Duisburg. Studentin Mira Heiligenhaus (24) zog während Corona nach Duisburg. Trotz vieler Herausforderungen ist sie dennoch sehr froh in ihrer Wahlheimat.
Duisburg sollte für Mira Heiligenhaus ein Abenteuer werden, die bisher beste Zeit in ihrem Leben. Dann kam die Pandemie und plötzlich lief nichts mehr wie geplant, geschweige denn wie erhofft. Dennoch möchte die 24-Jährige das vergangene Dreivierteljahr nicht missen: eine neue Stadt, eine neue Universität, neue Freunde, neue Erlebnisse – all das hat die Maschinenbaustudentin auch im Corona-Jahr. Ihre Wahlheimat kennen zu lernen, erschweren zwar das Virus und aktuell der Lockdown immens. Doch Mira Heiligenhaus lässt sich davon nicht unterkriegen.
Dabei war es tatsächlich Zufall, dass die Kölnerin nach ihrem Bachelor im März nach Duisburg kam. Denn beworben hatte sie sich für Masterstudiengänge an mehreren Universitäten, darunter in Berlin und Aachen. Doch die hiesige Uni reagierte besonders schnell und schickte als erste eine Zusage. „Das war super“, erinnert sie sich an das Schreiben. So konnte sie nämlich vom nahen Heiligenhaus, wo sie bislang an einer Dependance der Hochschule Bochum studiert hatte, nahtlos ins Ruhrgebiet umziehen.
Außerdem konnte die Mittelfeldspielerin ihrem Fußballverein treu bleiben, der SSVg Heiligenhaus. „Das Beste an Heiligenhaus ist unsere Damenmannschaft“, sagte sie vor ihrem Umzug – und als Wahl-Duisburgerin konnte sie mit ihren Teamkameradinnen weitertrainieren und bei den Bezirksligaspielen antreten. Das bedeutete ihr viel, und ihre Vorfreude auf Duisburg wuchs und wuchs. Umso mehr, seitdem sie in Neudorf eine Dreier-WG gefunden hatte, in einem schönen Altbau mit Balkon.
Die vielen Vorurteile gegen Duisburg schrecken die junge Studentin nicht ab
„Wenn man über Duisburg redet, denken viele sofort an Marxloh und andere soziale Brennpunkte“, weiß sie, hat sich von „den vielen Vorurteilen“ jedoch nicht abschrecken lassen und könnte mit ihrer Entscheidung nicht glücklicher sein. „Ich bin überrascht, wie schön und grün Duisburg ist. Ich liebe den Wald“, schwärmt die junge Studentin.
Allerdings ist nicht alles so, wie sie es sich ausgemalt hatte. „Ich hatte mir ein richtiges Studentenleben erhofft.“ Das fehlte ihr während ihres Bachelorstudiums, da sie neun Semester lang dual studierte und für ein Unternehmen in Velbert arbeitete. Zudem wohnten im kleinen Heiligenhaus nicht viele Studenten. „Von der Kneipenkultur hier habe ich schon viel Gutes gehört“, lobt sie. Doch rauschende Partys hat sie selbst noch nicht erlebt.
Kommilitonen kennen sich größtenteils nur aus dem Internet
Wegen Corona fiel nicht nur die studentische Orientierungswoche mit Kneipentouren aus, bis heute kennt sie nicht einmal einen Großteil ihrer Kommilitonen persönlich, sondern nur aus dem Internet. „Kommilitonen kennen zu lernen, ist schwierig.“ Schüchtern ist die junge Frau aber nicht und schreibt daher andere Studenten kurzerhand an, wenn es um Lerngruppen für Klausuren oder um Hausarbeiten geht.
Das Studium in der Großstadt empfindet sie nicht nur wegen Corona als eine ziemliche Umstellung zu ihrer Zeit am familiären Campus in Heiligenhaus. Dort kannte sie, allein ihres Nachnamens wegen, sofort alle Professoren und Mitstudenten.
