Düsseldorf. Nach dem Wirbel um die Abgabefrist rollt auf die Finanzämter eine Flut von Einsprüchen gegen Grundsteuerbescheide zu - aus gutem Grund.
Neuer Ärger um die Grundsteuerreform: Nach dem Wirbel um Abgabefristen und niedrige Rücklaufquoten rollt auf die NRW-Finanzämter nun eine Flut von Einsprüchen betroffener Bürgerinnen und Bürger gegen die Neuberechnung der Grundsteuerwerte und Messbeträge zu. Bereits bis Ende der Abgabefrist am 31. Januar lagen den Finanzbehörden insgesamt rund 187.000 Einsprüche gegen bis dahin ergangene Steuerbescheide vor.
Grundsteuerbescheide: 187.000 Einsprüche in NRW
Wie aus einer Antwort des NRW-Finanzministeriums auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hervorgeht, beziehen sich 124.000 der Einsprüche auf die Wertfeststellung der jeweiligen Immobilie, weitere 63.000 Einsprüche richten sich gegen den von den Finanzämtern festgelegten Steuermessbetrag. Neben den kommunalen Hebesätzen sind beide Werte die entscheidende Hebel für die tatsächliche Höhe der Grundsteuer, die Immobilieneigner ab 2025 entrichten müssen.
Experten raten Eigentümern zum Einspruch
Fachleute rechnen angesichts der verzögerten Bearbeitung von Millionen Grundsteueranträgen mit einer Vervielfachung der Einspruchszahlen und einer weiteren Überlastung der Finanzämter, zumal Verbraucherschützer, Steuerberater und Eigentümerverbände Immobilien- und Grundbesitzer derzeit ohnehin dazu raten, formellen Einspruch gegen die neuen Grundsteuerbescheide einzulegen.
Zweifel an der Rechtssicherheit der Berechnungsmethoden
Hintergrund sind weitverbreitete Zweifel an der Rechtssicherheit des neue Grundsteuerverfahrens. Klagen wegen verfassungsmäßiger Bedenken an den Berechnungsmethoden der neuen Grundsteuer sind bereits angekündigt. Sollten Gerichte die Verfassungswidrigkeit der geltenden Bewertungsregeln feststellen, würden davon nach derzeitiger Rechtslage allerdings nur Eigentümer profitieren, die ihre Bescheide zuvor angefochten haben.
Verbände fordern Vorläufigkeit der Grundsteuerbescheide
Eine nordrhein-westfälische Verbände-Allianz aus Bund der Steuerzahler, Deutscher Steuer-Gewerkschaft, Haus & Grund, Verband Wohneigentum NRW und der Steuerberaterverbände Düsseldorf, Köln und Westfalen-Lippe pocht daher schon seit Wochen darauf, dass Finanzämter die Bescheide zur Feststellung des Grundsteuerwertes grundsätzlich nur vorläufig erlassen. Nur so könne eine Einspruchswelle verhindert werden. „Wenn die gerichtliche Klärung die Verfassungswidrigkeit der jetzt geltenden Bewertungsregeln ergibt, könnte dies für alle Bescheide gelten und nicht nur für Eigentümer, die ihre Bescheide bereits angefochten haben“, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf der Verbände.
FDP spricht von "Zermürbungsstrategie"
Auch die oppositionelle Landtags-FDP erhöht den Druck auf NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) und will das Land per Antrag dazu zwingen, sämtliche Grundsteuerbescheide unter den Vorbehalt einer Nachprüfung zu stellen. „Die Bürger sind verständlicherweise total überfordert mit ihrer Steuererklärung und der Interpretation der Bescheide. Leider weist der Finanzminister die Verzweiflung problemblind zurück“, sagte Vizefraktionschef Ralf Witzel der WAZ. Witzel spricht von einer „Zermürbungsstrategie“. Die schwarz-grüne Landesregierung spekuliere darauf, dass genügend Steuerpflichtige vor den Kosten und Mühen eines langen Rechtsstreits zurückschreckten.
Oberfinanzdirektion verweist auf fehlende Voraussetzungen
Die Oberfinanzdirektion NRW verwies auf Nachfrage am Mittwoch dagegen auf rechtliche Bestimmungen. Die Vorläufigkeit der Steuerbescheide sei "von klaren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen abhängig", so ein Behördensprecher. Dazu gehöre ein bei einem obersten Gericht anhängiges Verfahren. Diese Voraussetzung liege nicht vor.