Gladbeck. Angriffe auf Politiker, zuletzt auf Berlins Ex-Bürgermeisterin Franziska Giffey, sorgen für Entsetzen. Auch Gladbecks Politiker werden beschimpft
Kommunalpolitiker in Gladbeck reagieren bestürzt auf die Angriffe auf Parteimitglieder vor der Europawahl am 9. Juni. Höhepunkt war am Wochenende eine Attacke auf einen SPD-Politiker in Dresden, aber auch in Essen wurde vergangene Woche ein Grünen-Politiker angegriffen. Auch Gladbecker Politiker erleben immer wieder Anfeindungen.
Ratsfrau Simone Steffens, langjähriges Mitglied bei den Grünen, habe die Situation an Infoständen in Wahlkampfzeiten bisher immer als „total nett“ empfunden, vergangenen Samstag aber habe es gleich zwei Vorfälle am Infostand der Grünen in der Innenstadt gegeben. „Zwei Mal wurden wir richtig beschimpft, in einer sehr aggressiven Art und Weise“, berichtet Simone Steffens. Bisher sei ihr das so noch nie passiert. Die Parteimitglieder hätten die beiden Männer aber jeweils ignoriert. „Wir haben gemerkt, dass keiner der beiden auf der Sachebene diskutieren wollte.“ Eine heikle Situation sei nicht entstanden, da die beiden Passanten einfach weitergegangen seien. Fraktionsvorsitzende Ramona Karatas berichtet, sie habe schon öfter Drohbriefe- oder E-Mails bekommen, wie zuletzt im Zuge der Diskussion um die Einrichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge im Hotel van der Valk.
Beschimpfungen müssen sich die Ehrenamtlichen immer mal wieder anhören
Anfeindungen kämen leider immer wieder vor, weiß auch der CDU-Vorsitzende Dietmar Drosdzol zu berichten. Bisher sei es aber nie zu körperlichen Angriffen gekommen, sagt Drosdzol. Beschimpfungen dagegen müsse man sich immer mal wieder anhören, wenn man sich politisch engagiere und unterwegs sei, sagt er. Besonders krass eine Aussage, die er an einem Infostand hören musste. „Da hat uns jemand gesagt, man solle uns alle vergasen.“
Teilweise erlebe man so etwas sogar in Situationen, in denen man gar nicht damit rechne. Drosdzol erinnert sich an den Einsatz bei Gladbeck putzt. Selbst da gebe es Leute, die demonstrativ die Zigarettenkippe auf die Helfer schnippten oder absichtlich Müll in deren Richtung werfen, erzählt er.
Bei der CDU ist niemand allein unterwegs, wenn die Wahlplakate aufgehängt werden
Auch beim Plakatieren gebe es immer wieder Menschen, die den Helfern deutlich machten, was sie von der CDU halten. Allein sei keiner der Parteifreunde unterwegs, wenn Wahlplakate gehängt werden. „Wir sind da immer im Trupp“, sagt der Vorsitzende. Das habe aber nicht unbedingt etwas mit Sicherheit zu tun. Es gehe eben auch darum, dass man gemeinsam schneller ist, und dass es für einen allein sowieso schwierig ist, die sperrigen Plakate zu hängen.
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Doch im Grunde sei die Situation „beängstigend“, sagt der CDU-Vorsitzende. Er wünscht sich, die Menschen würden ihrem Frust auf andere Weise Luft machen, etwa in Parteien eintreten und da versuchen, Veränderungen anzustoßen. So sei er selbst auch dazugekommen, erinnert er sich. Auf einem Pfarrfest habe er auf die Politik geschimpft und sei dann aufgefordert worden, doch nicht nur zu schimpfen, sondern auch was zu tun.
Aber Aggressivität und Gewalt, das seien keine Lösungswege. Es fehle generell an Respekt, sagt Drodzol. Die politische Auseinandersetzung wird immer pointierter, teils populistisch, welche Rolle spielen soziale Medien? Werden Dinge, die bis vor einiger Zeit dort nur schnell getippt wurden, inzwischen auch schnell gesagt? Der CDU-Vorsitzende überlegt, doch, das könne sein. Und damit stelle sich eben auch automatisch die Frage, wo die Reise noch hingehe.
SPD-Vorsitzenden plagt trotz der Vorfälle kein Gefühl der Unsicherheit
Auch SPD-Vorsitzender Dustin Tix zeigt sich geschockt über die Vorfälle in Dresden und Essen. „Wenn man selbst Politik macht, und das ehrenamtlich, macht das wütend.“ Bei ihm und seinen Genossen gebe es aber nun vor allem das Gefühl „Jetzt erst recht!“. Am Sonntag hat die SPD die Plakate für die anstehende Europawahl gehängt. „Aber wir haben keine negativen Erfahrungen gemacht, es ist alles ruhig verlaufen“, berichtet er. Auch daher gebe es bei ihm jetzt kein Gefühl der Unsicherheit.
Denn auch generell habe er bisher keine Erfahrungen mit Angriffen gemacht. „Natürlich gibt es immer wieder auch unzufriedene Menschen, und das ist vollkommen in Ordnung. Schließlich sind wir auch dazu da, uns Kritik anzuhören.“ Aber er könne nicht feststellen, dass er und seine Genossen nun zur Zielscheibe von aggressiven und gewaltbereiten Menschen werden.
Dennoch: Gewundert haben ihn die Vorfälle nicht. Angst und Hetze zu schüren, sei mit dem Erstarken der Rechten verstärkt einhergegangen. „Es macht was mit der Stadtgesellschaft, wenn Vertreter der AfD samstags mit Schildern ‚Re-Migration jetzt!‘ in der Innenstadt stehen“, so Tix über das Auftreten der AfD in Gladbeck. „Es kommen Menschen auf uns zu, die fragen, ob sie hier überhaupt noch willkommen sind.“
FDP-Vorsitzender erinnert sich an angedrohte Prügel
Michael Tack, der Gladbecker FDP-Vorsitzende, erinnert sich, dass es auch in der Vergangenheit schon verbale Angriffe gegeben habe. Als es um den Kohleausstieg ging, seien der damaligen Kandidatin der FDP auch Prügel angedroht worden. „Damals haben aber alle politischen Konkurrenten hochgradig korrekt reagiert“, sagt Tack. Grundsätzlich habe Gewalt in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen. Die Demokratie sei ja gerade deshalb eingeführt worden, um Argumente und Positionen auszutauschen und um Machtwechsel ohne Gewalt zu vollziehen. Angriffe wie nun in Essen und Dresden würden all das konterkarieren.
Auch die FDP-Mitglieder sind im Europa-Wahlkampf zu zweit unterwegs, um Plakate zu hängen. Das habe aber nichts mit möglichen Angriffen zu tun. Das geschehe vielmehr – siehe die Erfahrungen der CDU – aus praktischen Gründen.
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