Mülheim. Verkaufsoffene Sonntage im Mülheimer Einzelhandel sind eine Rarität geworden. Warum sich das Angebot auch nach den Corona-Wirren nicht erholt.
Verkaufsoffene Sonntage haben in der Vergangenheit viel Trubel an Mülheims Einzelhandelsstandorte gebracht. Die Zeiten sind vorbei. Auch für dieses Jahr liegt dem Ordnungsamt lediglich ein Antrag für einen verkaufsoffenen Sonntag vor. Die Hintergründe für die Zurückhaltung des örtlichen Einzelhandels sind vielfältig.
Die Nachbarstadt Duisburg hat für dieses Jahr 14 Anträge zu verkaufsoffenen Sonntagen positiv beschieden, Oberhausen sechs, Essen gar weitere 14 – allein für das erste Halbjahr. Vier verkaufsoffene Sonntage bietet Duisburgs Innenstadt, einen Oberhausens City, drei Mal wird das Centro sonntags die Geschäfte offen halten. Essens Einzelhandel punktet in der Zeit zwischen Januar und Mitte Juni unter anderem mit je zwei verkaufsoffenen Sonntagen in der Innenstadt, in Rüttenscheid, Werden und Kettwig.
Der einzige verkaufsoffene Sonntag in Mülheim ist für Saarn geplant
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Flaute herrscht derweil in Mülheim. Lediglich ein Antrag für eine Ladenöffnung am Sonntag liegt dem Ordnungsamt vor. Der Stadtrat muss jenen verkaufsoffenen Sonntag am 27. August im Dorf Saarn (Anlass ist der dortige Oldtimer-Cup) nun noch genehmigen, wovon – wie in der Vergangenheit – trotz Kritik der Gewerkschaft Verdi allerdings auszugehen ist.
Erneut keine verkaufsoffenen Sonntage wird es in der Innenstadt geben. Die letzten Veranstaltungen datieren in der Zeit vor Ausbruch der Corona-Pandemie, 2019 öffneten die Einzelhändler im Forum und rund um die Schloßstraße im Rahmen des Stadtfestes „Mülheim mittendrin“ am Muttertag und zur Stadtweihnacht am ersten Advent.
Mülheims Forum-Manager: „Für uns macht es keinen Sinn“
„Mülheim mittendrin“ wird es am 13. Mai erneut geben, mit einem Blaulicht-Tag und Live-Musik, aber nicht mehr mit Sonntagsöffnung, sondern an einem Samstag. „Das Forum ist gerade mit seiner Baustelle im Wandel, für uns macht es keinen Sinn“, sagt etwa der Centermanager des Einkaufszentrums in der Innenstadt, Felix Veltel, das wohl erst Ende 2024 als „Forum Medikum“ neu aufgestellt sein wird. Er weist zudem darauf hin, dass eine Sonntagsöffnung in der City nur erfolgreich sein könne, wenn die gesamte Händlerschaft mit von der Partie sei. Doch auch Frank Prümer von der Werbegemeinschaft Innenstadt (WGI) bestätigt, dass „die Mehrheit der Händler aktuell nicht interessiert“ sei.
„Einfach sonntags zu öffnen, zieht nicht mehr“, hält Centermanager Veltel zwar offen, sich mit seinem Haus in Zukunft wieder an verkaufsoffenen Sonntagen zu beteiligen, doch er mahnt auch: „Es muss dann alles passen: Es braucht eine vernünftige Veranstaltung, die auch Leute aus dem ganzen Ruhrgebiet nach Mülheim zieht.“
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2018 klagte Verdi erfolgreich gegen Sonntagsöffnung in Mülheims Rhein-Ruhr-Zentrum
Ohne Beteiligung des Forums mache es für die restlichen Innenstadt-Händler keinen Sinn, sonntags zu öffnen, so WGI-Vorstand Prümer. Es sei wirtschaftlich schwierig, der Handel kämpfe mit Fachkräftemangel, der hier und dort schon zu eingeschränkten Öffnungszeiten führe. Hinzu komme die rechtliche Unsicherheit, dass die Gewerkschaft Verdi dem Einzelhandel kurzfristig mit einer Klage einen Strich durch die Rechnung mache. Schließlich ist seit Jahren nachzuweisen, dass nicht die Sonntagsöffnung, sondern eine Parallelveranstaltung an einem solchen Tag unangefochten der Publikumsmagnet ist. Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber den Feiertags- und Sonntagsschutz für Beschäftigte stärken.
