Gladbeck. Der Gladbecker Gasan Abasyan steht im Kontakt mit Familie und Freunden im Kriegsgebiet. Er zeigt Videos die ihm aus der Ukraine geschickt wurden.
„Es ist schlimm, wirklich schlimm“, sagt Gasan Abasyan sichtlich deprimiert mit müder Stimme. Seit dem frühen Donnerstagmorgen steht der Gladbecker Gastronom (Restaurant Lezginka) im Telefonkontakt mit seiner Familie im Donbass und mit weiteren Freunden aus der Ukraine. „Mein Cousin hat ja erzählt, dass er mit dem Einmarsch rechnet und sich vorbereitet, meine Freunde haben aber nicht erwartet, dass wirklich in der gesamten Ukraine Ziele angegriffen werden.“
Cousin Suren habe sich kurz nach fünf Uhr gemeldet und berichtet, „dass die Invasion jetzt wohl los geht, da zahlreiche Schüsse und Detonationen zu hören sind“. Der 29-Jährige lebt mit Frau, Eltern und kleinen Kindern im Norden des Verwaltungsbezirks Donezk in der Stadt Kostjantyniwka, nur etwa 20 Kilometer von der Front zum Separatistengebiet entfernt. Auch hier hatte das ukrainische Militär eine Abwehrstellung bezogen. Mit der Gladbecker WAZ hatte er am Dienstag telefoniert, da noch gehofft, dass das russische Militär nur in die Separatistengebiete vorrückt – aber bereits gesagt, dass er bei Zuspitzung der Lage mit der Familie fliehen wolle.
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Das Militär hat für die Zivilisten eine Ausgangssperre verhängt
„Er ist aber noch in seinem Haus, das zum Glück einen Keller hat, in dem sie hoffen, bei Angriffen etwas sicherer zu sein“, berichtet Gasan Abasyan. „Denn sie kommen momentan aus Kostjantyniwka nicht weg, das ukrainische Militär hat eine Ausgangssperre verhängt, und die Lage ist noch völlig unübersichtlich, unklar, welche Straßen überhaupt als Fluchtroute frei sind.“ Sein Cousin sei bereit, Kinder und Frau in Sicherheit zu bringen, „seine Eltern wollen bleiben, das Haus mit all ihrem Besitz nicht aufgeben“.
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Immerhin habe sich der Cousin schon auf die Zuspitzung der Lage vorbereitet. „Er hat vor einer Woche Lebensmittel, Medikamente und Benzin gekauft und eingelagert, um auf eine Belagerung und Flucht vorbereitete zu sein.“ Anders sehe es bei Freunden aus der Ukraine aus, die weiter entfernt von der direkten Krisenregion leben. „Sie haben nicht damit gerechnet, dass Putin wirklich auch große Städte angreifen lässt.“
Freunde berichten von Detonationen, Schüssen und russischen Soldaten
Abasyan berichtet von Kontakt zu Freunden nach Charkiw, in die zweitgrößte Stadt der Ukraine mit 1,5 Millionen Einwohnern, die im Nordosten nahe der russischen Grenze liegt. Ebenso sei ihm aus der Hauptstadt Kiew von Detonationen erzählt worden. Flughäfen im ganzen Land würden zerstört. Freunde aus der Hafenstadt Cherson am Schwarzen Meer berichteten, „dass Angriffe von der annektierten Krim erfolgt sind, die strategische Punkte auch im etwas weiter entfernteren Odessa zum Ziel hatten. Sie haben Videos und Fotos geschickt, die Truppen, Panzer und zerstörte Häuser zeigen.“ In der Stadt sei russisches Militär mit Waffen unterwegs. „Die Freunde wollen Richtung Westen nach Polen fliehen, auf den Ausfallstraßen haben sich aber große Staus gebildet.“
Seine Bekannten würden auch von langen Schlangen berichten, „die sich an Tankstellen, vor Banken und Apotheken gebildet haben, da sich die Menschen bevorraten wollen, für den Fall, dass die Infrastruktur weiter zusammenbricht“. Alles sei jetzt so unübersichtlich, noch nicht klar, ob die russischen Truppen wirklich die ganze Ukraine einnehmen wollen, sagt Gasan Abasyan am Donnerstagnachmittag. Er müsse jetzt auflegen, seine Handy zeige wieder einen Anruf aus der Ukraine an. „Meinem Cousin habe ich schon gesagt, wenn du es schaffst zu fliehen, dann hole ich dich und deine Familie an der Grenze in Polen ab.“