Bochum. Teils acht Erkrankte gleichzeitig: Eltern und Erzieher einer Kita in Bochum gehen auf dem Zahnfleisch. Auch andere Einrichtungen sind betroffen.

„Wir sind langsam am Ende, viele Berufstätige haben keine andere Betreuungsmöglichkeit“, sagt Simone Siepmann. Ihre Kinder besuchen die evangelische Kita Kindersegen in Bochum-Dahlhausen, sie ist zudem Mitglied des Elternrates. An 30 Tagen gab es in der Einrichtung in diesem Jahr schon eine Notbetreuung, die Ursache: fehlendes Personal aufgrund von Krankheit.

Die Eltern seien am Limit, doch man sorge sich auch um die Erzieherinnen und Erzieher. „Die tun uns wahnsinnig leid“, schildert die Mutter aus Dahlhausen. Die Belastung sei enorm.

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Bochumer Kita hat einen besonders hohen Krankenstand: Unterbesetzung

„Es ist richtig, dass die Kita Kindersegen an der Gaußstraße mit einem besonders hohen Krankenstand zu kämpfen hat und stark belastet ist“, bestätigt Hannah Praetorius, Sprecherin der Evangelischen Kirche in Bochum, auf Anfrage unserer Redaktion. Der erhöhte Krankenstand resultiere aus einer Vielzahl unterschiedlicher, teils langwieriger Krankheitsbilder. „Zeitweise waren bis zu acht Mitarbeitende gleichzeitig erkrankt“, so die Sprecherin.

Die Kita sei grundsätzlich – ebenso wie die weiteren 39 Kitas des Trägers – personell über die gesetzlich geforderte Mindestbesetzung hinaus ausgestattet. Zudem gebe es in allen Kitas Auszubildende. Doch, so Praetorius: „Aufgrund von Urlaubszeiten, Krankheitsfällen, Fluktuation im Personal und dem Fachkräftemangel landen wir bei Personalausfällen dennoch schnell in der Unterbesetzung.“

In der Kita Kindersegen in Bochum ist es in diesem Jahr schon häufig zu einer Notbetreuung gekommen. Der Grund: fehlendes Personal.
In der Kita Kindersegen in Bochum ist es in diesem Jahr schon häufig zu einer Notbetreuung gekommen. Der Grund: fehlendes Personal. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die aktuelle Finanzierungsproblematik erlaube es dem Träger nicht, situationsbedingt weiter aufzustocken. Als Kita-Träger befinde man sich, wie andere freie Träger auch, in einer prekären Lage. „Jährlich sind von den Trägern Finanzierungslücken zu überbrücken, da die Anpassung der vom Land gezahlten Pauschalen immer mit einer Verzögerung von eineinhalb Jahren erfolgt“, erklärt Praetorius.

Gleichwohl ist man sich bei der Evangelischen Kirche einer Sache bewusst: Die Situation in der Kita Kindersegen – wie in vielen anderen Kitas – stelle eine außerordentliche Belastung für die Eltern dar. Auch für die Mitarbeitenden sei die Situation schwierig.

Personalmangel ist ein Problem an den Kitas in Bochum

Kitas müssen einen vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel einhalten. Ist das nicht der Fall, weil Personal fehlt, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Bei der Kita Kindersegen sei das an 30 Tagen in diesem Jahr der Fall gewesen, zuletzt wurde die Gruppenstärke reduziert, bis Ende September. Praetorius: „Stand heute läuft die Betreuung in der Kita regulär, dies kann sich jedoch jederzeit ändern.“

Je nach Größe der Kita ließen sich Personalausfälle mal mehr, mal weniger gut ausgleichen. Die Lage sei jedoch in vielen Kitas angespannt. „Von den 40 Kitas in Trägerschaft der Kindergartengemeinschaft waren bisher 27 Kitas durch unterschiedliche Maßnahmen (...) betroffen.“

Auch andere Kitas in Bochum haben mit Fachkräftemangel zu kämpfen, so zum Beispiel der Kita Zweckverband. „Die Personallage (...) ist unterschiedlich. Es gibt Teams, die vollständig besetzt sind, es gibt aber auch Teams, die geringer besetzt sind.“ Kämen Krankheitsausfälle hinzu, sei die Personallage zusätzlich angespannt. Seit Ende der Sommerferien habe man in einigen Bochumer Einrichtungen die Öffnungszeiten kurzfristig reduzieren müssen.

„Es ist schier eine Illusion, dass man Beruf und Familie vereinen kann“

Kita ist zu, aber Eltern zahlen trotzdem für das Essen

Manche Eltern der evangelischen Kita Kindersegen kritisieren, dass sie für das Mittagessen bezahlen mussten, obwohl ihre Kinder aufgrund der Personalprobleme teils wochenlang nicht in der Kita gegessen hätten.

Sprecherin Hannah Praetorius erklärt die Gründe: „Der Verpflegungsvertrag, den die Eltern mit uns als Träger abschließen, beinhaltet eine Monatspauschale, die aufgrund von Schließ- und Ausfallzeiten auf 11 Monate kalkuliert und zur Erleichterung von Eltern und Verwaltung auf 12 Monate verteilt ist.“ Eine individuelle Abrechnung würde durch den höheren Verwaltungsaufwand zu einer deutlichen Preissteigerung der Essensbeiträge führen. „Daher sehen wir zur Zeit davon ab.“

Bei den Outlaw-Kitas sieht das etwas anders aus: „Die in den vergangenen Monaten erforderlichen Einschränkungen der Betreuungszeiten hatten in der Regel keine Auswirkung auf die Mittagsverpflegung, sodass längerfristige Zeiten ohne Verpflegungsangebot über Mittag nicht angefallen sind“, so Sprecherin Rabea Savas. Erstattet würden die Beträge ab einer entschuldigten Fehlzeit von drei Wochen in Folge.

Lina Strafer erklärt für den Kita-Zweckverband: „Das Mittagessen für die Kinder wird bedarfsgerecht und tagesaktuell von den Familien über das Verpflegungsportal bestellt und einzeln abgerechnet. Entsprechend werden die Familien finanziell nur an den Mahlzeiten beteiligt, die sie tatsächlich gebucht haben.“

In allen sechs Kitas des Trägers Outlaw mussten in diesem Jahr ebenfalls Betreuungszeiten reduziert werden. Die Häufigkeit variiere. „Es gibt Kitas, die mindestens einmal monatlich Einschränkungen – mit unterschiedlicher Dauer von ein bis zwei Tagen bis hin zu mehreren Wochen – vornehmen müssen. Bei anderen wiederum sind einschränkende Maßnahmen mit Auswirkung auf die Betreuungszeit Einzelfälle“, sagt Sprecherin Rabea Savas. Momentan sei die Situation übersichtlich. Mit Blick auf steigende Krankheitszahlen bei den Kindern gehe man in den nächsten Wochen aber auch von verstärkten Ausfällen bei den Erzieherinnen und Erziehern aus.

Die Eltern aus der evangelischen Kita Kindersegen hoffen, dass sich vor Ort bald etwas tut, um die Situation zu entschärfen. Die Reserven bei manchen Betroffenen gehen zur Neige. Eine Mutter schildert in einer Nachricht an unserer Redaktion: „Eltern wie ich, die berufstätig sind und nicht die Großeltern um die Ecke haben, können dann sehen, wo sie bleiben. Es ist schier eine Illusion, dass man Beruf und Familie vereinen kann, wenn man auf externe Betreuung angewiesen ist.“ Simone Siepmann sagt: „Uns liegt viel daran, dass der Kita geholfen wird.“