Mülheim. Impfpool.de will online Impftermine vermitteln. In Priorisierungs-Zeiten sehen Mülheimer Ärzte das kritisch. Der Unternehmer denkt schon weiter.
Mit einem neuen Online-Service will ein Mülheimer Unternehmen impfwilligen Bürgern einen Impftermin für die Coronaschutzimpfung vermitteln und dafür online eine Warteliste führen. Die Dienstleistung auf „Impfpool.de“ ist ein bundesweites Angebot und laut Angabe der Anbieter für Impfwillige und teilnehmende Arztpraxen kostenlos. Gehofft wird allerdings auf Spenden. Mülheimer Ärztevertreter sehen den Nutzen des Portals derzeit nicht.
Hinter der Vermittlungsplattform „impfpool.de“, auf der man sich als Impfwilliger seit wenigen Tagen registrieren lassen kann, steht die Mülheimer Firma Bitcom Services, die nach eigener Aussage seit vielen Jahren in der Unternehmensberatung tätig ist. Das Online-Angebot wurde von Bitcom-Geschäftsführer Holger Warnat bereits mit Blick auf einen in absehbarer Zeit zu erwartenden Wegfall der Priorisierung, auf dann mehr verfügbaren Impfstoff und auf eine Vielzahl von jüngeren, berufstätigen Menschen mit wenig Zeit gegründet, die dann alle einen Impftermin haben wollten. Und dafür auch bereit seien, in eine andere Stadt zu fahren.
Über 10.000 Impfwillige haben sich nach Angaben des Mülheimer Betreibers registriert
Nach Warnats Angaben haben sich in den wenigen Tagen, in denen die Seite online ist, bereits (Stand Montag) über 10.000 Impfwillige auf dem Portal registriert. Darunter gehörten 90 % der Prioritätsgruppe 4 an, etwa 10 % der Prioritätsgruppe 3 und „noch eine Handvoll der Gruppen 1 und 2“, sagte Holger Warnat.
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Warnat, der seine Firma am Stockweg vor 30 Jahren gegründet hat, ist auch als Geschäftsführer der „UROWL - Dienstleistungsgesellschaft für ambulante Urologie“ tätig. Die neue Impf-Plattform wurde laut Warnat von beiden Gesellschaften gegründet und nutze als Basis eine bereits vorhandene Plattform für die Vergabe von Arztterminen in den angeschlossenen Urologie-Praxen in Westfalen-Lippe.
Rund 300 Urologie-Praxen seien in der UROWL registriert, so Warnat, gut die Hälfe davon nehme bereits an Impfpool teil. Ärzte können, so die Idee, ihre frei gewordenen Impftermine und Restplätze auf der Impfpool-Seite einstellen. So müssten die Praxen nicht aufwendig Patienten-Listen abtelefonieren. Kooperationen mit Ärztenetzwerken in anderen Städten gebe es bereits, so Warnat.
Mülheimer KV-Vorsitzender bezweifelt die Zweckmäßigkeit des Portals
In der Praxis soll die neue Plattform so funktionieren, erläutert Warnat: Man registriert sich mit seinen persönlichen Daten samt Passwort, gibt seine Priorisierung an, kommt auf eine Warteliste. „Das Matching läuft über die Postleitzahl“, erläutert Holger Warnat. Bei der Anmeldung wird abgefragt, in welchem Suchradius ein Impftermin angenommen werden kann. Sobald dann Impftermine in den Praxen der teilnehmenden Ärzte freigeschaltet werden, werden die Impfwilligen informiert. Das geschehe unter Berücksichtigung der Priorisierung, aber auch des Anmeldedatums. „Das Portal kann innerhalb von zwölf Stunden drei Personen anschreiben“, erklärt Warnat. Eine könne dann den Termin buchen.
Dr. Stephan von Lackum, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mülheim, bezweifelt die Zweckmäßigkeit des Portals, das seiner Ansicht nach seitens der Mülheimer Ärzte wenig genutzt werde. „Derzeit ist der Impfstoff noch rar. Und wir müssen die Impfreihenfolge beachten. Wenn dann mal genug Impfstoff da ist, kann man sich ja auch überall impfen lassen.“ Zudem mache Mülheim derzeit große Fortschritte beim Impfen: „In der vergangenen Woche wurden 10.000 Erstimpfungen - im Impfzentrum und von den Niedergelassenen - verabreicht.“
Gesundheitsdaten laufen nicht über das Portal
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Die technische Plattform sei auf dem Stand der Technik, erklärte Holger Warnat, sie sei entsprechend verschlüsselt. Abgefragt würden nur Name, E-Mail-Adresse und Wohnadresse.
Es gebe keine Cookies, und auch die Gesundheitsdaten liefen nicht über das Portal. Diese Daten bekämen nur die Arztpraxen.
Auch der Personaldienstleister Randstad will Impfwillige und Impfstoff zusammenbringen, bietet dafür allerdings eine Impf-Finder App an.
Holger Warnat sagte dieser Zeitung, dass die coronabedingten Ausfälle im Kerngeschäft seiner Firma genutzt worden seien, um die eigene technische Plattform fit zu machen und Impfpool zu entwickeln. Rund 50.000 Euro habe die Entwicklung gekostet. Dennoch ist das Angebot kostenlos? „Wir hoffen auf Spenden“, so Warnat. Einige Ärzte hätten sich bereits großzügig gezeigt. Auch die Nutzer der Plattform sollen nach erfolgter Impftermin-Entwicklung eine Spendenanfrage per Mail bekommen, sagte Warnat. Der Unternehmer hofft auch auf das eine oder andere weitere Geschäft, etwa wenn große Unternehmen über ihre Betriebsärzte das in Mülheim entwickelte Tool nutzen wollen.
Das Portal nimmt auch auf, welcher Impfstoff vom Impfling bevorzugt wird
Nicht nur wo, sondern auch mit welchem Impfstoff man geimpft werden möchte, kann man bei der Anmeldung bei Impfpool angeben. Aktuell gibt es laut der Corona-Impfverordnung aber keine freie Wahl des Impfstoffs eines bestimmten Herstellers. „Die Ärzte können aber alles bestellen“, wendet Warnat ein. Wer nun unbedingt mit Moderna geimpft werden wolle, habe aber wohl schlechtere Karten, nennt er ein Beispiel.
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Es sollen laut Warnat auch „Last-Minute“-Termine für kurzfristig übrig gebliebene Impfdosen angeboten werden, etwa wenn ein Impfwilliger nicht erschienen ist. Das Impfportal wirbt mit dem Satz „Außerdem können Ärzte kurzfristig verfügbare Dosen an Impfwillige ohne Priorisierungsstufe verteilen.“ Das gelte aber immer nur dann, wenn der Impfstoff ansonsten verworfen werden müsste, ergänzt Stephan von Lackum.
„Dieser Satz suggeriert mir, dass der Arzt auch ohne Priorisierung impfen kann“, wendet Hausarzt Uwe Brock ein, der Vorsitzende der Ärztekammer in Mülheim. „Das kann so nicht sein. Wir Ärzte müssen uns nach der geltenden Impfordnung in NRW richten. Man könnte einem Arzt sonst möglicherweise mangelnde Sorgfaltspflicht vorwerfen.“