Bochum-Ehrenfeld. Lara T. (30) arbeitete im Café in Bochum, als ein Mann dort Gäste mit Säure übergoss. „Als alle rannten, war klar, dass was Schlimmes los ist.“

Lara T. verpackte gerade einige Stücke Kuchen „to go“, eine Kollegin machte sich mit Bestellungen auf den Weg nach draußen: Der Sonntag im Café „Fräulein Coffea“, er begann „ganz normal“, erinnert sich die 30-Jährige. Bis kurz vor 15.30 Uhr. „Schlagartig fingen Leute an zu schreien, aufzuspringen“, sagt die Bochumerin. Für eine Millisekunde habe sie geglaubt, es sei vielleicht etwas heruntergefallen. „Aber als alle aufgesprungen und weggerannt sind, da war klar, dass was Schlimmeres los ist.“

Ein Mann hat Säure über einen Gast gegossen, der vor dem Café saß, den 30-Jährigen damit schwer verletzt; der mutmaßliche Täter lief anschließend davon, wurde aber wenig später von der Polizei gefasst. Der Säureangriff an dem beliebten Café, nur einen Steinwurf entfernt vom Schauspielhaus, er hat bundesweit Schlagzeilen gemacht.

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Lara T. heißt eigentlich anders, ihr Name ist der Redaktion bekannt, sie will ihn aber nicht veröffentlicht wissen. Zu Studienzeiten hat die heute 30-Jährige schon mal in der Gastro gejobbt, war zuletzt mehrere Jahre selbstständig – und hat erst vor einigen Wochen den Kellnerjob im kleinen Café am Schauspielhaus begonnen.

Im Gespräch mit der WAZ erinnert sich die Bochumerin an die Schicht. Von 12 bis 19 Uhr hätte das „Fräulein Coffea“ eigentlich geöffnet gehabt, „sonnige Sonntage sind normalerweise brechend voll“, erklärt T., deshalb seien sie da immer zu fünft im Einsatz.

Fräuleein Coffea  in Bochum
Die Aufmerksamkeit nach der Attacke ist groß; der Vorfall vom Sonntag hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Auch Kellnerin in Bochum wurde durch Flüssigkeit verletzt

Am Nachmittag war eine Kollegin gerade in einer kurzen Pause, dann kam die Bestellung mehrerer Stücke Kuchen zum Mitnehmen, „deshalb ist eine andere Kollegin raus, Sachen zum Tisch bringen“. Die Frau wurde ebenfalls durch die ätzende Flüssigkeit an Armen und Beinen verletzt. „Es ist bei jeder Schicht so, dass man mal hier, mal da aushilft“, sagt Lara T. „Das hätt‘ theoretisch jeder von uns sein können.“

T. also stand noch drinnen mit dem Kuchen, „wie angewurzelt“ versuchte sie, „die Situation einzuschätzen“. Es habe großes Durcheinander geherrscht, „1000 Sachen“ seien ihr durch den Kopf gegangen. Anschlag? Amoklauf? Ist der Täter bewaffnet, wenn ja: womit? „Das ist so schnell passiert“, sagt Lara T. „Man steht unter Schock, man begreift nicht.“

„Das war für alle Anwesenden das Schlimmste: Dass da ein Mensch qualvolle Schmerzen erleidet und man nichts tun kann“

Kellnerin Lara T. über die Momente nach dem Säure-Angriff

Aber man handelt: Während ein Besucher den flüchtenden Angreifer verfolgte und die Polizei anrückte („Das waren gefühlt auch nur Sekunden, da fuhren drei Polizeibusse vor“), versuchte das Café-Team, dem am schwersten Verletzten zu helfen.

Fräuleein Coffea  in Bochum
Auch am Montag ist noch Polizei in Sichtweite des Cafés an der Oskar-Hoffmann-Straße in Bochum präsent. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

„Wasser, wir brauchen Wasser!“ hätten die Leute gerufen. Der Mann habe auf der Straße gelegen, erinnert sich die 30-Jährige. „Der hat geschrien, als ob er brennen würde.“ Das, sagt sie mit einem Tag Abstand, „war für alle Anwesenden das Schlimmste: Dass da ein Mensch qualvolle Schmerzen erleidet und man nichts tun kann.“ In allen greifbaren Behältnissen hätten sie Wasser rausgebracht, um die Säure abzuwaschen.

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In der Hektik nach dem Angriff ging das Zeitgefühl verloren

Nachdem die Verletzten versorgt und abtransportiert waren, der mutmaßliche Täter gefasst, da habe sie kurz vor dem Café gestanden, durchgeatmet. „Wir wussten ja nicht, was dürfen wir jetzt?“ Die Wasserbehälter wieder hineinbringen, aufräumen? Den Café-Betrieb wieder aufnehmen? „Man hat so was ja noch nie erlebt.“

Sie habe sich selbst dabei erwischt, wie sie mit dem Kuchen „to go“ vors Café ging, die Frau suchte, die ihn bestellt hatte. Ihr Zeitgefühl sei völlig weg gewesen, sagt Lara T. Gegen 17 Uhr habe die Kripo die Beschäftigten nach Hause geschickt. Die 30-Jährige ging mit ihrem Freund in der Stadt etwas essen. Erst da, erinnert sie sich, „bin ich emotional geworden, weil ich gemerkt habe, hier ist alles normal, als ob nichts passiert ist“.

Fräuleein Coffea  in Bochum
Eine Passantin am Montag am Eingang vom „Fräulein Coffea“: Ein Aushang informiert darüber, dass das Café an diesem Tag geschlossen bleibt. „Wir sind fassungslos und betroffen von den gestrigen Ereignissen“, heißt es. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

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Bochumerin: Das ganze Ausmaß wurde ihr erst mit etwas Abstand klar

Erst am Morgen sei ihr das Ausmaß des Vorfalls bewusst geworden. Schlagzeilen überall, entfernte Bekannte erkundigten sich, wie es ihr gehe. Haftrichter, Mordkommission – „das war keine kleine Schlägerei, sondern ein gezielter Anschlag, bei dem mehrere Menschen in Mitleidenschaft gezogen wurden“.

Sie „hoffe und bete, dass der Schwerverletzte keine bleibenden Schäden davonträgt“, sagt T. Im Team seien alle „sehr betroffen“, unterstützten sich gegenseitig, „wir werden wahrscheinlich noch ganz viel darüber sprechen“. Sie glaube trotzdem, dass ihre nächste Schicht mit einem „ganz normalen“ Gefühl antreten wird. „Meine Einstellung zur Arbeit ändert sich nicht.“

Montag geschlossen, Dienstag Ruhetag

Das Café „Fräulein Coffea“ blieb nach dem Vorfall vom Sonntag am Montag geschlossen. „Wir sind fassungslos und betroffen von den gestrigen Ereignissen“, schrieb das Team bei Facebook, auch auf einem Aushang an der Eingangstür war derselbe Text zu lesen.

„Unser Mitgefühl gilt den Verletzten sowie allen, die gestern anwesend waren und das Ereignis miterleben mussten“, hieß es. Dienstags ist Ruhetag, der Betrieb geht also frühestens am Mittwoch weiter.

Auch am Montagmittag war die Polizei noch vor dem Café präsent: in Sichtweite stand ein Einsatzwagen.

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