Gladbeck. Ein Ehrenamt ist für manche Menschen in Gladbeck unattraktiv. Doch die Helfer werden gebraucht. Wie aktuell in den Hochwasser-Regionen.

Als Starkregen Städte in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz flutete und von der Bildfläche verschwinden ließ, waren sie da: Unzählige Freiwillige, die anpackten, um vollgelaufene Keller auszupumpen, Schlamm und Dreck wegzuschaufeln, Tränen zu trocknen. Auch Menschen aus Gladbeck waren und sind in der Not zur Stelle. Die Katastrophe entfesselt eine enorme Welle der Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Ein punktuelles Phänomen, das sich im Laufe der Zeit, wenn die schlimmsten Folgen des Hochwassers verebbt sind, wieder verflüchtigt? Oder können wir grundsätzlich auf ehrenamtliches Engagement bauen?

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Mitglieder verschiedener Organisationen in Gladbeck stellen fest: Der freiwillige Einsatz lebt in der Stadt! Nur das Wie habe sich im Laufe der Jahre stark verändert. „Das alte Ehrenamt, wie es einmal war, wird aussterben. Wer will sich denn noch für freiwillige Arbeit aufopfern?“, meint Norbert Dyhringer.

Experten betonen: Ehrenamt muss Spaß machen und aus Überzeugung getan werden

Der langjährige Sprecher des Netzwerks Freiwilligenarbeit in Gladbeck sagt: „Unsere Befürchtung war, dass uns in der Corona-Zeit die Ehrenamtlichen wegbrechen.“ Schließlich seien in den Lockdown-Phasen jegliche Aktivitäten unmöglich gewesen, Termine wurden gestrichen, Kontakte untereinander gab es allenfalls über Telefon, Email & Co. – keine Treffen, kein Austausch von Angesicht zu Angesicht.

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Norbert Dyhringer, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Gladbeck, stellt fest: Freiwilliges Engagement hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Foto: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services
Norbert Dyhringer, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Gladbeck, stellt fest: Freiwilliges Engagement hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Foto: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dyhringer, der auch Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Gladbeck ist, nennt als Beispiel ein Angebot aus den eigenen Reihen: „Im Reparaturcafé hatten wir Fluktuation.“ Er stellt jetzt fest: „Wir stehen in den Startlöchern. Alle sind glücklich, dass sie sich nun wieder treffen können.“ Denn freiwilliges Engagement bedeute eben nicht nur, sich für andere einzubringen: „Ehrenamt muss Spaß machen!“

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Darin geht er d’accord mit Wilhelm Walter, Gladbecks Vorsitzender im Deutschen Roten Kreuz (DRK) und Kreisrotkreuzleiter. Der sagt: „Die Sache, die ich mache, muss ich aus Überzeugung und mit Herzblut machen.“ Für beide Männer spielt der Aspekt von Zusammenkommen, Gemeinschaft, eine wichtige Rolle im bürgerschaftlichen Einsatz. „Die Ochsentour, wie sie früher einmal üblich war, will niemand mehr machen“, so Dyhringer.

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Während es in der Vergangenheit gang und gäbe gewesen sei, in einen Verein oder in eine Organisation einzutreten und sich dort dauerhaft zu binden, sieht Dyhringer heutzutage Ehrenamt als „sehr variabel“ an. Denn: „Niemand will sich mehr auf lange Zeit verpflichten.“ Bei festgelegten speziellen Aufgaben oder Einsätzen, ja, da lasse sich Unterstützung mobilisieren – siehe Hochwasser-Katastrophe.

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„Wir haben immer wieder, projektbezogen, eine Fluktuation“, so Dyhringer, „Interessenten, die bei uns mitmachen wollen, geben vor, welche Zeit zur Verfügung steht. Zwei Stunden im Monat im Reparaturcafé, das können Ehrenamtliche einrichten.“ Da seien dann auch sogar Studierende, Auszubildende und Berufstätige mit am Werk, die naturgemäß nur sehr begrenzt Zeit für ehrenamtliches Engagement hätten. Doch bei Vorstandsarbeit winkten die meisten ab: „Dafür bekommt man kaum noch Leute!“

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Die Fluthilfe Gladbeck rief auf, für die Flutopfer zu spenden – und stieß auf eine riesige Resonanz. Die Freiwilligen sammelten kartonweise Hilfsgüter.
Die Fluthilfe Gladbeck rief auf, für die Flutopfer zu spenden – und stieß auf eine riesige Resonanz. Die Freiwilligen sammelten kartonweise Hilfsgüter. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Wilhelm Walter hat vergleichbare Beobachtungen gemacht: „Die Menschen binden sich nicht mehr wie früher langfristig an eine Organisation. Wir haben junge Leute, die zu uns kommen, aber wenn die Marschrichtung gen Beruf oder Familiengründung geht, wird es schwierig.“ Das DRK habe, wie andere Vereine, Gruppen und Verbände, ein Überalterungsproblem. Es suche „Leute, die projektbezogen arbeiten“. Von der entsprechenden Ausbildung, wirft Walter ein, profitieren die Freiwilligen auch persönlich.

Büro für freiwilliges Engagement

Das Büro für freiwilliges Engagement in der Stadtverwaltung Gladbeck will Menschen, die sich für die Gesellschaft einsetzen möchten, und Vereine, Gruppen, Verbände sowie andere Organisationen als „Anbieter“ zusammenbringen. Edesa Paheshti informiert und berät zu allen Fragen bürgerschaftlichen Einsatzes.

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Ein Beratungsgespräch ist derzeit wegen der Corona-Pandemie nur telefonisch möglich. Sprechstunde: dienstags und freitags unter der Telefonnummer 02043/992164 oder per E-Mail (Edesa.Paheshti@stadt-gladbeck.de). Individuelle Terminabsprachen sind ebenfalls eine Option.

Die Schwierigkeit sei, das individuelle Zeitmanagement, die speziellen Interessen und Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. „Man muss auf die Leute zugehen und personenzugeschnittene Lösungen finden“, sagt Walter. Jemand, der sich engagieren möchte, aber kein Blut sehen kann, wäre im Blutspendedienst an der falschen Stelle: „Doch vielleicht kann und möchte sich derjenige als Feldkoch einbringen?“

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Beim DRK Gladbeck setzen sich aktuell gut 80 ehrenamtliche Kräfte ein, hinzu kommen 20 bis 25 in der Altersreserve. Die Spanne reiche von 14 Jahren bis – offen. Sie übernehmen auch Aufträge wie kürzlich in Swisttal, das vom Hochwasser getroffen ist. Wilhelm Walter: „Wenn man im Einsatz sieht, dass man Menschen geholfen hat, gibt das auch einem persönlich etwas: Man erfährt Wertschätzung.“ Er ist fest davon überzeugt: „Das Ehrenamt hat Zukunft – man muss es nur lukrativ gestalten!“

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