Mülheim. Baukosten sind immens gestiegen, die Zinsen für eine Immobilienfinanzierung auch. Auf die Preise für Eigentum könnte sich das positiv auswirken.
Die Niedrigzinsphase bei der Baufinanzierung ist vorerst Geschichte, die Kosten, um einen Immobilienkredit zu finanzieren, sind teils um das Vierfache gestiegen. Zudem sind die Preise fürs Bauen – für Material und für Handwerker – in die Höhe geschossen. Viele derjenigen, die mit der Anschaffung von Wohneigentum geliebäugelt haben, überdenken angesichts dessen ihre Planung, spiegeln Mülheimer Experten.
Sparkasse Mülheim: Kunden fragen, ob sie sich ein Darlehen fürs Wohnen leisten können
Auswirkungen davon bekommt auch die Sparkasse Mülheim zu spüren. Die Zahl der Baufinanzierungen habe abgenommen, einen langfristigen Trend will man daraus aber noch nicht ableiten. „Unsere Kunden sind zurückhaltender geworden. Viele Kunden fragen sich selbst aktuell: Können wir uns eine Immobilie überhaupt leisten“, schildert Pressesprecher Frank Hötzel. Aktuell verzeichnet die Sparkasse sogar eher mehr Beratungsgespräche zu Baufinanzierungen.
Doch, räumt der Pressesprecher ein: „Der Anteil an Gesprächen, wo sowohl der Kunde als auch wir nach der Beratung der Ansicht sind, dass eine Immobilienfinanzierung eher nicht in Frage kommt, ist gestiegen. Insgesamt sind die Kunden aber selbst gut informiert und meist realistisch.“ Auch während der Niedrigzinsphase habe die Sparkasse nicht jede Finanzierung bewilligt. Frank Hötzel erklärt: „Die sind bei anderen Kreditinstituten vielleicht bedient worden, aber es zeigt sich jetzt, dass es langfristig gesehen die richtige Entscheidung war.“
Mülheimer Sparkasse und Bank spüren Zurückhaltung der Kunden bei Baufinanzierung
Angesichts der gestiegenen Zinsen fallen nach Aussage des Sparkassen-Sprechers auch die Kreditsummen, die Verbraucher durchschnittlich finanzieren können, geringer aus. Zudem dauere es inzwischen länger, bis Immobilien, die über die Sparkasse verkauft werden, den Besitzer wechseln. „Während Entscheidungen in der Niedrigzinsphase ein bis maximal zwei Monate gedauert haben, ist jetzt ein halbes Jahr nicht ungewöhnlich“, schildert Sparkassensprecher Hötzel und ordnet ein: „Dies ist sicherlich als Trend auszumachen.“
Auch bei der Volksbank Rhein-Ruhr vergehe seit den Zinssteigerungen deutlich mehr Zeit, bis Immobilien verkauft werden, bestätigt eine Sprecherin, die erklärt: „Das hängt aber auch mit der Zurückhaltung der Käufer zusammen.“
Dass derzeit weniger Kunden eine Baufinanzierung aufnehmen oder ihre Pläne ändern, verzeichnet auch die Volksbank Rhein-Ruhr. Die Bank-Sprecherin skizziert die Folgen: „Durch die stark gestiegenen Zinsen werden die Vorhaben kleiner, das heißt, die Finanzierungssummen werden geringer.“
Mülheimer Makler sieht keinen Kollaps am Immobilienmarkt, sondern ruhigere Zeiten
„Der große Hype ist erstmal vorbei, aber der Markt ist nicht kollabiert“, bilanziert Makler Jens Hartmann mit Blick auf die zurückliegenden Monate am Immobilienmarkt. Dass die Vermarktungszeiten zunehmen, registriert auch Hartmann. Das führe zu einem größeren Angebot am Markt, weil die Immobilien eine längere Verweildauer haben. Für Kaufinteressenten böte das Vorteile: „Potenzielle Käufer haben dadurch mehr Auswahl und wieder mehr Zeit, um über den Kauf zu entscheiden.“
Der Wunsch nach Wohneigentum sei nach wie vor da, doch bemerkt auch der Mülheimer Makler, dass sich weniger Menschen diesen erfüllen können – oder wollen. Auch Hartmann beobachtet, dass Banken mittlerweile eine höhere Eigenkapitalquote fordern, wohingegen vor der Krise teils eine 110-Prozent-Finanzierung – also Kaufpreis und die Nebenkosten – möglich gewesen sei. Weniger Auswirkung habe die Forderung von mehr Eigenkapital im höheren Preissegment, so Hartmann, denn diese Käufer hätten in der Regel mehr auf der hohen Kante.