Die Gewerkschaft Verdi hat in der jüngeren Vergangenheit in Mülheim bereits ihre Muskeln spielen lassen. 2018 klagte sie gegen die Stadt als Ordnungsbehörde, die zwei verkaufsoffene Sonntage im Rhein-Ruhr-Zentrum (in Kombination mit dem Möbelhaus Bernskötter) genehmigt hatte. Das Verwaltungsgericht wertete die Antragsbegründung der Einzelhändler als zu pauschal. Diese hatte im Kern darauf abgezielt, dass eine Sonntagsöffnung allein deshalb von öffentlichem Interesse sei, weil die Konkurrenz durch Online-Handel sowie Mitbewerber in Nachbarstädten groß sei, steigender Leerstand den Erhalt des stationären Einzelhandels gefährde.
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Mülheims Rhein-Ruhr-Zentrum sieht auch für die Zukunft hohe rechtliche Hürden
Seitdem haben das Rhein-Ruhr-Zentrum (RRZ) und Möbel Bernskötter keinen neuen Anlauf gestartet. Ein Center-Mieter erinnert sich, dass damals schon ein fünfstelliger Betrag in die Bewerbung des Tages gesteckt worden sei, bevor das Gericht ihn als unzulässig erklärte. Nochmals in ein solches finanzielles Risiko zu gehen, scheut das Centermanagement offenbar. Centermanager Frederik Schmälter verweist auf die schwierige Rechtslage für ein Center wie seines, das quasi auf der grünen Wiese liegt und sich, anders als ein Innenstadt-Handel, nicht mal eben an eine enorm publikumsträchtige Veranstaltung ranhängen könne.
Eine solche Veranstaltung womöglich selbst auf die Beine zu stellen, wie es etwa dem Centro in Oberhausen oder aber zumindest für einen Tag in diesem Jahr dem ebenso in Stadtrandlage befindlichen Ruhrpark in Bochum gelungen ist, kommt für das RRZ-Management offenbar nicht in Betracht. Schmälter selbst mag sich dazu öffentlich nicht äußern. Aber es könnte am damit verknüpften finanziellen Aufwand hängen, den ein Centro sicher besser stemmen kann. Oder auch an Platznöten am RRZ-Standort. Sind verkaufsoffene Sonntage im RRZ also auch für die Zukunft ein schwieriges Thema? „Ja“, sagt Schmälter knapp.
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Werbegemeinschaft der Mülheimer Innenstadt: „Es geht für viele massiv ums Überleben“
„Die rechtliche Hürden sind natürlich sehr hoch“, stellt Sylvia Bargatzky vom Mülheimer Ordnungsamt fest, dass bei Anträgen zu Sonntagsöffnungen „Flaute herrscht“, „im Moment kein Interesse besteht“. Marc Heistermann, Geschäftsführer beim Handelsverband NRW Ruhr, hat einerseits Verständnis für die Zurückhaltung der Mülheimer Händler, da „viele momentan mit sich selbst beschäftigt sind“. Die Kaufzurückhaltung der Verbraucher sei ein großes Thema, die Situation schwierig, bei zahlreichen Händlern gehe es um Kostenersparnis. Standorte aber, die sich „richtig pushen wollen, streben auch einen verkaufsoffenen Sonntag an“.
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Mülheims Center im oder vor einem Umbau, die Zeiten des stationären Handels sind noch mal schwieriger durch Inflation, Online-Trend und Co.: WGI-Vorstand Prümer möchte die Welt aber nicht nur düster malen, auch wenn es erneut keine Sonntagsöffnung in Mülheims City gibt und es im stationären Handel für viele „in diesem Jahr massiv ums Überleben geht“ wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, etwa durch die Abrechnung der Corona-Hilfen und Rückzahlungsverpflichtungen.
Hoffnungsschimmer blieben, so Prümer. Etwa durch die Entwicklung im Wallstraßen-Viertel und die Veranstaltungsreihe „Schön hier“, die im Mai in ihr zweites belebendes Jahr startet. Prümer spricht von Studien, die aufgezeigt hätten, dass verkaufsoffene Sonntage dem Handel vor Ort in der Gesamtbilanz ohnehin kein Umsatz-Plus brächten.
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