Gladbeck. Marcus Jacobi, Feuerwehrmann aus Gladbeck, war als Zugführer im überfluteten Wuppertal im Einsatz. Das erlebte der 52-Jährige im Krisengebiet.

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Dieser Eindruck hat sich unwiderruflich ins Gedächtnis eingegraben: die Gewalt eines Flusses, wenn er aus seinem Bett tritt und vollkommen entfesselt alles mit sich reißt. Marcus Jacobi hat es an vorderster Front im Hochwasser-Katastrophengebiet erlebt. Der Feuerwehrmann war aus Gladbeck zu Hilfe ins überflutete Wuppertal geeilt. Ein zentraler Satz im Bericht des 52-Jährigen: „Die Wucht des Wassers war erheblich!“

Solche Stunden wie an diesem Donnerstag hat Jacobi auch noch nicht erlebt. Dabei hat der stellvertretende Wehrleiter in seinen 36 Jahren bei der Feuerwehr schon so einiges gesehen, auch Hochwasser.

Der Feuerwehrmann aus Gladbeck war auch in den Hochwasser-Gebieten Magdeburg und Münster im Einsatz

Er blickt zurück und sagt: „Ich war damals in Magdeburg, auch in Münster.“ Das Pfingst-Unwetter Ela, das im Jahre 2014 verheerende Verwüstungen übers Land brachte, bleibt ebenfalls in Erinnerung. Aber das lässt sich kaum mit dem Sturmtief Bernd vergleichen. Bei Ela stürzten Bäume um, die Einsatzkräfte aus dem Weg räumten, berichtet Gladbecks Feuerwehr-Chef Thorsten Koryttko. Aber: „Wasser ist dynamisch.“ Jacobi bestätigt: „Wir wurden ständig von der Wuppertaler Leitstelle informiert, dass der Wasserpegel weiter steigt.“

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Feuerwehrmann Marcus Jakobi und sein Team pumpten in Wuppertal an der vollgelaufenen Uni und brachten Menschen aus Wohnhäusern in Sicherheit.
Feuerwehrmann Marcus Jakobi und sein Team pumpten in Wuppertal an der vollgelaufenen Uni und brachten Menschen aus Wohnhäusern in Sicherheit. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Geschockt habe ihn, so der 52-Jährige, dass zwei Kameraden im Einsatz in den Hochwasser-Gebieten gestorben sind. Die Unglücks-Nachrichten verbreiteten sich rasend schnell unter den Wehrleuten: „Wir sind gut vernetzt.“ Zumal zur Mannschaft aus Altena, wo ein Feuerwehrmann in den Fluten umkam, eine lockere Verbindung bestehe. „Die Kollegen haben den Löschzug Brauck, in dem ich auch aktiv bin, einmal besucht“, so Jacobi. Er sagt mit Nachdruck: „Das höchste Gut ist der Schutz der eigenen Leute.“ Und: „Eigenschutz geht vor!“

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Als Zugführer war er in Wuppertal verantwortlich für 22 Einsatzkräfte, darunter waren zwei Frauen. Und sein 28-jähriger Sohn Steven. Marcus Jacobi erzählt: „Die Kreisleitstelle hat uns an diesem Donnerstag um 4.23 Uhr alarmiert, um 5 Uhr kam der Anruf von der Feuerwehr Gladbeck, um 6 Uhr haben wir uns in Recklinghausen gesammelt. Von da aus ging es mit 150 bis 160 Leuten in die Einsatzgebiete. Herten war beispielsweise mit 25 Kollegen dabei.“ Zum Großteil, erläutert der Stadtbrandinspektor, handelt es sich bei dem Hilfskontingent um Ehrenamtliche.

