Bochum. . Am vierten Sitzungstag im Mordprozess gegen eine Bochumer Arztgattin sagten am Freitag Angehörige des Opfers aus. „Ich hasse sie nicht, ich verachte sie nur“, sagte die Mutter (72) des getöteten Börsenmaklers.
Im großen Schwurgerichtssaal herrschte absolute Stille, als die 72-jährige Mutter zum Tode ihres geliebten Sohnes (36) befragt wurde. „Es ist ganz schlimm, wenn man von seinem Kind nicht Abschied nehmen kann.“ Ihr Sohn sei „auf so grausige Art“ umgekommen.
Wenige Meter neben der Zeugin sitzt die Angeklagte (32). Die Frau, die mit dem 36-Jährigen, einem Börsenhändler, ein Verhältnis gehabt und ein Baby gezeugt hatte. Die Frau, die den Sohn der Zeugin am 2. September mit Tabletten und Morphium aus der Arztpraxis ihres Ehemannes (41) betäubt und dann mit 14 Messerstichen ermordet haben soll. Niemand sollte angeblich erfahren, dass er der wahre Vater des Babys ist.
Bis heute hat die 72-Jährige von der Angeklagten kein einziges Zeichen des Bedauerns erhalten. „Gar nichts“, sagte sie. „Ich meine, da hätte irgendein Beileidsgruß kommen können.“ Auf richterliche Nachfrage erklärte die Zeugin: „Ich hasse diese Frau nicht, ich verachte sie nur.“
Der Angeklagten droht „lebenslänglich“
Der Enkel (sieben Monate) sei „das einzige“, was von ihrem Sohn „noch da ist“. Gesehen hat sie den Kleinen nur einmal: als Säugling auf dem Handy ihres Sohnes. Der Junge lebt zurzeit in der Familie des Arztes. Der Kindesmutter droht jetzt „lebenslänglich“.
Als die Mutter des Opfers mit großer Würde ihren Schmerz schilderte, drehte die Angeklagte den Kopf etwas weg, ein Auge versteckte sie hinter einem zerknüllten Taschentuch. „Wollen Sie das Wort an die Mutter richten?“, fragte Richter Hans-Joachim Mankel. Die Antwort war kurz und leise: „Heute nicht.“ Auch sonst schweigt die mutmaßliche Mörderin.
Der Saal war mit 100 Zuhörerinnen und Zuhörern wieder ganz gefüllt. Mehrere Zeugen zeichneten von der Angeklagten das Bild einer Frau, die als Ehefrau und Arzthelferin eines niedergelassenen Mediziners einerseits auf Sicherheit, Ansehen und Luxus ihrer Familie Wert legte („Das Finanzielle spielte eine große Rolle“, so eine Zeugin), gleichzeitig aber auch die prickelnden Freuden der Freiheit auskosten wollte. Wie unbefangen die Frau und der Banker ihre (teilweise ja heimliche) Affäre ausgelebt hatten, erzählte am Freitag dessen Freund (35) aus Hamburg. Beide hatten ihn einmal übers Wochenende besucht und sich „wie ein frisch verliebtes Pärchen“ gezeigt.
„Wie ein frisch verliebtes Pärchen“
Dass der Banker in sie schwer verliebt war, wusste die Frau egoistisch auszunutzen. Als sie von ihm schwanger war, er sich auf das Kind freute und von ihr die Scheidung erhoffte, hielt sie ihn mit Lügen immer wieder hin. Sie gaukelte ihm Krankheiten wie Brustkrebs und angeblich Leukämie und Gürtelrose vor, deshalb könne sie ihre Familie jetzt nicht verlassen. Im dritten Schwangerschaftsmonat erfand sie eine Fehlgeburt. Im Monat darauf sei sie plötzlich erneut schwanger, meinte sie, diesmal aber von ihrem Ehemann. Um ihren Geliebten zu täuschen, hatte sie sogar ihren Mutterpass gefälscht.
Der Börsenmakler erfuhr von den Lügen. Trotzdem kam er von ihr nicht los - und sie nicht von ihm. „Ich glaube, er liebte sie bis zuletzt“, sagte gestern sein Bruder (38), ein Anwalt, vor Gericht. Umgekehrt, zumindest zeitweise, sei es wohl auch so gewesen.
„Ein Loch in unsere Familie gerissen“
Kurz vor der Bluttat, das Baby war wenige Tage alt, forderte der 36-Jährige von der jungen Mutter einen Vaterschaftstest. Er wollte ihn am Wochenende des 3./4. September machen. Er soll vorher auch gedroht haben, ihrem Mann alles zu sagen. Dazu kam es nicht mehr. Laut Anklage betäubte die Frau ihn mit Tabletten im Kakao, spritzte ihm Morphium und stach ihn zu Tode. „Mir war sofort klar“, sagte seine Mutter vor Gericht, dass die Angeklagte es gewesen sei.
Auch der Bruder des Opfers leidet enorm unter dem Verlust. „Er hat mich unheimlich getroffen. Er hat ein Loch in unsere Familie gerissen.“
Der Prozess soll am 27. März fortgesetzt werden.