Oslo. . 78 Morde in Oslo und auf der Insel Utöya hat Anders Behring Breivik ohne Reue gestanden. Sein Verteidiger forderte am Freitag Freispruch: Der Massenmörder hält sich für nicht schuldig und beruft sich auf ein “Notwehrrecht“, um eine “islamische Machtübernahme“ zu verhindern.
Geir Lippestad, der Verteidiger von Anders Behring Breivik, folgt den Wünschen seines Mandanten. So abstrus es klingt, Lippestad fordert einen Freispruch für Breivik. Das musste er aus rein formellen Gründen. Denn Breivik hatte zu Beginn des Verfahrens auf nicht schuldig plädiert. Obwohl Breivik seinen Amoklauf nicht bestreitet.
Breivik beruft sich auf ein „Notwehrrecht“
Der Massenmörder beruft sich auf ein „Notwehrrecht“, um eine „islamische Machtübernahme“ in Norwegen und ganz Europa zu verhindern. Lippestad versucht, Breivik als einen politischen Terroristen darzustellen, der nicht aus einer gewalttätigen Persönlichkeit heraus tötet, sondern weil er einen Kampf gegen die islamistische Bedrohung führt. Breivik, der Extremist, kein geisteskranker Triebtäter. „Breivik entschied sich, zu töten. Das ist es, was Terroristen tun“, erläutert Lippestad in seinem dreistündigen Schlussplädoyer am gestrigen letzten Verhandlungstag.
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Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen am Donnerstag auf Einweisung in eine Psychiatrie plädiert. Neun Morde durch einen Bombenanschlag im Regierungsviertel in Oslo und 69 Morde an sozialdemokratischen Nachwuchspolitikern auf der Insel Utöya hatte Breivik ohne Reue gestanden. Das Blutbad sei „scheußlich aber notwendig gewesen“, um die staatstragende norwegische Arbeiterpartei für ihren „Moslemimport“ nach Norwegen zu bestrafen und „in Notwehr“ den Kampf gegen die Invasion der Andersgläubigen aufzunehmen, begründete Breivik sein Doppelattentat zu Prozessbeginn.
Das Recht, die Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen
Dementsprechend muss Verteidiger Lippestad die Jury davon überzeugen, dass sein Mandant geistig zurechnungsfähig ist und somit maximal in ein Gefängnis gehöre und auf gar keinen Fall in ein Psychiatrie. „Der Angeklagte verfolgt ein radikal politisches Projekt. Seine Handlungen als krank zu erklären, wäre das gleiche, wie ihm sein grundlegendes Menschenrecht zu nehmen: Das Recht, die Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen“, sagt Lippestad. Bei einem Schuldspruch wolle der Attentäter zu einer „möglichst milden Strafe“ verurteilt werden.
Zwei Gutachten waren vor dem Prozess zu entgegengesetzten Schlüssen über Breiviks Zurechnungsfähigkeit gekommen. Im humanen norwegischen Strafwesen, wo lebenslängliche Haftstrafen abgeschafft wurden, beträgt die maximale Haftstrafe 21 Jahre. Breivik (33) könnte bei seiner erwartungsgemäß sehr guten Führung mit Anfang 50 wieder ein freier Mann sein. In einer Psychiatrie hingegen könnte er rechtlich leichter für immer – also lebenslänglich – festgehalten werden.
Das Grauen von Utöya
Richterin lehnt TV-Übertragungdes Schlusswortes ab
Zum Abschluss des Verfahrens kommen am Freitag noch einmal Überlebenden der Anschläge in Oslo und auf Utöya zu Wort. Dann erhält Breivik das Wort für eine Schlussbemerkung. Er hat dafür eine Stunde Redezeit verlangt und gefordert, dass seine Rede im Fernsehen übertragen wird. Das Gericht lehnt dies jedoch ab.
Das Urteil gegen Breivik soll am 20. Juli oder 24. August verkündet werden.