Gladbeck. In der Corona-Krise bleiben Caritas und DRK die Freiwilligen fern. Eine 18-Jährige berichtet, wieso sie sich trotzdem für das Ehrenamt entschied.
Das Coronavirus macht gerade Schulabgängern einen Strich durch die Rechnung. Studium, Ausbildung, Auslandsjahr – alles steht auf wackligen Füßen. Lea Miserre kann hingegen die Pläne, die sie geschmiedet hat, in die Tat umsetzen. Mit Menschen wollte die 18-Jährige aus Gladbeck arbeiten. Und das tut Lea als Bundesfreiwilligendienstlerin beim Caritasverband. Für beide Seiten eine Win-Win-Situation, denn in Pandemie-Zeiten fehlen Verbänden die „Bufdis“.
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Lea Miserre hat sich für den Caritas-Seniorenbereich entschieden, ist seit September 2020 im St.-Altfrid-Haus tätig. In der Corona-Zeit, stellen Fachleute fest, halten sich junge Menschen beim Freiwilligendienst zurück. Gabriele Buchholz vom Caritasverband meint: „Schulabgänger stehen vor einer ungewissen Zukunft und beziehen erst einmal eine Warteposition, um zu sehen, wie es weitergeht.“
Gladbeck: Schulabgänger warten erst einmal ab, wie es in der Corona-Krise weitergeht
Stefan Walter, Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes Gladbeck, berichtet, zuletzt sei beim DRK gerade einmal ein Bufdi gewesen. Dabei gebe es im Verband viele Möglichkeiten, sich für seine Mitmenschen einzusetzen. Sei es nun im Fahrdienst, unter anderem für Senioren sowie in der Kinder- und Jugendhilfe, sei es im Hausnotruf-Service oder in der Technik. Ein Einsatz im medizinischen Transport ist ebenfalls denkbar. Bis zu zehn Plätze könne das Rote Kreuz in Gladbeck mit Bufdis besetzen. Dabei bemühe sich der Verband um Flexibilität im Sinne der Interessenten. Sogar ein Teilzeiteinsatz sei schon einmal realisiert worden. Stefan Walter betont: „Bufdis dürfen Vollzeitarbeitskräften keine Stelle wegnehmen.“ Freiwillige als günstige Hilfsarbeiter – das ist tabu!
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An diesen Grundsatz sind auch andere Anbieter wie die Caritas gebunden. Pressesprecherin Antonia Gemein schätzt: „Verbandsweit haben wir bestimmt 50 Plätze für Bufdis. Häufig sind sie als Schulbegleiter eingesetzt.“ Lea Miserre erzählt: „Ich wollte erst mein Abi in der Tasche haben, bevor ich mich bewerbe.“ Diese Einstellung ist laut Gabriele Buchholz keineswegs selbstverständlich. Immer wieder kommen Eltern zur Caritas, um für ihren Nachwachs eine Bufdi-Stelle zu organisieren. Doch Buchholz und Walter ist es wichtig, dass die jungen Menschen sich selbst um solch einen Platz bemühen. „Der erste Schritt ist die Eigeninitiative“, sagt die Sozialpädagogin.
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Angst müssen Interessenten nicht haben, denn von eisernen Auswahlkriterien und strengen Bewerbungsgesprächen kann wohl kaum die Rede sein. Wer Lust hat, meldet sich beim Anbieter der Wahl – das muss nicht im sozialen Bereich sein. Alternativ gibt es die Felder Ökologie, Kultur und Sport. In einem persönlichen Gespräch werden individuelle Interessen und Möglichkeiten ausgelotet.
