Bochum. Der VfL Bochum geht Hinweisen auf Übergriffe während Jugendfreizeiten in den 80ern/90ern nach. Ein ehemaliger Jugendleiter bezieht Stellung.

Seit knapp einem Monat geht der VfL Bochum anonymen Hinweisen auf Übergriffe während Jugendfreizeiten in den 80/90er Jahren nach. Der Verein hatte den ersten Verdacht auf Übergriffe in einer Pressemitteilung veröffentlicht und eventuell Betroffene gebeten, sich bei einem Anwalt als externer Hinweisstelle zu melden. Dort ist nach Vereinsangaben in der vergangenen Woche der Hinweis eines weiteren mutmaßlichen Opfers eingegangen.

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Um welche Form von Übergriff es bei den Beschuldigungen geht, möchte auch der VfL Bochum auf Anfrage nicht sagen. „Der Schutz der Hinweisgeber steht im Vordergrund und muss jederzeit gewährleistet werden“, sagt VfL-Sprecher Jens Fricke. Der VfL Bochum arbeite an einer vollständigen Aufklärung der Vorwürfe. „Dabei geht es uns vor allem darum, den seinerzeit möglicherweise Betroffenen zu helfen. Jede Unterstützung bei der Aufklärung wird von uns ausdrücklich begrüßt.“

„Klaps auf den Po“ bei VfL-Freizeit? Ex-Trainer äußert sich

Während sich der VfL Bochum mit Informationen zurückhält, äußert sich ein Ex-Jugendleiter offen zu den Übergriffs-Vorwürfen. Die WAZ hat mit dem ehemaligen Trainer gesprochen, der selber mutmaßlich betroffene Freizeiten begleitet hat. „Wir haben damals eine Vollmacht von den Eltern bekommen, die körperliche Züchtigung erlaubt hat“, sagt der Ex-Trainer. Dabei sei es mal um einen „Klaps auf den Po“ gegangen. „Das war damals noch total üblich.“ Die Vollmacht beinhaltete nach Dokumenten, die der WAZ vorliegen, dass alle elterlichen Rechte und Pflichten auf die Verantwortlichen der Freizeit übergehen. Der VfL Bochum möchte sich auf Nachfrage dazu nicht äußern.

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Es habe keine Gewaltausbrüche, keine Schläge ins Gesicht gegeben, sagt der ehemalige Jugendleiter. Während der Ferienlager seien auch immer wieder unschöne Dinge passiert. So hätten Jugendliche eine Geldbörse gestohlen, seien unbefugt aufs Dach geklettert oder sei eine ältere Dame mit „vollen Joghurt-Bechern“ beworfen worden.

„Körperliche Züchtigung“ der eigenen Kinder ist erst seit 1998 verboten

Das übliche Vorgehen bei solch Fehlverhalten sei eine Spielsperre gewesen, so heißt es. „Doch das wollten die Jugendlichen oft gar nicht. Die haben mir gesagt, dass sie Zuhause auch ‚was auf den Po‘ bekommen. Ob damit die Sache nicht auch auf der Ferienfreizeit erledigt sei“, so der Ex-Trainer. „Eine angemessene Zahl von väterlichen Klapsen auf die Bade- oder Unterhose ist zwar eine empfindliche und spürbare Strafe, stellt aber keine Kindesmisshandlung oder Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne dar“, so heißt es in einer schriftlichen Erinnerung des Trainers aus der Zeit.

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Erst 1998 wurden körperliche und seelische Misshandlungen von Kindern innerhalb ihrer Familien im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verboten. Erst seit 2001 ist im BGB das Recht von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung festgeschrieben. Dort heißt es nun: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

VfL nimmt Vorwürfe ernst: Vertrauensanwalt nimmt weitere Hinweise entgegen

Beim VfL Bochum betont man, dass der Verein die im Raum stehenden Vorwürfe sehr ernste nehme, obwohl sie weit in der Vergangenheit liegen. Auch die Polizei war in dem Fall involviert. „Die Erkenntnisse reichten der Staatsanwaltschaft Bochum nicht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“, so heißt es.

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Rechtsanwalt Carsten Thiel von Herff nimmt Hinweise von möglichen Betroffenen entgegen. Er betont, dass „der VfL Bochum sehr gewissenhaft handelt und größtmögliche Transparenz schaffen will, ohne Menschen in ihrer Würde und ihren Rechten zu verletzen.“

Mögliche Opfer können sich über die Hinweisstelle an den Vertrauensanwalt melden. Ein erster Kontakt ist über die Meldeplattform www.report-tvh.com möglich.

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