Mülheim. Gezahlt wird immer öfter per Karte, und das Bargeld hebt mancher im Supermarkt ab. Warum Bank-Filialen und Geldautomaten in der Stadt schwinden.
Digital sticht Hartgeld? Corona hat zumindest die Art, wie man in Mülheim und anderswo bezahlt, deutlich verändert. Und wer nicht virtuell hinblättern will, kann inzwischen sogar im Supermarkt Euro-Scheine abheben.
Vor allem ältere Mülheimer befürchten deshalb, dass die Geldinstitute den „guten alten“ Bankautomaten an der Ecke abbauen werden. „Der Anspruch an Bargeld ist gesunken“, stellt auch Frank Hötzel, Sprecher der Sparkasse Mülheim, fest. Wie das in der Stadt mittelfristig zu spüren sein wird? Zunächst ganz unmittelbar an mancher Ecke in Speldorf, Saarn, Selbeck, Dümpten und in der Stadtmitte: Auf rund 40 hatte die Sparkasse die Zahl ihrer Geldautomaten nach verschiedenen spektakulären Sprengungen vorübergehend reduziert.
Wenn der Geldautomat zum Sicherheitsrisiko wird
Nicht nur, dass der in der Landschaft herumstehende Geldspender ein teures Sicherheitsrisiko geworden ist , eine Sprengung kann Leib und Leben gefährden , sagt Sparkassensprecher Hötzel: „Als im März gleich zwei Bankautomaten in Speldorf und Dümpten gesprengt wurden, haben wir im Lockdown entschieden, die risikoreichen Standorte zu schließen.“ Vor allem Saarn war häufiger das Ziel solcher „explosionsartigen Abbuchungen“. In Selbeck und auch in der Innenstadt am St. Marien-Hospital wird es deshalb keinen neuen geben.
Unumstritten war dieser „Rückzug“ etwa an der Luxemburger Allee in Saarn nicht. Vor allem ältere Menschen ärgerten sich über die nun längeren Wege teils mit dem Bus, um Geld und Kontoauszüge abzuholen. Inzwischen sind wieder 43 Automaten im Stadtgebiet zu finden. Sie sind teils zum einen zwischen 23 und 6 Uhr geschlossen, zum anderen mit Sicherheitstechnik wie Vernebelung gesichert .
Corona: Banken und Stadt reagieren mit Bargeld-Bringservice
Im Gegenzug hat die Sparkasse mit der Volksbank Rhein-Ruhr eine Vereinbarung für jeweils gebührenfreies Abheben an Automaten abgeschlossen. Auch einen Bargeld-Bringservice richtete sie gemeinsam mit Stadt und dem Centrum für Bürgerschaftliches Engagement im ersten Lockdown ein: „Wir wollten damit ein Signal setzen, dass man in jedem Zipfel einigermaßen gut an Bargeld kommt“, begründet Hötzel die Maßnahmen.
Neue Filiale in Saarn eröffnet
Während manche Bank-Filiale in der Vergangenheit geschlossen wurde, gibt es auch Neueröffnungen: Die National Bank hat am 2. November eine neue Geschäftsstelle in Saarn an der Düsseldorfer Straße 83 aufgemacht.
Ein ungewöhnlicher Zug: „Anders als der Wettbewerb schließen wir keine Geschäftsstellen, sondern eröffnen neue“, merkt Thomas A. Lange, Vorsitzender des Vorstandes , an.
Filialleiterin Anke Schmitz begründet die Neueröffnung mit einem offenbar gestiegenen Kundenbedarf in Corona-Zeiten: „Gerade in dieser anspruchsvollen Zeit die steht persönliche und individuelle Beratung zu allen Themen rund um die Geldanlage, Finanzierung oder Vorsorge mehr denn je im Mittelpunkt unseres Handelns.“
Auf neun Filialen können Postbank-Kunden zurückgreifen – die Postbank ist damit das zweite große Geldinstitut in der Stadt. Mit unter anderem Deutsche Bank, Commerzbank und HypoVereinsbank hat die Postbank Partnerschaften gebildet. Mit rund 19 sogenannten kostenfreien Cashback-Bargeld-Services an den Supermarktkassen wirbt die Postbank außerdem bei ihren Kunden. Die vermeintlich „kostenfreie“ Geldausgabe lassen sich die Geschäfte allerdings mit einem Mindesteinkauf von zwischen fünf und 20 Euro vergüten.
Streitpunkt Filialen: Abbau schreitet in Mülheim voran
Auch wenn die Infrastruktur für das Geldabheben in Mülheim noch gut zu sein scheint – Bargeld ist nicht alles. Für viele Mülheimer sind Filialen wichtig, um Kontoauszüge abzuholen und Überweisungen zu tätigen. Oder um sich persönlich beraten zu lassen. Hier schwindet das Angebot. Neun Filialen mit Mitarbeitern bietet etwa die Sparkasse, die vor allem in der Stadtmitte und im Mülheimer Osten stark vertreten sind. Nur noch, muss man sagen, denn 2018 waren es elf.
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Die Filialen in Broich und Eppinghofen sind geschlossen, in Heimaterde ist ihr Ende 2021 besiegelt. „Wir sind mit diesem Gesamtangebot aber nach wie vor klarer Standortmarktführer“, hebt Hötzel hervor, dass man an den zehn SB-Stellen zum Teil auch überweisen kann und Kontoauszüge bekommt. Und auch andere Institute hätten Standorte abgebaut, darauf verweist der Sparkassen-Sprecher.
Über das heikle Thema Serviceabbau vor Ort will die Postbank hingegen lieber gar nicht reden. Auf Anfrage der Redaktion antwortet die Postbank: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu historischen Standorten keine Angaben machen wollen.“