Diesmal half ihr beim Studieneinstieg ihr Name offensichtlich nicht. Dafür aber ihre Mitbewohner, die sich bereits gut auskennen. Die Uni hat die 24-Jährige jedoch bislang kaum betreten, weil die Vorlesungen und Seminare seit Semesterbeginn online laufen. Diese verfolgt sie zuhause in der Neudorfer WG. Außerdem schrieb sie bisher nur eine von acht Klausuren in der Universität, die übrigen in Dinslaken und Oberhausen.
Trotz Corona: ein kleiner Vorgeschmack auf ein großartiges Studentenleben
Wie ein großartiges Studentenleben aussehen kann, davon hat Mira Heiligenhaus zumindest nach dem ersten Lockdown einen Vorgeschmack bekommen. So freute sie sich sehr, dass in ihrer Nachbarschaft die Kneipe Fährmann wiedereröffnete. Dort haben Freunde ihr das Trinkspiel Schocken beigebracht. „Das ist aber nicht ausgeartet“, beteuert sie und und lacht. Schätzen gelernt hat sie auch den Innenhafen, wo sie anfangs gerne Restaurants besuchte und auch Verwandte ausführte.
Großartig findet sie aber die Sechs-Seen-Platte und denkt gerne an Badespaß am Wolfssee zurück. Ohnehin treibt sie, seitdem sie in Neudorf lebt, viel Sport. „Ich bin jetzt überwiegend draußen“, sagt die junge Frau. Ob täglich beim Joggen an der Universität vorbei („die ist fast verwaist“) oder im Landschaftspark vor Industriekulisse. An der Regattabahn, einem weiteren Lieblingsort, schätzt sie besonders, dass die Laufstrecke abends beleuchtet ist, und beim Rehasport in Ruhrort kuriert sie erfolgreich eine alte Rückenverletzung aus.
Viel Sport im Freien: größere Ausdauer und wachsende Muckis
Richtig fit ist sie in ihrer Wahlheimat geworden und hat sich sogar in ihrem Fußballverein einen Stammplatz erkämpft. Den will sie trotz Lockdown, der weder Training noch Ligaspiele erlaubt, nicht gefährden und schnürt daher eifrig ihre Laufschuhe. „Duisburg braucht mehr Sportparks, gerade in der Corona-Zeit“, findet die Fußballerin, denn sie beobachte aktuell viele Leute, die wie sie selbst, im Freien Fitness machen und neben Ausdauer auch die Muckis wachsen lassen wollen.
In ihrer neuen Heimat ist sie, alles in allem, sehr zufrieden. Auch wenn sie wegen Corona vieles noch nicht kennenlernen konnte. So würde sie gerne mal den Zoo besuchen und den MSV Duisburg im Stadion beim Heimsieg bejubeln. „Ich bin froh, dass ich im Corona-Jahr in Duisburg bin und nicht in Berlin.“ Denn die Nähe zur ihrer Mannschaft und zur Familie hätten ihr in der Corona-Krise durchaus geholfen. „Ich habe das Beste aus der Situation gemacht.“ So kann sie selbst der Absage ihres geliebten Karnevals noch etwas abgewinnen. „Das passt mir ganz gut, dann sind meine Klausuren.“
Ungerechte Ruhrgebietsklischees haben keine Chance mehr
Zu einer Lokalpatriotin ist sie indes noch nicht geworden, weiß aber von vielen Studenten, die nach dem Abschluss gerne in der Stadt bleiben. „Noch gibt’s nichts, das mich in Duisburg hält“, sagt die angehende Maschinenbauerin. Immerhin: Ungerechte Ruhrgebietsklischees will sie nicht länger unausgesprochen stehen lassen. „Wer Vorurteile gegen Duisburg hat, der soll mich einfach besuchen“, sagt Mira Heiligenhaus und lächelt fröhlich. „Dann zeige ich ihm hier die vielen schönen Orte.“
>> DUISBURG IST EINE FAHRRADSTADT
Positiv überrascht ist Mira Heiligenhaus von Duisburg auch wegen der vielen Fahrradampeln und der „sehr gut ausgebauten Radwege“. „Ich brauche kein Auto in Duisburg“, freut sie sich und nutzt auch gerne die Leihräder von Metropolrad Ruhr.
Dagegen geradezu unschön findet die 24-Jährige die Innenstadt. „Da sind viele verruchte Leute, da möchte ich nicht abends alleine rumlaufen.“