Essen. Eine neue Bertelsmann-Studie zeigt: Sozial benachteiligte Kinder in NRW finden seltener eine U3-Betreuung. Was Expertinnen jetzt fordern.

Trotz des massiven Kitaausbaus in den vergangenen Jahren haben besonders in Armut aufwachsende Kinder schlechte Chancen auf einen Kitaplatz. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen trifft ein verhältnismäßig geringes Angebot an Betreuungsplätzen für Unter-Dreijährige auf relativ große Kinderarmut. Das zeigt eine bislang unveröffentlichte neue Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Uni Bochum.

„Das ist ein riesiges Problem“, sagt Regina von Görtz, Bildungsexpertin bei der Bertelsmann Stiftung. Das frühkindliche Bildungssystem sei in dieser Region kaum in der Lage, sein Potenzial zur Förderung der von Armut betroffenen Kinder und zum Abbau von Bildungsungleichheiten auszuschöpfen. Hierzulande, wo sich rund die Hälfte der Eltern einen Betreuungsplatz wünschten, blieben jedes Jahr Kinder ohne einen Kitaplatz zurück. „Eltern konkurrieren regelrecht um die knappen Plätze“, betont von Görtz.

Ein Drittel der Kinder wachsen im Ruhrgebiet in Armut auf

Untersuchungen der Bertelsmann Stiftung zeigen, das von Armut betroffene Kinder in bestimmten Bereichen, wie etwa bei der Körperkoordination, Schwierigkeiten haben. Diese seien jedoch wichtige Voraussetzungen für den Schuleintritt. Kitas könnten diese Schwächen kompensieren, so von Görtz.

Zahlen der neuen Studie zeigen, dass in Teilen des Ruhrgebiets mehr als ein Drittel der Kinder in Armut aufwachsen. Während die Betreuungsquote im Dezember 2020 in Düsseldorf beispielsweise bei knapp 38 Prozent lag (bei einer Armutsquote von rund 16 Prozent), hatte Gelsenkirchen eine Betreuungsquote von nur 18 Prozent – bei einem hohen Anteil an Kinderarmut (über 40 Prozent).

Bildungsexpertin fordert: Kita-Anmeldeverfahren vereinfachen

Das kann laut Studienautorin Katharina Knüttel unter anderem an der schlechten Haushaltslage einiger Kommunen liegen. So stocke in ärmeren Kommunen häufig der Kita-Bau oder die ohnehin schon raren Fachkräfte würden sich in finanziell besser aufgestellten Städten bewerben. Von Görtz sieht ein weiteres Problem: Nicht jede in Armut lebende Familie fühle sich vom Kita-Angebot abgeholt, glaubt die Bildungsexpertin.

So müssten – neben dem Ausbau von Kitas und der Qualifizierung weiterer Fachkräfte – die Kommunen die Eltern niedrigschwelliger informieren und Anmeldeverfahren vereinfachen. Zudem müsse man sozial benachteiligte Kinder bei der Platzvergabe stärker in den Blick nehmen. Eine Möglichkeit, die Plätze chancengerechter zu vergeben, biete die Vergabe etwa durch einen Algorithmus.

Mit Blick auf die Elternbeiträge für den U3-Bereich ergänzt Katharina Knüttel: „Der Flickenteppich kommunaler Regelungen sollte hinsichtlich der Entlastungsmöglichkeiten geringer Einkommen geprüft und vereinheitlicht werden.“

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