Duisburg. Die Erstsemesterwoche gehört zum Studienstart dazu. Der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften verzichtet dabei auf entwürdigende Kennenlernspiele.
Für die einen beginnen bald die Herbstferien, für die anderen geht der Stress gerade wieder los: In diesen Tagen starten die Vorlesungen an der Universität Duisburg, wie immer mit der Orientierungswoche für die Erstsemester: Auf dem Programm stehen in den meisten Studiengängen neben einer ersten Auseinandersetzung mit den Studieninhalten eine Kneipentour, die Campus-Rallye und das gegenseitige Kennenlernen. Ein Ritual der organisierenden Fachschaften, meist verbunden mit einer Menge Alkohol und entwürdigenden Spielen. Doch dem schiebt der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften, der die Orientierungswoche gestaltet, in diesem Jahr einen Riegel vor.
Bei der Campus-Rallye ziehen die Erstsemester in Gruppen über das Universitätsgelände und lernen die Lokalitäten der Mensa, des Audimax’ und der Bibliothek kennen. Vor jeder Station gibt es ein Spiel, für das die Gruppe auf einem Laufzettel Punkte bekommt. In den vergangenen Jahren waren die Spiele jedoch nicht nur mit dem obligatorischen Konsum von Alkohol verbunden, sondern griffen teils in die Privatsphäre der Teilnehmenden ein.
Bei einer Station musste sich in den Vorjahren eine junge Frau oder ein junger Mann einen Tampon umbinden und in eine stehende Flasche stecken. Dies funktionierte aber erst, wenn man sich so hinhockt, als würde man sich tatsächlich einen Tampon in die Vagina einführen. Mit der Flasche um die Hüfte muss der- oder diejenige dann einen Parcours ablaufen.
Kennenlernspiele: Viel nackte Haut bei der Kleiderkette
Ein anderes Beispiel ist die Kleiderkette: Eine Fünfergruppe musste sich dabei ihrer Klamotten entledigen und diese in einer Reihe auf den Boden legen. Sich völlig zu entblößen war dabei nicht vorgeschrieben, brachte jedoch einen Vorteil, da die Gruppe mit der längsten Kette das Spiel gewann. Die Regeln des Fachschaftsrats sahen dabei vor, dass auch eine bestimmte Anzahl weiblicher Erstsemester teilnehmen und sich vor fremden Leuten ausziehen musste.
Oft kam es vor, dass Erstsemester von Vertretenden des Fachschaftsrats oder anderen Erstsemestern zum Mitmachen gedrängt wurden. Der Fremdschäm-Faktor bei all diesen Spielen war auch für Zuschauer extrem hoch. Dazu wurde das Geschehen ständig mit Handykameras dokumentiert.
Fachschaftsrat und AStA setzen sich gegen Sexismus ein – eigentlich
Die Kennenlernspiele sind zum Wintersemester 2019/2020 deutlich harmloser: Die Studierenden messen sich im Flaschenkegeln, Dreibeinlauf oder Lieder gurgeln. Während der Tour einen ganzen Kasten Bier leer zu trinken, ist keine Pflicht mehr, ebenso muss nicht an jeder Station ein zusätzliches Bier getrunken werden.
So passt die Orientierungswoche besser zu den allgemeinen Vorstellungen des Fachschaftsrats, der sich für Gleichstellung und gegen Sexismus einsetzen. Studierende, die in den Vorjahren an den Kennenlernspielen teilnahmen, konnten dabei Zweifel an diesen Wertvorstellungen bekommen. Immerhin war bei den Partys und anderen Veranstaltungen schon vorher ein sogenanntes Awareness-Team präsent, an das sich alle Personen wenden können, die sich belästigt oder unwohl fühlen. Dass die bisherige Praxis während der Orientierungswoche dieser Einstellung widerspricht, hat auch der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften erkannt.
Keinen harten Alkohol mehr während der Erstsemesterwoche
Der Fachschaftsrat teilt dazu auf Anfrage mit: „Wir haben uns schon vor einiger Zeit dafür entschieden, die meisten der alten Spiele aus der Rallye zu streichen. Dies geschah mit dem Fokus, dass diese nicht diskriminierend oder sexistisch sein sollen oder in irgendeiner Form die persönliche Wohlfühlzone der Erstis und aller anderen Anwesenden überschreiten.“ Das Konzept werde jährlich überarbeitet. Außerdem wolle man während der gesamten Einführungswoche keinen harten Alkohol mehr ausschenken.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) ist zwar unabhängig von den Fachschaften und deren Organisation, steht mit diesen aber in regelmäßigem Austausch. „Bisher wurden keine Beschwerden von Erstsemestern über die O-Wochen-Spiele an den AStA herangetragen, was natürlich nicht bedeutet, dass es in der Vergangenheit nicht zu solchen Vorfällen gekommen ist“, sagen Aylin Kilic und Carlotta Kühnemann, die beiden Vorsitzenden des AStA. „Wir sind uns allerdings über die Problematik der Spiele bewusst und auch viele Fachschaften verzichten deswegen auf solche Spiele. Spiele, in denen Studierende zu etwas gedrängt werden oder in denen sie in unangenehme Situationen gebracht werden, finden wir inakzeptabel.“