Bochum. . Liebe und Verrat, Geburt und Tod, Angst und Begierde - das sind die großen Themen der klassischen Literatur. Es sind aber auch die Zutaten eines spektakulären Mordprozesses, der am Montag vor dem Bochumer Schwurgericht begann.
Angeklagt wegen Mordes ist eine 32-jährige Ehefrau eines niedergelassenen Arztes (41) aus Bochum. Heimlich hatte sie eine verhängnisvolle Affäre mit einem Börsenmakler (36). Als sie im August 2011 ein Baby zur Welt gebracht hatte, drehte sie durch. Obwohl sie die Beziehung längst beendet hatte, soll sie panische Angst gehabt haben, dass das außereheliche Abenteuer in der Arztfamilie auffliegt. „Er drohte damit, die Geschichte öffentlich zu machen“, sollte sie später bei der Kripo sagen. Als der Banker am 2. September 2011 das Fußballspiel Deutschland gegen Österreich schauen wollte und bereits das National-Trikot übergestreift hatte, betäubte sie ihn in seiner Wohnung in Bochum mit einem Kakao mit Amaretto, in den sie zuvor das Beruhigungsmittel Bromazepam geschmuggelt hatte, und mit einer sattsam gefüllten Morphiumspritze, die sie in die rechte Ellenbeuge setzte.
Als ihr Geliebter längst bewusstlos auf seinem Bett lag, soll sie aus seiner Küche ein Käsemesser geholt und es ihm 14 Mal in den Oberkörper gestoßen haben, davon zweimal ins Herz. Ein Vaterschaftstest ergab später: Der Getötete ist der Vater des Säuglings.
Der Sitzungssaal ist voll besetzt. Für den großen Publikumsandrang hatte das Gericht extra Platzkarten vergeben. Eine Arztgattin, die ihren Geliebten und zugleich Vater ihres erst zwei Wochen alten Sohnes tötet - das ist Stoff für einen großen Kriminalfall. Im Sitzungssaal erscheint die Frau mit schwarzer Sonnenbrille und schwarzer Wollmütze. Niemand soll ihr ganzes Gesicht sehen. Als die vielen Medienkameras vor ihr loszucken, sitzt sie wie eine Büßerin da: Kopf nach unten gebeugt, die Hände verkrampft auf dem Schoß gefaltet und alles reglos und schweigend über sich ergehen lassend.
Anklage geht von heimtückischem Mord aus
An jenem Freitagabend allerdings, dem Tattag, soll sie eine eiskalte Mörderin gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie bereits zu Hause einen potenziell tödlichen Giftcocktail mit dem Amaretto-Kakao, dem Bromazepam und dem Morphium vorbereitet hatte und auch entschlossen war, ihren Liebhaber zu töten. Die Medizin soll sie sich in der Praxis ihres Ehemannes besorgt haben, wo sie als Arzthelferin arbeitete. Sogar Einweghandschuhe hatte sie zum Tatort mitgebracht.
Bei der Kripo hatte sie bereits zugegeben, für den gewaltsamen Tod des Bankers verantwortlich zu sein. Von heimtückischem Mord will sie allerdings nichts wissen. Ihre Darstellung läuft auf einen Totschlag im Affekt hinaus. Sie habe ihren Geliebten nur betäuben wollen, damit er über das Wochenende schlafe und sie in Ruhe lasse, bis er die ganze Woche über wieder an der Börse in Frankfurt sei. Er habe ständig auf einen Vaterschaftstest gedrängt. Es drohte ein Skandal in ihrer Familie, in der sie, wie sie der Kripo einmal sagte, „immer einen schweren Stand“ gehabt habe. Sie habe „immer das Gefühl“ gehabt, „nicht standesgemäß“ zu sein.
Als ihr Liebhaber am Tatabend auf sein Bett in die Bewusstlosigkeit stürzte, war die untreue Arztgattin aber trotzdem nicht zufrieden. „Ich habe erkannt, dass alles irgendwie nur ein Aufschieben ist.“ Sie holte sich, wie sie zugab, ein Käsemesser aus der Küche des Bankers und stach zu. Sie sei „so wütend“ gewesen.
Angeklagte rauchte nach der Tat Marihuana
Vom Tatort nahm sie Beweismittel mit: etwa ein Handy mit belastenden SMS. Das soll sie unterwegs weggeworfen haben. Als sie zu Hause eingetroffen sei, habe ihr argloser Ehemann Fußball geguckt - und sie selbst erstmal einen Joint geraucht.
Entdeckt wurde das Verbrechen nur durch eine Obduktion. Am Morgen nach der Tat wurde die Leiche im Bett mit schweren Brandverletzungen gefunden. Es hatte dort einen Schwelbrand gegeben. Die Polizei ging erst davon aus, dass der Mann im Bett mit brennender Zigarette eingeschlafen sei. In der Rechtsmedizin wurden dann die Stiche entdeckt. Am selben Tag wurde die 32-Jährige zu Hause festgenommen.
Zum Prozessauftakt schwieg die Angeklagte. Ihr Sohn, sechs Monate jung, wird ihr regelmäßig ins Frauengefängnis Gelsenkirchen gebracht. Der Kleine lebt jetzt in der Familie ihres Ehemannes. Prozessfortsetzung ist am28. Februar.