubenhäusern oder Taubencontainern (Kosten rund 25.000 Euro), deren Anschaffung der Tierschutzverein übrigens finanzieren würde, könnten die Tiere artgerecht versorgt werden. „Wenn sie ausreichend zu essen haben, bleiben die Tiere 80 Prozent der Zeit in ihrem Verschlag. Sie verbringen viel Zeit gemeinsam mit ihrem Partner, dem sie ein Leben lang treu sind.“

Tierschützer sprechen mit Politik

All diese Argumente hat der Tierschutzverein auch noch einmal an die Fraktionen im Rat der Stadt herangetragen. „Die Rückmeldungen sind positiv“, sagt Birgit Ganskow, „das macht uns Hoffnung. Viele reden immer von Plage oder von den ,Ratten der Lüfte‘. Aber diese Tiere können nichts für die Situation in Hagen. Sie haben ein positives Image verdient.“

Auch in der Bahnhofshalle in Hagen fliegen Tauben umher.
Auch in der Bahnhofshalle in Hagen fliegen Tauben umher. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Die Stadtredaktion hat zum Thema Tauben auch eine Anfrage an die Umweltverwaltung der Stadt gestellt. Bis Dienstagabend lagen die Antworten noch nicht vor. Bereits vor eineinhalb Jahren hatte die Stadt berichtet, dass man mit dem Tierschutzverein zusammenarbeiten und ein Taubenkonzept aufstellen wolle.