Essen. Christine hat im letzten Jahr Abi gemacht – und vieles wieder vergessen. Wie ihr Wissen ihr trotzdem hilft, in Frankreich Obdachlosen zu helfen.

Christine Onkelbach hat im vergangenen Jahr auf einem Essener Gymnasium Abi gemacht – und einige der Inhalte schon wieder vergessen. Doch das, was sie behalten hat, prägt nun den Lebensweg der 19-Jährigen. Derzeit hilft sie Menschen ohne Wohnung in Frankreich. Wie das genau mit dem Abitur zusammenhängt und was sich aus Sicht der jungen Frau ändern muss, lesen Sie im Protokoll:

„Ob das Abi mir fürs Leben geholfen hat? In einigen Punkten auf jeden Fall. Im Abi hatte ich Sozialwissenschaften und Französisch. Gerade bin ich für ein Jahr in Frankreich, in Lille, und helfe Menschen, die keine Wohnung haben oder in prekären Situationen leben. Dafür hat sich mein Abi schonmal gelohnt. Hier erlebe ich, dass das, was ich in der Theorie gelernt habe, für viele Menschen Alltag ist. Die Themen werden mir noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise bewusst, wenn ich mit betroffenen Menschen in Kontakt bin.

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Auch für mein späteres Leben hat mir der SoWi-Unterricht geholfen. Ich kann mir gut vorstellen, nach meinem Jahr in Frankreich Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre zu studieren. Ich finde zum Beispiel den Bereich interessant, in dem man sich anschaut, wie gesellschaftliches Zusammenleben und Wirtschaft sich in Zeiten der Klimakrise verändern müssen. Ich finde es gut, dass man nach dem Abi eine so große Auswahl an Studiengängen hat.

Essenerin über ihr Abitur: Gewaltfreie Kommunikation wäre in der Schule hilfreich gewesen

Bei anderen Abi-Fächern habe ich allerdings schon fast alles wieder vergessen. In Biologie zum Beispiel – ganz einfach, weil es bei mir im Alltag nicht vorkommt. Was ich leider so gar nicht gelernt habe und wo ich jetzt im Arbeitsalltag vor Hürden stehe, ist der Umgang mit Konflikten. Wie spreche ich Probleme bei meinen Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten an? Wie setze ich Grenzen? Natürlich lernt man vieles erst nach und nach mit den Erfahrungen, aber ein Fach wie etwa gewaltfreie Kommunikation wäre hilfreich gewesen.

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Außerdem hätte ich mir eine differenzierte und vor allem praktische Aufklärung über digitale Möglichkeiten aber auch die Gefahren des Internets gewünscht, sodass man die vielen digitalen Möglichkeiten nach dem Abi wirklich nutzen kann. Im Moment ist es noch häufig so, dass sich die Schülerinnen und Schüler besser mit digitalen Endgeräten auskennen als die Lehrkräfte. Zudem finde ich wichtig, dass in der Schule mehr über die Klimakrise aufgeklärt wird. Schließlich ist man in fast allen Lebensbereichen damit konfrontiert.

Essenerin erinnert sich an Abitur: „Abizeit geht mit starkem Notendruck einher“

Insgesamt bin ich froh, aus der Schule und allgemein aus dem akademischen Kontext raus zu sein. Da bewegt man sich ziemlich in einer Blase. Hier in Frankreich mache ich neue Erfahrungen, komme mal mit ganz anderen Menschen zusammen.

Außerdem geht die Abizeit mit einem starken Notendruck einher. Unfreiwillig habe ich mich schnell mal mit Mitschülerinnen und Mitschülern verglichen. Bei meiner Arbeit ist es nochmal schön zu sehen, dass die Note nicht beschreibt, wer ich als Person bin. Hier sind andere Themen viel wichtiger – wie ich auf Menschen zugehe, ins Gespräch komme und ihnen helfen kann.“

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