Lea hat über Mundpropaganda den Weg zur Caritas gefunden: „Freunde haben auch einen Bufdi-Dienst gemacht.“ Die Mutter der 18-Jährigen ist Erzieherin. Lea hat drei Geschwister, „wir alle sind in der Kirche, in der Messdienerarbeit aktiv“. Da lag es für sie nahe, sich im sozialen Bereich einzubringen. „Ich helfe, den Tagesablauf zu strukturieren, führe auch viele Gespräche“, sagt die Gladbeckerin. Buchholz unterstreicht, dass christliches Engagement keine Bedingung für eine Bufdi-Stelle im katholischen Wohlfahrtsverband ist. Eine Grundvoraussetzung sei allerdings: „Spaß im Umgang mit Menschen.“
Und den hat Lea; das ist zu spüren, wenn sie von Begebenheiten erzählt. Wie in der Weihnachtszeit, als sie eine eigene Idee realisierte. „Wir haben einen Mini-Tannenbaum mit Kugeln geschmückt und einer Bewohnerin ins Zimmer gestellt“, erzählt sie. Später sei sie mit dem schmucken Bäumchen von Raum zu Raum gegangen, um Freude zu verbreiten. Mit Erfolg. Überhaupt bemerkt die junge Frau, dass ihre Bemühungen um die alten Menschen in der Caritas-Einrichtung auf fruchtbaren Boden fallen: „Man bekommt etwas zurück! Es wird geschätzt, was ich tue.“
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Der Bundesfreiwilligendienst
Stefan Walter, Kreisgeschäftsführer des DRK Gladbeck, erklärt: „Der Bundesfreiwilligendienst ist ein engagementpolitisches Projekt. Er soll eine neue Kultur der Freiwilligkeit schaffen und möglichst vielen Menschen ein Engagement für die Allgemeinheit möglich machen.“
Alle, die möchten, können sich unabhängig vom Alter für einen Einsatz außerhalb von Schule und Beruf melden. Walter weiß beispielsweise von ehemaligen Beamten zu berichten, die sich für die Gesellschaft engagieren wollten.
Als Voraussetzung gilt: Die Vollzeitschulpflicht muss erfüllt sein. In der Regel dauert der Bundesfreiwilligendienst ein Jahr, mindestens jedoch sechs Monate. Höchstgrenze: 18 Monate, in Ausnahmefällen maximal 24 Monate.
Arbeitszeiten und Bezahlung sind, je nach Anbieter, unterschiedlich. Stefan Walter weist ausdrücklich darauf hin: „Ein Anspruch auf Fortzahlung des Kindergeldes besteht weiterhin. Es muss mit der Kindergeldkasse abgesprochen werden.“
Sicher gebe es auch bedrückende Momente: „Viele Bewohner haben keine Angehörigen. Da macht es schon traurig, wenn jemand allein ist.“ Mit dem Tod sei sie auch bereits konfrontiert worden. Stefan Walter kann nachvollziehen, dass Bufdis Respekt, oder sogar Angst, vor manchen Situationen haben. Er nennt Beispiele: „Bei einem Transport kann es passieren, dass jemand kollabiert. Und bei einem Hausnotruf weiß man nicht, was einen erwartet.“ Doch die Bufdis, so beteuern der DRK-Mann und die Caritas-Vertreterin, werden nicht allein gelassen.
Die Erfahrungen aus der Bufdi-Zeit zahlen sich für den weiteren Lebensweg aus
Für Lea ist es das Bündel an Erfahrungen, das sich für sie auszahlt. Nicht zuletzt, einen Arbeitstag zu verinnerlichen – und durchzuhalten. Abbrecher, so Buchholz und Walter, seien die Ausnahme. Unterfüttert werden Praxis-Kenntnisse mit Seminaren zu vielerlei Themen, zum Beispiel Ernährung oder der Umgang mit Trauernden. Bei der Caritas bekommen Bufdis bei einer 39,5-Stunden-Woche 410 Euro, beim DRK sind’s 480 Euro für eine 40-Stunden-Woche – bei beiden Anbietern gibt’s Schichtdienst.
Junge Menschen profitieren von ihrer Bufdi-Zeit, indem sie ihr erworbenes Wissen für eine anschließende Ausbildung oder ein Studium einsetzen. Walter: „Viele, darunter auch junge Frauen, nutzen ihr Engagement als Sprungbrett, um beispielsweise Notfallsanitäter zu werden.“ Beim DRK können sich die Freiwilligen Grundkenntnisse aneignen, die später nützlich sind. Noch ein Pluspunkt für dieses Engagement.