Mülheim. Das Finanzamt schickt die Grundsteuer-Bescheide raus, Hausbesitzer fragen sich, ob sie mehr zahlen müssen. Was Hausbesitzer jetzt wissen müssen.

Viele Mülheimer Hausbesitzerinnen und -besitzer sorgen sich angesichts der Post, die ihnen dieser Tage mit Absender Finanzamt zugestellt wird: Die Bescheide zur neuen Grundsteuer ab 2025 gehen aktuell raus. Wird es deutlich teurer für mich? Nicht nur das fragen sich die Eigentümer – auch, ob ein Einspruch Sinn macht.

Auf Anfrage gab die Oberfinanzdirektion NRW jetzt Auskunft zum aktuellen Stand in Mülheim. Im hiesigen Finanzamt Mülheim seien bisher rund 44.700 Grundsteuererklärungen eingegangen. Rund 19 Prozent der Erklärungen sind weiterhin nicht abgegeben, obwohl die Frist dafür Ende Januar abgelaufen war. Gut zwei Drittel der eingegangenen Steuererklärungen aus Mülheim seien bereits bearbeitet, heißt es.

Aktuelle Grundsteuer-Bescheide sagen noch nichts über die künftige Belastung aus

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Dementsprechend viele Bescheide sind schon rausgegangen. In ihnen ablesbar sind der neue Grundsteuerwert und -messbetrag für Grundstücke und Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die nach den Bewertungskriterien der Grundsteuerreform ab 2025 Grundlage sein werden für die Berechnung der tatsächlich abzuführenden Steuer. Der Grundsteuermessbetrag ist am Ende maßgeblich: In Multiplikation mit dem gemeindlich individuell festzusetzenden Hebesatz ergibt sich die Steuer, die zu entrichten ist.

Grundsteuerwert und -messbetrag, wie jetzt vom Finanzamt an Eigentümer mitgeteilt, sagen aber noch gar nichts aus. Entsprechend groß sind aktuell die Sorgenfalten bei denen, deren Messbetrag deutlich höher liegt als bisher. Das bestätigt Christian Reiff, Geschäftsführer von Haus & Grund in Mülheim. „Der Beratungsaufwand steigt stetig. Er ist noch mal höher, seitdem nun die Bescheide eintrudeln.“ Am Ende entscheide nun mal Mülheims Hebesatz, der noch in der Zukunft festzusetzen wäre. „Eigentümer wissen gar nicht, was am Ende dabei rauskommt“, so Reiff.

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Stadtkämmerer Frank Mendack erläutert die Unsicherheit so: „Wenn der neue Messbetrag gesunken ist, aber weniger als im städtischen Durchschnitt, dann steigt die Grundsteuer trotzdem. Das Ganze geht auch umgekehrt: Der Messbetrag steigt, aber weniger als im städtischen Durchschnitt, dann sinkt die Grundsteuer.“ Nur kennt niemand aktuell jene Mülheimer Durchschnittswerte. Generell prognostiziert Mendack, dass Eigentümer von Neubauten weniger negative Auswirkungen zu befürchten haben als jene von Altbauten. „Dies relativiert sich aber gegebenenfalls durch die unterschiedliche Entwicklung der weiteren Parameter, zum Beispiel der Bodenrichtwerte in den Stadtteilen oder der fiktiven Nettokaltmieten“, so Mendack.

Haus & Grund hält Musterschreiben für Einspruch vor

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Es herrsche „viel Verunsicherung“ bei den Immobilienbesitzern, sagt Haus-&-Grund-Geschäftsführer Reiff. Insbesondere mit Blick darauf, dass die Widerspruchsfrist zu den Bescheiden nach nur einem Monat abläuft. Auf jeden Fall, so rät er, sollten Eigentümer sich noch einmal alle Kennziffern im Bescheid anschauen und prüfen, ob sie korrekt übertragen sind. Wenn nicht, sei ein Einspruch auf jeden Fall angezeigt. Ein Musterschreiben für den Einspruch bietet „Haus & Grund Rheinland-Westfalen“ unter www.hausundgrund-verband.de.

