Essen. Stressig und langwierig: Viele Eltern kritisieren die Kitaplatz-Vergabe im Ruhrgebiet. Was sich ändern muss – und wie Bottrop Vorbild sein kann.

„Was machen wir denn jetzt mit unserem Kind?“: Das war Nina Severens-Stumpes erste Reaktion, als sie am 10. Februar den Brief öffnete, auf den sie so lange gewartet hatte. Eigentlich hatte die 37-Jährige gehofft, endlich zu erfahren, in welche Kita ihr Sohn gehen wird. Stattdessen kam die Absage für alle drei Wunsch-Einrichtungen. Dass die Familie ein halbes Jahr vor Beginn des Kita-Jahres ohne Platz dastand, war für Severens-Stumpe „ein Schock“.

Sie und ihr Mann, die beide als Sozialarbeiter arbeiten, sind darauf angewiesen, dass ihr Sohn betreut wird. „Es geht um Existenzen. Einer von uns hätte gar nicht arbeiten können oder zumindest weniger. Und das wäre auch nur mit Hilfe der Großeltern möglich gewesen“, so Severens-Stumpe. Die Unsicherheit bedeutete für sie viel Stress. Sie wandte sich an die Stadt, hatte sich sogar darauf eingestellt, einen Platz einklagen müssen.

Kitaplatz-Vergabe in NRW: „Stressig, intransparent und viel zu langwierig“

Im März kam dann endlich die Zusage – für eine Kita im Stadtteil und mit der richtigen Betreuungszeit. Diese hatte die Familie allerdings nicht besichtigt. „Wir waren natürlich total erleichtert. Aber die Ungewissheit war groß, weil wir die Kita ja gar nicht kannten. Das war ein komisches Gefühl, schließlich will man sein Kind ja gut betreut wissen.“

Die Kitaplatz-Suche in NRW hat sie als „stressig, intransparent und viel zu langwierig“ empfunden. Damit ist sie nicht alleine. Das zeigt unser Familien-Check. An der nicht-repräsentativen Umfrage haben insgesamt 3631 Eltern teilgenommen. Die Kitaplatz-Vergabe haben sie mit der Schulnote 3,5 abgestraft.

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Während es in Duisburg (4,2), Essen und Oberhausen (3,9) anscheinend besonders schlecht läuft, konnten Bottrop und Velbert mit der Schulnote 2,9 punkten. Zwar können sich Eltern in den meisten Städten über digitale Plattformen wie „Kita Place“ (Duisburg), „Little Bird“ (Essen) oder „Kita-Portal“ (Dortmund) für die Kitaplätze anmelden.

Doch dann folgt oft ein langwieriger, intransparenter und nervenaufreibender Prozess. In der Regel erfahren Eltern erst im Februar und März, ob und wenn ja, welchen Platz ihr Kind für August des Jahres bekommt.

Anders läuft es in Bottrop: „Es ist ein wirklich großer Vorteil, dass Eltern in Bottrop in der Regel schon im November die Zusagen für August des kommenden Jahres bekommen“, sagt Andrea Bert. Sie leitet die Kita St. Elisabeth, die mit mehr als 80 zu betreuenden Kitas eine der größten der Stadt ist.

„Frühe Kitaplatz-Vergabe ist ein großes Plus für Bottrop“

Ihrer Erfahrung nach seien Bottroper Eltern viel entspannter als anderswo, weil sie so früh eine Planungssicherheit haben. Vor allem, wenn der Beginn der Kita-Zeit gleichzeitig das Ende der Elternzeit bedeutet.

„Unser System Kita-Online und die frühe Platzvergabe sind ein großes Plus für Bottrop“, sagt auch Nadine Granow-Keysers, Leiterin des Fachbereichs Schule und Kindertagesbetreuung. Auf der Plattform erhalten Eltern einen Überblick aller Informationen und können dann ihren Erst-, Zweit- und Drittwunsch festlegen. Spätestens Ende November erfahren sie, ob und welchen Platz sie bekommen haben, so Granow-Keysers.

In Bottrop läuft die Kitaplatz-Vergabe deutlich reibungsloser als in anderen Ruhrgebietsstädten, sagen die Eltern unseres großen Familien-Checks.
In Bottrop läuft die Kitaplatz-Vergabe deutlich reibungsloser als in anderen Ruhrgebietsstädten, sagen die Eltern unseres großen Familien-Checks. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Danach sieht man, welche Familie noch nicht versorgt ist. Die Eltern werden dann individuell angeschrieben und es wird versucht, doch noch eine gute Lösung zu finden.“ Das passiere meist bis Ende Februar. Wenn Eltern in anderen Städten erfahren, ob sie überhaupt einen Platz bekommen, vermittelt Bottrop also bereits die Kinder, die keinen Platz haben. Warum ist die Stadt so viel früher dran als andere Städte? „Bei uns wird das einfach schon immer so gemacht und das hat sich bewährt“, sagt Granow-Keysers.

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Mutter Nina Severens-Stumpe hätte sich nach dieser frühen Gewissheit gesehnt. „Dann hätten wir wenigstens mehr Zeit gehabt, Alternativen zu finden. Das hätte uns deutlich entlastet, auch psychisch“, sagt sie. Ihr Sohn fühle sich in der Kita nun zum Glück wohl, erzählt Severens-Stumpe: „Mit der Einrichtung sind wir an sich zufrieden. Aber mit dem Verfahren der Platz-Vergabe überhaupt nicht.“

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