Essen. Der Personalmangel an NRW-Schulen belastet Lehrer und Eltern stark. Immer öfter kommt es zwischen ihnen zu Konflikten. Zwei Lehrkräfte berichten.
Durch die Personalnot an Schulen kommt es immer häufiger zu Konflikten zwischen Lehrkräften und Eltern. Vor welchen Problemen stehen sie? Wie kommt der Plan der Landesregierung an, „unbegründete Teilzeit“ im Kampf gegen Lehrermangel einzuschränken? Zwei Lehrerinnen aus NRW erzählen in diesem Artikel von ihren Erfahrungen. (Lesen Sie hier auch über die Erfahrungen der Eltern: „Müssen Kinder zuhause noch mal beschulen“.)
Lehrerin (45) in Teilzeit an einer Realschule in NRW: „Wenn ein fast 18-Jähriger zwei Zentimeter vor einem steht und einem subtil droht, dann ist der entspannte Unterrichtstag nun mal vorbei. Mittlerweile muss ich neben dem Schulalltag viel mehr erzieherische Aufgaben übernehmen. Seit Corona sind viele Schülerinnen und Schüler gewaltbereiter geworden. Wenn ich den Kontakt zu den Eltern suche, kann es passieren, dass sie mir die Schuld für das Verhalten ihres Kindes geben. Ich glaube, das ist der größte Konfliktpunkt zwischen Lehrern und Eltern.
Die Folge: Der Schüler wird in seinem Fehlverhalten noch bestärkt. Bei schwierigen Gesprächspartnern hole ich mir mittlerweile eine dritte Person dazu. Bestimmte Eltern sprechen uns Lehrkräften jegliche Kompetenzen ab. Der fehlende Respekt belastet mich sehr.
NRW-Lehrerin: „Vollzeit bedeutet gar keine Freizeit mehr“
Bei meiner eigenen Klasse passiert so etwas nicht. Schüler und Eltern kennen mich schon lange und haben Vertrauen in mich. Doch während wir früher jahrelang dieselben Klassen betreut haben, müssen wir heute wegen des hohen Personalmangels in fremden Klassen immer öfter die Vertretung übernehmen. Die Konflikte entstehen vor allem dadurch, dass die Schüler einen nicht gut kennen und einige Eltern einem nicht vertrauen.
Trotz Teilzeitstelle gibt es Phasen, in denen ich wochenlang am Stück am Schreibtisch sitze. Momentan ist die Teilzeit für mich noch möglich, weil mein Kind im Grundschulalter ist. Mir graut es aber jetzt schon vor dem Tag, an dem ich diesen Job in Vollzeit machen muss. Das würde bedeuten, gar keine Freizeit mehr zu haben. Auch am Wochenende nicht. Das weiß ich, weil ich das bei meinem älteren Kind damals noch versucht habe. Gesundheitlich hat mir das fast das Genick gebrochen.
Überlastete Lehrkräfte: „Das Gefühl, den Kindern nicht gerecht zu werden“
Neben dem Unterricht stemmen wir Verwaltungsaufgaben, setzen uns mit der zunehmenden Digitalisierung auseinander, überarbeiten Lehrpläne, korrigieren und bereiten den Unterricht vor. Es kam schon vor, dass ich einen ganzen Schultag keine Zeit hatte, auf die Toilette zu gehen. Die Anforderungen an uns werden immer mehr, es gibt so viele Baustellen, die wir nicht abgearbeitet bekommen.
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Ich arbeite gerne mit Kindern und liebe meinen Job. Manchmal habe ich aber das Gefühl, ihm nicht gerecht zu werden. In meiner Klasse sind einige Kinder, die nicht so ein behütetes Elternhaus haben, außerdem Flüchtlingskinder und welche mit speziellem Förderbedarf. Mir ist wichtig, dass die Kinder mit mir eine Ansprechpartnerin haben, aber ich schaffe es oft nicht, auf die einzelnen Sorgen und Probleme einzugehen.“
Einschränkung der Teilzeit: „Ich überlege meinen Job zu wechseln“
Lehramtsstudentin (26) aus Essen, arbeitet in Teilzeit:„Viele Eltern denken, man steht ein paar Stunden vor der Klasse, und das war es dann. Oft können sie nicht einschätzen, was eine Lehrkraft darüber hinaus noch für Aufgaben hat. Bevor ich vor zwei Jahren angefangen habe, neben dem Studium als Vertretungslehrerin zu arbeiten, habe ich das auch nicht gewusst. Jetzt stehe ich kurz vor dem Master und drücke mich davor, bald ins Referendariat zu starten. Denn ich habe Angst, dass mich die hohe Belastung kaputtmacht.
Wenn ich Sätze von Menschen in meinem Umfeld höre wie: ,Du hast doch so viel Ferien, warum beschwerst du dich?’, werde ich wütend. Lieber würde ich auf die Ferien verzichten, dafür aber zu einer normalen Uhrzeit Feierabend machen können.
Vertretungslehrerin: Bis ein Uhr in der Nacht am Schreibtisch
Als Teilzeitkraft sitze ich manchmal bis ein Uhr in der Nacht am Schreibtisch und bereite den Unterricht vor. Ich möchte meine Arbeit als Lehrerin schließlich gut machen. Als ich gehört habe, dass die Schulministerin die ,unbegründete Teilzeit’ einschränken will, und bei mir wäre das der Fall, war ich schockiert.
Wenn ich daran denke, bald doppelt so viele Stunden zu haben, würde mein Leben nur noch aus Arbeit bestehen. Deshalb überlege ich, mir einen anderen Job zu suchen.“