Bochum. . Im Prozess gegen die Arztgattin (32), die ihren Liebhaber mit Morphium aus der Praxis ihres Ehemannes betäubt und dann ermordet haben soll, hatten am Freitag die Gutachter das Wort. Die Leiche steckte voller Beruhigungs- und Schmerzmittel und hatte bis zu 16 Zentimeter tiefe Messerstiche im Herz.

Der Börsenmakler hatte keine Chance. Bevor der 36-Jährige in seinem Schlafzimmer mit 14 Messerstichen getötet wurde, war er mit gewaltigen Mengen Schmerz- und Beruhigungsmitteln vergiftet und in tiefe Bewusstlosigkeit gestürzt worden. Der siebte Tag im Mordprozess gegen die Ehefrau (32) eines Arztes gehörte am Freitag den Gutachtern. Und was sie berichteten, hat die Angeklagte, die mit dem Banker eine Affäre gehabt hatte, stark belastet. Denn die Gutachten spielen eine enorme Rolle bei der Frage, ob es, wie angeklagt, heimtückischer Mord war oder Totschlag im Affekt.

Mit schauriger Deutlichkeit im Detail schilderte Rechtsmediziner Dr. Andreas Freislederer (54) die meist tiefen Stichverletzungen. Zweimal drang das Käsemesser ins Herz, einmal 16 Zentimeter tief. Ein Stich ging in die Leber. „Mit großer Wucht“ seien sie gesetzt worden, sagt der Gutachter. Das Opfer sei „nicht mehr in der Lage“ gewesen, „zu reagieren“. Dabei habe es noch gelebt, das Herz noch gepocht.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so eine Intoxikation überleben kann“

Todesursache, sagte der Obduzent, sei „Verbluten nach innen und außen“. Also die Messerstiche. Allerdings war das Opfer bereits vorher mit Bromazepam und Morphium so schwer betäubt worden, dass Freislederer auch dazu sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so eine Intoxikation überleben kann.“ Zumal der Banker am Tatabend auch noch leicht alkoholisiert war.

Rechtsmedizinerin Dr. Uta Küpper (33) führte dies in einem forensisch-toxikologischen Gutachten näher aus. Sie fand im Körper des Getöteten eine fast 20-fache und damit hochtoxische Überdosierung von Bromazepam. Acht bis zehn Tabletten muss ihm die Angeklagte in einen Amaretto-Kakao geschmuggelt haben, als sie ihn am Freitagabend, dem 2. September, in seiner Wohnung im Ehrenfeld zu einer Aussprache aufgesucht hatte. Angeblich wollte sie über den Vaterschaftstest reden, den er machen wollte, weil er sich für den Vater ihres erst zehn Tage zuvor geborenen Jungen hielt. Die Anklage geht davon aus, dass sie ihn endgültig zum Schweigen bringen wollte, damit ihre Affäre nicht auffliegt.

Arznei-Cocktail war „potenziell letal“

Doch als der Mann - tatsächlich der Vater des Säuglings, wie sich später herausstellte - mit dem Bromazepam in den Adern immer schwächer wurde, soll sie ihm noch mehrere Ampullen Morphium in die Ellbeuge injiziert haben - auch dies eine enorme Überdosis. Zusätzlich wurde dem Mann auch oral Morphium verabreicht. Die Gutachterin spricht von einer Menge, die allein für sich schon „äußerst kritisch“ sei - zusammen mit dem Bromazepam aber sei „potenziell letal“. Auch ohne die Stiche hätte sie das Opfer töten können.

Der 36-Jährige habe ja nicht geschlafen, sondern sei bewusstlos gewesen. Er hätte zum Beispiel ersticken können. Die Leiche wies auch eine schwere Gehirnschwellung auf: eine Reaktion auf das Gift.

Die Medizin soll sich die Arztgattin zuvor in der Praxis ihres Mannes besorgt und zu Hause vorbereitet haben.

Angeklagte will im Affekt zugestochen haben

Mit zumeist gesenktem Kopf, oft ein Taschentuch an die Augen tupfend, verfolgt sie den Prozess. Dort macht sie weiterhin vom Schweigerecht Gebrauch. Bei der Polizei hatte sie freilich erklärt, dass sie den Mann mit dem Arznei-Cocktail nur über das Wochenende habe ruhig stellen wollen. Ab Montag sei er dann ja wieder an der Börse in Frankfurt. Die Stiche will sie nur im Affekt gesetzt haben.

Eine anfänglich reine Betäubungsabsicht scheint ihr der Staatsanwalt aber nicht zu glauben. Schließlich ist sie gelernte Krankenschwester und arbeitete in der Praxis als Arzthelferin mit.

Erklärung der Angeklagten über ihren Verteidier

Verteidiger Egbert Schenkel hat am Freitag dem Gericht eine Erklärung der Angeklagten überreicht. Darin weist die Frau darauf hin, dass sie nach der Geburt und bis kurz über die Tatzeit hinaus ein Abstillmittel eingenommen habe. Damit wollte sie möglicherweise eine Beeinflussung ihrer Psyche zur Tatzeit in den Raum stellen.
Eine Bewertung darüber könnte ein im ganzen Prozess anwesender psychiatrischer Gutachter abgeben. Er wird sich zur Schuldfähigkeit der Angeklagten äußern. Das Gleiche gilt für einen psychologischen Gutachter, der die ganze Zeit neben ihm sitzt.
Der Prozess wird am 27. April fortgesetzt.