Gladbeck. In Gladbeck besuchen erste Flüchtlingskinder aus der Ukraine die Schule. Trotz Sprachbarriere werden sie in den regulären Unterricht integriert.

Die zehnjährige Ivanka Teliuk ist vor gut drei Wochen mit ihrer Mutter Lesia und ihrem neunjährigen Bruder Taras aus der Ukraine nach Gladbeck geflohen. Seit Montag ist sie eines der ersten ukrainischen Flüchtlingskinder, die in Gladbeck zur Schule gehen. Auf der Erich-Fried-Hauptschule wurden neben Ivanka bislang zwei weitere Flüchtlingskinder aus der Ukraine aufgenommen. In den nächsten Wochen sollen es mehr werden.

Am Mittwoch waren in Gladbeck insgesamt 33 schulpflichtige Kinder und Jugendliche aus der Ukraine registriert, sagt Stadtsprecher David Hennig. Neun von ihnen besuchen bislang eine Schule. Täglich flüchten weitere Menschen vor dem Krieg. Das NRW-Bildungsministerium rechnet damit, dass durch die Flüchtlingswelle an vielen Schulen mehr Platz und Lehrerkräfte benötigt werden. „Die meisten Schulen in Gladbeck haben uns schon ihre Bereitschaft signalisiert, so viele Kinder wie möglich aufzunehmen“, berichtet Hennig.

Gladbeck: Schulen schaufeln Kapazitäten frei

So sei die Aufnahme von Flüchtlingskindern seit der syrischen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 an Gladbecker Schulen kein Neuland mehr. Für Schuldirektor Peter Washausen von der Erich-Fried-Hauptschule ist es auch eine moralische Pflicht, nun weitere Plätze zu schaffen. „Ich möchte alle Kapazitäten ausschöpfen, um so vielen Kindern wie möglich etwas Normalität zurückzugeben“, betont Washausen. Das sei zwar mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden, aber aufgrund der momentan guten Lehrkraftbesetzung an seiner Schule machbar. „Wir müssen an der Stelle über unseren Schatten springen, aber ich arbeite lieber fünf Stunden mehr, als dass ich die Kinder hängenlasse, die hierher kommen möchten“, so Washausen.

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An der Lamberti-Grundschule in Gladbeck wurden bislang noch keine Flüchtlingskinder angemeldet. „Wir gehen aber davon aus, dass demnächst welche kommen“, sagt Schulleiterin Cäcilia Nagel. Kapazitäten seien in einzelnen Klassen vorhanden. Auch an Lehrpersonal mangele es bislang noch nicht. Eine große Menge an neuen Schülern könne man aber nicht aufnehmen.

Gladbecker Schulen sind auf Flüchtlingskinder vorbereitet

Mit den Kindern, für die genug Platz vorhanden ist, wisse man jedoch umzugehen. „Dadurch, dass wir seit 2015 Flüchtlingskinder bei uns aufnehmen, sind die Strukturen dafür bereits vorhanden“, erklärt Nagel. Damals sei es eine riesige Herausforderung gewesen, den sogenannten „DaZ-Unterricht“ (Deutsch als Zielsprache) in kürzester Zeit aufzubauen. Mittlerweile habe man genügend Erfahrung mit Flüchtlingskindern, um zu wissen, was zu tun ist. „Ob die Kinder nun aus der Ukraine oder aus Syrien kommen, macht da keinen Unterschied“, so Nagel.

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„Wir haben schon Kinder aufgenommen, die vorher noch nie zur Schule gegangen sind. Das hat auch funktioniert“, erzählt Washausen. „Das ist natürlich eine große Nummer und ich ziehe den Hut vor meinen Lehrkräften, die das alle sehr gut meistern.“

„Willkommensklassen“ für Flüchtlingskinder

Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) will in NRW wieder auf die sogenannten „Willkommensklassen“ für Flüchtlingskinder aus der Ukraine setzten. Auch im Jahr 2015 hatte man solche Klassen eingerichtet, in denen Kinder ohne Deutschkenntnisse aufgenommen und an Sprache und Schulsystem herangeführt wurden.„Für uns ist wichtig, dass wir in den Schulen und Kitas bewährte Instrumente wie Willkommensklassen reaktivieren. Es kommen ja vor allem Frauen und Kinder“, so Stamp. Man brauche „schnelle und unbürokratische Hilfe“. Dabei kämen NRW auch die kommunalen Integrationszentren zugute, die das Land gerade erst „gesetzlich abgesichert und finanziell gestärkt“ hätten.

Keine Willkommensklassen geplant: Schüler sollen nicht separiert werden

Trotz Sprachbarrieren sollen Flüchtlingskinder möglichst viel in den regulären Unterricht miteinbezogen werden. „Bislang sind in Gladbeck keine Willkommensklassen geplant“, sagt Hennig. So wolle man die neuen Schüler auf die bestehenden Klassen verteilen und sie, mit Ausnahme vom Deutschunterricht, nicht separat unterrichten. „Wir müssen ihnen das Gefühl geben, dass sie dazugehören“, erklärt Washausen. Die Sprache sei dann erstmal zweitrangig.

„Der gemeinsame Unterricht ist wichtig, damit die Kinder auch über den Deutschunterricht hinaus die Sprache erlernen“, betont Schulleiterin Nagel. „Wir hatten schon viele Kinder, die zum Beispiel in Mathematik sehr gut waren, ohne die deutsche Sprache zu sprechen. So konnten sie am regulären Mathematik-Unterricht teilnehmen und dazu noch weitere Deutschkenntnisse erwerben.“

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Für die zehnjährige Ivanka Teliuk scheint dieses Konzept gut zu funktionieren. „Wir hatten große Angst, dass sich Ivanka nicht wohlfühlt, weil sie eigentlich sehr schüchtern ist“, erzählt ihr Onkel Thorsten Rottmann. Doch nachdem die Fünftklässlerin am Montag von ihrem ersten Schultag nach Hause gekommen ist, fiel der gesamten Familie ein riesiger Stein vom Herzen. „So viel wie am Montag, hat Ivanka die ganzen letzten Wochen nicht gesprochen.“