Preise für Immobilien bleiben bislang in Mülheim stabil, sagt ein Experte
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Die Rücksetzer am Markt seien trotz des großen Zinssprungs um vier Prozentpunkte aus Sicht von Jens Hartmann noch nicht signifikant. Die Preise in Mülheim und der Region seien weitestgehend stabil, gerade in guten Lagen. „Wer etwa 2020 gekauft hat, könnte heute immer noch mit Gewinn verkaufen.“
Allerdings wirke sich die Zinsentwicklung im Segment der Kapitalanlage, also bei Mehrfamilienhäusern, die sich durch die Mieteinnahmen selbst tragen sollen, auf die Preise aus. Wo noch vor anderthalb Jahren mit einem Zins von einem Prozent und einer Tilgung von zwei Prozent gerechnet wurde, man also auf eine Gesamtannuität von drei Prozent kam, liege man heute bei einer Gesamtannuität von sechs Prozent, also bei der doppelten Belastung. Der Makler erklärt: „Aber man tilgt nicht mehr, sondern die Summe geht ausschließlich in den Zins.“
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Als Beispiel rechnet Hartmann vor: „Wenn eine Immobilie 500.000 Euro kostet, hatte man im letzten Jahr eine Belastung von 15.000 Euro, jetzt sind das 30.000 Euro. Wenn man da die Jahresmiete gegenüberstellt und den Anspruch hat, dass die Immobilie sich selber trägt, wirkt sich das auf den Kaufpreis aus. Da hat der Preisdruck zugenommen.“
Bei private genutzten Wohnimmobilien nimmt Hartmann bei nicht wenigen Kaufinteressenten einen Gewöhnungseffekt wahr: „Man nimmt das Zinsniveau als gegeben hin, denn bei vielen ist der Wunsch nach Garten oder Homeoffice gerade durch die Pandemie gestiegen.“ Wie es weitergeht mit der Preisentwicklung für Wohneigentum, hält der Makler derzeit für unwägbar: „Es gibt Prognosen in alle Richtungen.“ Für den Moment sieht Hartmann allenfalls eine Kleinkorrektur am Immobilienmarkt, in den schlicht mehr Ruhe eingekehrt sei.
Verbraucherzentrale gibt Tipps zur Berechnung einer tragfähigen Baufinanzierung
Weniger Nachfrage nach Beratungen zu Immobilienfinanzierung verzeichnet aktuell die Verbraucherzentrale. Thomas Hentschel, Referent für Finanzen bei der Verbraucherzentrale NRW, zieht daraus den Schluss, dass sich „manche der Realität gestellt haben“ und darauf verzichten, den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen.
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Der Hypothekenzins bewege sich seit Juli vergangenen Jahres zwischen 3 und 4,3 Prozent, daher rät der Finanzfachmann, vor dem Abschluss einer Baufinanzierung die Angebote verschiedener Banken zu vergleichen, betont aber auch: „Der Preis, der im Schaufenster steht, ist nicht der, der später auf dem Papier steht.“ Einkalkuliert werden müsse immer die Höhe des Eigenkapitals sowie die Bonität.
Finanzexperte: Aktueller Zinssatz im langfristigen Durchschnitt noch günstig
Selbst mit einem Zinssatz um 4 Prozent liege man derzeit im langfristigen Durchschnitt noch günstig. „So hoch war der Zins zuletzt 2011“, so Hentschel. Was aber ins Kontor schlage sei die Tatsache, dass die Immobilienpreise in dem Zeitraum um 65 bis 100 Prozent gestiegen sind, sich die Einkommen aber nicht in gleichem Maße erhöht haben.
Kaufwilligen gibt Hentschel folgenden Ratschlag: „Die monatlichen Belastungen für Zins und Tilgung sollten nicht mehr als 30 bis 35 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens betragen.“ Solide finanziere man mit 20 bis 30 Prozent Eigenkapital und einem Eigenkapital, das zudem die Kaufnebenkosten deckt. „Wenn man 40 bis 45 Prozent des Nettoeinkommens fürs Wohnen inklusive Wärme, Zinsen, Tilgung und Unterhaltungskosten der Immobilie aufwenden kann, ist man im sicheren Bereich“, rechnet der Finanzexperte der Verbraucherzentrale vor und betont: „Nicht der Preis der Immobilie ist ausschlaggebend, sondern das, was ich bezahlen kann.“