Mülheim. Mülheimer Sparern wird das Leben schwer gemacht: Bei immer mehr Banken müssen sie Strafzinsen zahlen. So gehen die Geldinstitute damit um.
Im Briefkasten einer Commerzbank-Kundin aus Mülheim fand sich kürzlich ein unerfreuliches Schreiben: Ab 1. Mai, so stand dort, werde die Bank „ein Guthabenentgelt von jährlich 0,5 Prozent“ erheben, und zwar für Einlagen ab 100.000 Euro. Keine gute Kunde für die Kundin – sie muss zahlen.
Die 45-Jährige ist damit nicht allein: Fast durchgängig haben sich die Mülheimer Banken mittlerweile für so genannte Verwahrentgelte auf hohe Guthaben entschieden. Das zeigt eine Umfrage dieser Zeitung.
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Von Strafzinsen ist umgangssprachlich die Rede. Und man versteht auch schnell, warum: Wer bei einer Bank eine größere Summe auf Giro- oder Tagesgeldkonto liegen hat, bekommt ja längst schon keine Zinsen mehr – neu aber ist, dass man dafür sogar in die eigene Tasche greifen muss.
Die Banken geben so Kosten weiter, die bei ihnen selbst anfallen, wenn sie überschüssige Mittel bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zwischenlagern müssen.
Commerzbank und Sparda-Bank: Dann müssen Sparer zahlen
Jutta Wellmann, Pressesprecherin der Region West bei der Commerzbank, bestätigt den Strafzins für die 45-Jährige. Zur Begründung führt sie an, dass es ja auch „eine Dienstleistung der Bank“ sei, die Einlagen sicher zu verwahren, und dass Geldhäuser auch „auf Profitabilität achten“ müssten. Aktuell werde das Verwahrentgelt für Einlagen ab 100.000 Euro erhoben; doch schon jetzt sei klar, dass man den Freibetrag für Neukunden ab August 2021 auf 50.000 Euro senke.
Mit Mülheimern, die schon länger als Juli 2020 zu den Kunden der Filiale an der Althofstraße gehörten, seien „individuelle Regelungen“ denkbar. „Jeder Anleger muss sich überlegen, ob er seine Einlagen unverzinst auf dem Konto belässt. Oder im Gespräch mit Beratern nach Alternativen sucht, die für beide Seiten sinnvoll sind.“
Die Sparda-Bank West, deren Filiale an der Eppinghofer Straße liegt, geht anders mit dem Thema um. Laut Sprecherin Ulrike Hüneburg wurden dort zum April zwar ebenfalls Verwahrentgelte von 0,5 Prozent eingeführt. Doch sie gelten auch schon für geringere Einlagen auf Girokonten, bereits ab 25.000 Euro.
Unterhalten Bankkunden mehrere dieser Konten, gelten für die weiteren keine Freibeträge mehr; das Verwahrentgelt wird ab dem ersten Euro berechnet. Für Tagesgeldkonten gilt eine Freibetragsgrenze von 50.000 Euro.
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Man habe das Verwahrentgelt „zum Wohle der gesamten Genossenschaft“ eingeführt, betonte Vorstandsvorsitzender Manfred Stevermann im März. „Da die oft prognostizierte Zinswende ausgeblieben und durch die Pandemie gar in weite Ferne gerückt ist, war der Schritt unvermeidbar.“ Viele Banken hätten genauso gehandelt und Kunden daraufhin verstärkt für ihr Geld nach günstigen Alternativen gesucht. „Wenn wir zu spät auf so etwas reagieren, laufen wir Gefahr, von neuen Einlagen überflutet zu werden. Das würde unseren Zinsaufwand weiter erhöhen“, so Stevermann.
Negativzinsen bei der Sparkasse und Volksbank
Ähnliches war in den vergangenen Wochen schon von der Sparkasse Mülheim und von der Volksbank Rhein-Ruhr zu hören. Auch dort gibt es mittlerweile Negativzinsen von 0,5 Prozent auf Guthaben über 100.000 Euro.
