Bochum-Wattenscheid. Im März droht ein Syrer in einer Sparkasse in Wattenscheid mit einer Bombe. Weniger als sein Geständnis verblüffen vor Gericht seine Beweggründe.
Große Aufregung herrscht am Dienstag, 19. März, in und um die Sparkasse an der Oststraße in Bochum-Wattenscheid. Um 15.20 Uhr betritt ein Mann die Filiale und droht mit einer Bombe. Die Polizei kann ihn schließlich überwältigen, ein Sprengsatz wird nicht gefunden. Wesentlich weniger spektakulär als jener Nachmittag findet an diesem Montag, 1. Juli, im Amtsgericht der Prozess gegen den Angeklagten schon nach einer knapp zweistündigen Verhandlung sein Ende. Der Beschuldigte legt darin ein umfassendes Geständnis ab und überrascht vor allem mit seinem Motiv. Verurteilt wird er am Ende zu einer Bewährungsstrafe.
Bombendrohung in Bochumer Sparkasse: Angeklagter verurteilt
Der Angeklagte ist ein 41-jähriger Syrer, der 2015 nach Deutschland kam. Ein Jahr später folgten seine Frau und drei der damals vier Töchter. Eine weitere kam in Deutschland zur Welt. Der Mann arbeitete hier in einem Elektro- und in einem Handy-Laden. Aktuell sei er krank und lebe von seiner Frau getrennt. Der Staatsanwalt wirft ihm vor, am 19. März nachmittags die Sparkasse mit einer schwarzen Tasche betreten zu haben. Er habe dabei „Hamas“ und „Bombe“ gerufen, die Menschen in der Sparkasse hätten darauf sofort die Flucht ergriffen. Bei dem Versuch, ihn festzunehmen, habe er vehement Widerstand geleistet und zwei Polizeibeamte leicht verletzt.
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Beschuldigungen, die der Syrer vollumfänglich einräumt. Das jedenfalls lässt er über seinen Anwalt verlesen. Als Motiv nennt er den Wunsch nach Aufmerksamkeit, um auf die Situation in seinem Heimatland hinzuweisen. Dort herrscht seit 2011 Bürgerkrieg. Er selbst sei nach seiner Teilnahme an Protestkundgebungen 2011 gegen das Assad-Regime zweimal verhaftet worden, ehe ihm die Flucht nach Deutschland gelungen sei. Die Eskalation in der Sparkasse („ein völlig falsches Verhalten“) und die Verletzungen der Polizisten täten ihm sehr leid. „Wären sie jetzt hier, würde ich mich entschuldigen.“
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Ein einziger Zeuge wird zu dem Vorfall vom 19. März befragt. Ein Mann, der versucht haben will, den Syrer zu stoppen. Erst mit Worten („Bruder, lass den Quatsch!“), dann mit Taten. „Ich habe versucht, ihn zu packen. Dabei sind wir beide hingefallen. Dann kam auch schon die Polizei.“ Sein Gegenüber sei „aggressiv und aufgeregt bis zum Gehtnichtmehr“ gewesen. Nichts zu tun, sei für ihn keine Option gewesen. „Ein bisschen Angst habe ich schon gehabt. Aber ich dachte mir, lieber gehe ich drauf, als viele andere Menschen.“ Diese hätten von draußen „mit panischen Blicken“ das Treiben in der Sparkassen verfolgt.
„Ein bisschen Angst habe ich schon gehabt. Aber ich dachte mir, lieber gehe ich drauf, als viele andere Menschen.“
Nach dem Schließen der Beweisaufnahme fordert der Staatsanwalt eine achtmonatige Haftstraße, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden soll. Der Angeklagte habe die Menschen „gezielt in Angst und Schrecken versetzt“ und solle die Verurteilung als Warnung ansehen, so etwas nicht noch einmal zu tun.
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Ein Strafmaß, das auch der Richter für angemessen hält. „Das sei gar nicht so wenig“, befinde sich „relativ weit oben im Regal“, erklärt er. Der Angeklagte habe das Ganze „auf eine perfide Art und Weise vorbereitet“ und mit Taten untermauert, dass er es ernst meine. Dies sei mehr gewesen als eine Bombendrohung per Anruf.
„Diese mögen für uns absurd klingen, sind aus seiner Sicht aber nachvollziehbar.“
Strafmildernd wirke sich aus, dass der Mann zum ersten Mal aufgefallen sei, nach seiner Festnahme sofort mitgearbeitet und seine Motive offen gelegt habe. „Diese mögen für uns absurd klingen, sind aus seiner Sicht aber nachvollziehbar.“
Drei Jahre beweisen
Acht Monate Haft mit einer Bewährungszeit von drei Jahren – was bedeutet das eigentlich? Das heißt, dass sich der Verurteilte jetzt drei Jahre lang beweisen muss und sich nichts zuschulden kommen lassen darf. Kommt es doch dazu, wird das Urteil vollstreckt und die Person muss ins Gefängnis.
Im Fall der Bombendrohung in Wattenscheid wird dem Syrer ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Dies hatte sich auch sein Verteidiger gewünscht. Sein Mandant benötige Hilfe, „um sein Leben in den Griff zu kriegen“.