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In die Kolonne reihten sich aus Gladbeck ein: jeweils ein Lösch- und Transportfahrzeug sowie ein Mannschaftswagen. Nicht zu vergessen der Einsatzleitwagen – als Zentrale auf Rädern das Verbindungsstück zum Team vor Ort. An Bord befinden sich Funk, Internet, Fax, Lautsprecher, Computer-Programme und das Einsatz-Tagebuch. In diesem Wagen sitzt ein Führungsassistent. Bei diesem werden Nachrichten gebündelt, laufen alle Fäden zusammen. Koryttko führt aus: „Über ihn werden beispielsweise Nachforderungen gestellt.“ Der Feuerwehr-Chef ergänzt: „Ein Vorauskommando fährt los und guckt, ob die Wege zum Einsatzort frei sind.“ Jacobi fügt hinzu: „In Wuppertal hat uns die Polizei geleitet.“

Der Einsatzleitwagen ist eine Zentrale auf Rädern mit Funk, Internet und Computer. Ein Führungsassistent hält den Kontakt zu Einsatzleitern wie Marcus Jacobi.
Der Einsatzleitwagen ist eine Zentrale auf Rädern mit Funk, Internet und Computer. Ein Führungsassistent hält den Kontakt zu Einsatzleitern wie Marcus Jacobi. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Was die Truppe um den 52-Jährigen in Wuppertal erwartete, wusste die Unterstützung aus Gladbeck nicht. Die Wehrleute erblickten in der Schwebebahn-Stadt Szenen, die wohl die schlimmsten Erwartungen der meisten übertrafen: Häuser versinken in schlammigem Wasser, Straßen werden zu reißenden Sturzfluten, dazwischen Menschen, die sich zu retten versuchen.

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Menschen mussten mit einem Boot der DLRG in Sicherheit gebracht werden

Jacobi schildert: „Wir haben ein Haus mit 14 Menschen evakuiert. Bei einem Gebäude mussten wir die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Anmerk. der Red.) mit Booten anfordern, um zwei Erwachsene und sechs Kinder in Sicherheit zu bringen.“ In engem Kontakt habe er mit dem Hausmeister der Universität gestanden. „Mit fünf Pumpen haben wir dort 5000 Kubikliter pro Minute herausgeholt. Die Uni war vollgelaufen“, schildert Jacobi. Eine gewaltige Menge, erst recht, wenn man Koryttkos Vergleich heranzieht: „Eine handelsübliche Pumpe schafft 400 bis 800 Kubikliter in der Minute.“

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Struktur in der Bereitschaft

Auch wenn viele Kräfte durch eine so genannte Lage gebunden sind, „muss die Leistungsfähigkeit vor Ort erhalten bleiben“, sagt Gladbecks Feuerwehr-Chef Thorsten Koryttko. Als vor kurzem ein Mann drohte, sich vom Hochhaus Steinstraße zu stürzen, waren Wehrleute über Stunden vor Ort. Sicherheitshalber wurde in dieser Zeit die Freiwillige Feuerwehr alarmiert, um den Grundschutz zu gewährleisten.

Zum Katastrophenschutz, wie es bei der derzeitigen Hochwasser-Situation der Fall ist, wurde im Regierungsbezirk Münster eine überörtliche Hilfe installiert. Sie umfasst gut 700 Feuerwehrleute mit ungefähr 150 Fahrzeugen.

Das Zuständigkeitsgebiet im hiesigen Regierungsbezirk ist in mehrere Bereiche aufgeteilt. Oberbrandrat Koryttko zählt auf: „Wir haben Recklinghausen, Borken mit Bottrop, Steinfurt, Coesfeld mit der Stadt Gelsenkirchen und Münster mit Warendorf.“ Für die Bereitschaft Recklinghausen stehen „120 bis 140 Personen und 27 Fahrzeuge zur Verfügung“.

Aber noch etwas dürfte Jacobi, der im zivilen Leben als Chemikant bei der BP in Scholven tätig ist, in Erinnerung bleiben: die Reaktionen der Hochwasser-Opfer. „Ganz viele haben ,danke’ gesagt, einige haben geweint“, berichtet der Gladbecker, „die Wuppertaler Tafel hat Stullen geschmiert.“ Eigentlich „haben wir die ganze Zeit durchgearbeitet“, nach 24 Stunden traten Jacobi und sein Team den Heimweg an. Koryttko: „Jetzt ist in den Krisengebieten schweres Gerät gefragt. Das Technische Hilfswerk hat, im Gegensatz zu uns, Radlager und Bagger.“ Gegenwärtig seien keine Kräfte aus Gladbeck in den Hochwasser-Regionen im Einsatz.

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Meteorologen sagen für das Wochenende und die kommenden Tage erneut Gewitter und Starkregen voraus. Koryttko betont: „Wenn wir gebraucht werden: Wir sind immer vorbereitet und einsatzbereit.“

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