Laut Sprecherin Hüneburg betreffen die neuen Regelungen übrigens etwa zehn Prozent der insgesamt rund 680.000 Sparda Bank-Kunden. Für Bestandskunden treten sie erst dann in Kraft, wenn die schriftliche Zustimmung vorliegt und ein erstes volles Quartal abgerechnet werden kann.
Christoph Blumenthal aus der Medien-Abteilung der Deutschen Bank betont, dass Verwahrentgelte im breiten Kundengeschäft kein Thema sind. Nur solvente Kunden seien betroffen und diese auch nur dann, wenn sie nicht vor dem 18. Mai 2020 eine Geschäftsbeziehung mit der Deutschen Bank (oder der angeschlossenen Postbank) eingegangen sind.
Es gelten Freibeträge von 100.000 Euro und Strafzinsen von jährlich 0,5 Prozent. Mit Konzernen, der öffentlichen Hand und vermögenden Privatleuten stehe man „im engen Dialog, um Anlage-Alternativen oder Kompensationsmodelle zu vereinbaren“, so Blumenthal. Man wolle „Wege aufzeigen, wie sich Geld trotz Negativzinsen rentierlich anlegen lässt“.
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Die Deutsche Bank hat ihre Filiale an der Wallstraße, die Postbank die Hauptstelle am Hauptbahnhof. „Sobald die EZB ihren Satz erhöht oder senkt, verändert sich die Höhe des Verwahrentgelts“, kündigt Postbank-Sprecher Oliver Rittmaier an. „Bisher betrifft all das bei uns allerdings nur sehr wenige Kunden.“
Dauer und Umfang einer Geschäftsbeziehung sind entscheidend für die Strafzinsen
Die Dauer und der Umfang der einzelnen Geschäftsbeziehung beeinflusst bei der National-Bank die Höhe des Strafzinses. Das Geldinstitut mit Niederlassungen in Stadtmitte und seit Kurzem auch in Saarn vereinbart „mit Firmen-, Wealth Management- und Private Banking-Kunden“ Verwahrentgelte „zur teilweisen Kompensation“ der EZB-Kosten, erklärt Gregor Stricker, Leiter des Vorstandsstabes. Die Summe werde individuell ausgehandelt. „Kleinsparer“ seien nicht betroffen – „und aus heutiger Sicht plant die Bank dies auch nicht“.
Die am Kohlenkamp ansässigeTargobank hat im April eine Staffelung eingeführt: Der Sparzins wird für Neukunden fällig, sobald 50.000 Euro auf dem Giro- oder Verrechnungskonto (und gegebenenfalls weitere 50.000 Euro aus anderen Einlageformen) überschritten sind.
Laut Axel Bäumer, Leiter der Externen Kommunikation, zahlen sie für 50.000 bis 100.000 Euro 10 Euro monatlich, für 100.000 bis 250.000 Euro 20 Euro, für 250.000 bis 500.000 Euro 35 Euro und für über 500.000 Euro 50 Euro im Monat.
Diese Mülheimer Bank erhebt noch keine Negativzinsen
Marcel Rindfleisch, Abteilungsleiter bei der Santander Bank mit Filiale an der Schloßstraße, spricht ungern von Verwahrentgelt, lieber von Negativzinsen. Andernfalls werde Kunden suggeriert, es handele sich gar nicht um Zinsen. „Dabei geht’s genau um das – nur mit umkehrten Vorzeichen.“
Das Thema treibe deutschlandweit Kunden von knapp 460 Banken um. Wichtig sei dabei auch diese Erkenntnis: „Der Kunde, der sein Kapital heute auf Giro- oder Tagesgeldkonten verwahrt, unterliegt bereits einem realen inflationsbedingten Vermögensverlust, der höher ist als das bankseitige Parken bei der EZB.“ Die Santander Bank übrigens erhebt aktuell noch keine Negativzinsen.