Gladbeck. Der Familie von Gastronom Gasan Abasyan aus Gladbeck ist die Flucht aus der Ukraine geglückt. Das rät eine Pfarrerin zum Umgang mit Geflüchteten.
„Sie haben es geschafft.“ Der Gladbecker Gastronom Gasan Abasyan ist überglücklich. Seinem Cousin, dessen Frau, seiner Mutter und den drei kleinen Kindern ist die Flucht aus der Ukraine gelungen. Am Sonntag sind sie bei ihm im Restaurant Lezginka an der Kirchhellener Straße eingetroffen. Am Montagmorgen sitzen sie schon im Bürgeramt des Gladbecker Rathauses, um die Geflüchteten offiziell anzumelden.
Cousin Gasan fungiert als Dolmetscher, er stellt im Restaurant Gästezimmer als ersten Wohnraum zur Verfügung. Ein Glücksfall, wer als Geflüchteter Verwandtschaft in Deutschland hat. Gleichwohl helfen auch viele Gladbeckerinnen und Gladbecker ohne verwandtschaftliche Kontakte. Sie zeigen sich solidarisch mit den Ukrainern in Not und stellen Zimmer als Bleibe zur Verfügung. Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup von der Evangelischen Flüchtlingshilfe in Gladbeck ist begeistert: „Es gefällt mir sehr, wie viele Menschen ihre Wohnung geöffnet haben, die bereit sind, sich auf Flüchtlinge einzulassen.“ Die Pfarrerin im Ruhestand gibt aber auch zu bedenken, dass bei aller Euphorie bedacht werden sollte, dass die Geflüchteten weitere Unterstützung, vielleicht auch psychologische Hilfe benötigen.
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Flüchtlingshilfe: Die Menschen aus der Ukraine müssen nun eine neue Existenz aufbauen
„Wenn ihr euch entschieden habt, Flüchtlinge aufzunehmen, geht ohne Erwartungen heran, seid offen für die Menschen, die da kommen und was sie mitbringen“, rät sie. Die Evangelische Flüchtlingshilfe steht mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang mit Geflüchteten, zuletzt aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Afrika, mit professionellem Rat, Dolmetschern und Angeboten Geflüchteten und Gladbecker Helfern zur Seite. „Die Geflüchteten aus der Ukraine müssen jetzt eine völlig neue Existenz aufbauen, so dass existenzielle Fragen zunächst im Vordergrund stehen“, so die Pfarrerin.
Wie bei Cousin Suren und dessen Familie. Sie haben alles zurücklassen müssen, ihre Arbeitsstelle, ihr Haus, ihr soziales Umfeld und ihre Heimatstadt Kostjantyniwka im Norden des umkämpften Bezirks Donezk am Randes des russlandorientierten Separatistengebietes, dessen Unabhängigkeitsbestrebungen Putin als Kriegsgrund nutzte. Er habe sich selbst eine Fluchtroute Richtung Moldawien herausgesucht, „über Gebiete, die zurzeit von der ukrainischen Armee gehalten werden“, so der 29-Jährige. Zu sechst im eigenen Auto zusammengerückt ging es los. In die Pkw-Fenster klebte der Familienvater große Hinweistafeln, „dass kleine Kinder im Autos sind, mit der Bitte, nicht zu schießen“. Gleichwohl passierten sie kurz nach Abfahrt einen großen Bombentrichter, hörten Schüsse. „20 Minuten vorher und wir wären wahrscheinlich alle tot“, sagt Suren. Letztlich glückte unbehelligt die Flucht und die Ankunft in Deutschland. „Und wir sind dankbar, wie freundlich wir hier in Gladbeck auch im Rathaus aufgenommen wurden“, so die Familie.
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Die geflüchteten Menschen befinden sich in einer Ausnahmesituation
„Wenn die Geflüchteten sich endlich in Sicherheit bringen konnten, dann müssen sie verkraften, dass sie Abschied nehmen mussten von ihrem alten Leben und ihren Plänen für die Zukunft vor dem Krieg“, erklärt Monika Claus, Beraterin der Flüchtlingshilfe. Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup nennt ein Beispiel: „Wir betreuen eine ukrainische Familie, die schon seit mehreren Generationen ein kleines Café in Kiew geführt hat. Das mussten sie bei ihrer Flucht zurück lassen, ihren Wohlstand, die Reputation und Bedeutung, die sie in ihrer Nachbarschaft hatten. Sie haben erzählt, wie schwer es ist, plötzlich Bittsteller zu sein, fremde Hilfe anzunehmen, wo sie doch sonst immer gegeben hätten.“
Die traumatischen Kriegserlebnisse könnten dazu führen, dass die in der Wohnung aufgenommenen Gäste ganz anders reagieren, als der Gastgeber erwartet hat. Monika Claus: „Vielleicht, dass sie momentan keine allzugroße Nähe wollen und eher auf Distanz gehen, dass sie viel weinen.“ Das müsse man verstehen. „Das hat nichts mit den Gastgebern zu tun.“ Die Aufgenommenen müssten die zurückliegenden Erlebnisse verarbeiten. „Die Bombenangriffe auf ihre Stadt und Häuser, die Flucht durch umkämpftes Gebiet, die Sorge um Verwandte, die im Krieg zurückgeblieben sind.“ Da könne medizinische und psychologische Hilfe nötig werden (Kontakt zur Ev. Flüchtlingsarbeit 4027836 oder gla-fluechtlingshilfe@ekvw.de).
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So geht es Gasan Abasyans Verwandten auch. Ihre Gedanken sind beim Ehemann, Vater und Opa (54), der in der Ukraine zurückgeblieben ist und weiter auf das Haus Acht gibt. Gegebenenfalls muss er auch kämpfen, weil er im wehrfähigen Alter ist und keine kleinen Kinder hat, die es seinem Sohn ermöglichten, mit aus dem Kriegsgebiet auszureisen.
Eine Wohnung für die Ukraine-Flüchtlinge wird noch gesucht
Gastwirt Gasan Abasyan hofft auf die Solidarität Gladbecker Vermieter und Wohnungsinhaber. Seine Verwandten konnten zunächst bei ihm im Restaurant in einem Gäste-Appartement unterkommen. Dieses sei trotz kleiner Küchenzeile freilich kein Ersatz für eine Wohnung.
Das Restaurant Lezginka liege zudem etwas abgelegen. Gerade im Hinblick auf einen Kindergarten- oder Schulbesuch seiner Großneffen sei das äußerst ungünstig. „Wir hoffen, eine passende Wohnung in Gladbeck oder einer umliegenden Stadt zu finden“ (Kontakt über die WAZ: redaktion.gladbeck@waz.de).