Bochum. . Im Mordprozess gegen eine Bochumer Artheflerin (32) hat Staatsanwalt Michael Nogaj lebenslange Haft gefordert. Er ist überzeugt, dass die Frau ihren Liebhaber mit Morphium und Messerstichen ermordet habe, um zu vertuschen, dass er der Vater ihres Kindes sei.
Der Strafantrag von Staatsanwalt Michael Nogaj war nach der dreimonatigen Beweisaufnahme keine Überraschung mehr - lebenslange Haft wegen heimtückischen Mordes. Die Angeklagte (32), eine Arzthelferin, die in der Praxis ihres Mannes, ein niedergelassener Arzt, arbeitete, nahm das Plädoyer äußerlich fast regungslos hin. Als dann aber die Anwälte der Hinterbliebenen plädierten und ihr ein nachgerade vernichtendes menschliches Zeugnis ausstellten, sackte ihr ohnehin gebeugter Kopf immer weiter in Schräglage. Später ließ sie sich im Saal von einer Seelsorgerin der JVA trösten.
Ankläger Nogaj ist überzeugt, dass die 32-Jährige ihren Liebhaber, einen Börsenmakler (36), am Abend des 2. September 2011 in seiner Wohnung in Bochum-Ehrenfeld umgebracht hat. Mit hoher Anschaulichkeit erzählte er, wie die beiden Ende 2009 ein Liebespaar wurden, wie er, der Banker, von ihrem Charme elektrisiert wurde („Sie war die Frau seines Lebens“), aber auch sie selbst sich in ihn verliebte und dies trotz hohen Entdeckungsrisikos auch offen auslebte. Er erzählte, dass die zwei ein Jahr später ein Kind zeugten und dass der Liebhaber die Arztgattin dazu bringen wollte, ihren Ehemann zu verlassen und zu ihm zu ziehen. Er schilderte ihre List und Lügen, mit denen sie ihn immer wieder hinhielt. Und auch ihren wachsenden Konflikt, den der Liebhaber durch seine Forderung nach einem Vaterschaftstest ausgelöst hatte. Die Frau fürchtete, so Nogaj, „dass er ihre Ehe in Gefahr bringen“ würde. „Sie stand unter Druck. Und der wuchs, je näher die Geburt rückte“, sagte Nogaj.
Überdosis Morphium in die Ellbeuge gespritzt
Zehn Tage nach der Niederkunft ihres Sohnes fuhr sie in die Wohnung des Bankers. Per SMS hatte sie sich angekündigt: „Habe eine Überraschung für dich. Bin unterwegs“, schrieb der „Sonnenschein“, wie er sie nannte. Nogaj ist sicher, dass sie da schon den Entschluss gefasst habe, ihn zu töten.
Zu Hause hatte sie einen Giftcocktail gemixt mit einer Überdosis Morphium und Bromazepam. Mit Hilfe eines Amaretto-Kakaos schmuggelte sie das Gift in seinen Magen. Als er auf seinem Bett in die Bewusstlosigkeit gesunken war, spritzte sie ihm noch weiteres Morphium in die Ellbeuge, „um ihren Plan, ihn tödlich zu vergiften, weiter voranzutreiben“, wie Nogaj sagte. Weil sein Puls aber immer noch geschlagen habe, habe sie aus der Küche ein Käsemesser geholt - und 14 Mal zugestochen, darunter zwei Mal ins Herz. Als Grund für diese weitere Eskalation nannte Nogaj entweder Ungeduld, weil zu Hause ihr Ehemann gewartet habe, oder plötzliche Zweifel an der tödlichen Wirkung des Giftes.
Geplantes Vorgehen
Nachher habe sie die Tatmittel (unter anderem Einweghandschuhe), seinen Laptop (mit massenhaft Liebes-SMS) und sein Handy eingepackt, habe ihrem Ehemann gesimst, dass sie gleich komme - und sei dann heimgefahren. Unterwegs habe sie den PC samt Handy in einem unbekannten Müllcontainer beseitigt. Die Angeklagte schwieg bisher im ganzen Prozess. Bei der Kripo hatte sie erklärt, dass sie den Banker das Wochenende über nur in Schlaf habe versetzen wollen, um etwas Ruhe zu gewinnen - zugestochen habe sie dann im Affekt. Aber das glaubt der Staatsanwalt nicht. Ein „komplikationsloses Durchschlafen“ sei auszuschließen, denn allein das Gift hätte zum Tode führen können - „und das war ihr von vornherein klar“.
“Unglaubliche Kaltblütigkeit - man muss schaudern“
Reinhard Peters, Anwalt der Eltern des Opfers, attestierte der Angeklagten eine „unglaubliche Kaltblütigkeit“. Als eines von vielen Beispielen nannte er jene SMS („Habe eine Überraschung“). „Und was für eine Überraschung!“, sagte der Anwalt. „Längst hatte sie den Giftbecher vorbereitet.“ Sie habe alles „eiskalt geplant“. „Man muss schaudern.“
Peters sieht das Tatmotiv auch in ihrem Status als Ehefrau eines Arztes. „Mit der Tötung wollte sie ihr persönliches Ansehen und ihren persönlichen Standard retten.“ Außerdem erinnerte er daran, dass sie den Vater ihres eigenen Kindes umgebracht habe. Er kreidete ihr an, dass sie sich bis heute nicht ein einziges Mal bei den Hinterbliebenen für das Verbrechen entschuldigt, dafür aber „Selbstmitleid“ gezeigt habe. Der Anwalt sieht auch „eine besondere Schwere der Schuld“: Dann wäre eine Haftprüfung nach 15 Jahren ausgeschlossen.
Am Freitag plädiert der Verteidiger. Das Urteil folgt voraussichtlich am 30. Mai.