Viele Eigentümer treibe zusätzlich die Frage um, ob ein Einspruch auch grundsätzlich sinnvoll ist, um die eigene Rechtsposition abzusichern. Erste Klagen sind an Finanzgerichten anderer Bundesländer anhängig, so in Berlin und Brandenburg. Haus & Grund geht aktuell zwar davon aus, dass Einsprüche, die zur Begründung allein die Untauglichkeit des gesetzlich festgelegten Bewertungsverfahrens und nicht die konkrete Grundstückssituation heranziehen, „aller Wahrscheinlichkeit nach“ abgelehnt werden. Der Eigentümerverband und auch der Bund der Steuerzahler planen allerdings Musterklagen.

„Nicht wenige sind entsetzt über stark gestiegene Werte ihrer Immobilien“

Im Kern hält der Landesverband von Haus & Grund fest, dass „nicht wenige Eigentümer entsetzt sind über stark gestiegene Werte ihrer Immobilien, die teils auf stark gewachsene Bodenrichtwerte zurückgehen, teils auf angenommene fiktive Mieten, die weit über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen“. Haus-&-Grund-Geschäftsführer Reiff bestätigt dies aus den Beratungen in Mülheim.

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Grundstückswerte seien aktuell deutlich höher bewertet worden, etwa auch deshalb, weil für nicht bebaubare Grundstücksflächen etwa in Landschaftsschutzgebieten trotzdem die hohen Bodenrichtwerte in die Bewertung eingeflossen seien. Beispiel Nettokaltmiete: Auch hier werde die reale Situation Mülheims nicht berücksichtigt, wenn überall in der Stadt vom gleichen Mietniveau ausgegangen werde, statt etwa den stadtteilscharfen Mietspiegel zu berücksichtigen. Die angesetzten fiktiven Mieten seien in einigen Ortsteilen und Lagen (etwa an einer Hauptverkehrsstraße) gar nicht zu erzielen, rät Reiff dazu, Einspruch einzulegen oder zumindest den Antrag zu stellen, das Verfahren aufgrund anhängiger Klageverfahren ruhend zu stellen; allein zur Wahrung der eigenen Rechtsposition.

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Oberfinanzdirektion: Zahl der Einsprüche ist „überschaubar“

Bis zum 31. Januar seien landesweit gegen lediglich 4,6 Prozent der Grundsteuer-Bescheide Einsprüche bei den nordrhein-westfälischen Finanzämtern eingelegt worden, hat die Oberfinanzdirektion allerdings keine aktuelleren Daten zu bieten. Eine Sprecherin sprach aktuell aber davon, dass „wir aus den Finanzämtern die Rückmeldung bekommen, dass das Thema Einsprüche überschaubar ist“.

Viele Blicke richten sich nun auf Stadtkämmerer Mendack und die Kommunalpolitik, die den Grundsteuer-Hebesatz festzusetzen hat. Er liegt aktuell auf einem landesweit kaum übertroffenen Spitzenwert von 890. Mendack hatte in der Vergangenheit versprochen, für 2025 einen Hebesatz für Mülheim ansetzen zu wollen, der aufkommensneutral ist, der Stadt also nicht weniger, aber auch nicht mehr Steuereinnahmen beschert (im Vorjahr waren es knapp 60 Millionen Euro). Zu diesem Versprechen stehe er weiterhin, betont der Kämmerer.

Mülheims Politik wird den Grundsteuer-Hebesatz erst im Herbst 2024 festsetzen

Aber wann werden Mülheimer Eigentümer wissen, mit welchem Hebesatz sie zu rechnen haben? Politisch beschlossen wird er erst im Herbst 2024 mit der Haushaltssatzung. Mendack hofft aber, zumindest schon im Sommer 2024, vielleicht auch früher vom Land ermittelt zu haben, welcher Hebesatz in Mülheim anzusetzen wäre, um aufkommensneutral aus der Grundsteuerreform herauszugehen. Diesen Wert wolle man dann „umgehend veröffentlichen, damit jeder seine individuelle Grundsteuer schon deutlich früher direkt daraus ableiten kann“.

Informationen dazu, wie das Grundsteuer-Verfahren weitergeht, finden Bürgerinnen und Bürger unter www.grundsteuer.nrw.de. Dort gibt es etwa den Artikel „Was passiert nach der Abgabe der Grundsteuererklärung?“ samt Musterbescheiden und Erläuterungen. Die Grundsteuer-Hotline des Finanzamts Mülheim ist unter 0208 3001-1959 zu erreichen (Mo-Fr 9-18 Uhr).