Mülheim. Mülheim 1974 - eine Stadt, so groß wie nie zuvor und nie danach, Löwen brüllen in der 2. Fußball-Bundesliga, die Innenstadt: auf ihrem Höhepunkt.
Mülheim vor 50 Jahren. In der Stadt leben 1974 rund 193.000 Einwohner. Das sind so viele wie nie zuvor und nie danach. Man geht damals, perspektivisch, von etwa 230.000 Menschen in Mülheim aus und baut entsprechend groß. Da ist es im Zug der Zeit nur folgerichtig, dass aus dem Stadtbahnhof 1974 der Hauptbahnhof wird, an dem jetzt auch die neue S-Bahn hält.
Vier Jahre lang war die Innenstadt eine große Baustelle. Und der Stadtbahnbau ist noch in vollem Gange. Doch 1974 feiert sich die Stadt mit einer Mülheimer Woche in 60 Veranstaltungen selbst. Sie feiert vor allem ihre neue Innenstadt. Die neue Fußgängerzone in der Schloßstraße wird ebenso eröffnet wie deren Tiefgarage und deren vom Mülheimer Bildhauer Ernst Rasche geschaffene Brunnenlandschaft, der Hans-Böckler-Platz mit seinem City Center und mit seinen vier Hochhäusern.
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Moderner geht es 1974 nicht: Hochhaus mit Schwimmbad, Panoramaaussicht und einem Einkaufszentrum vor der Haustür
Was später als Bausünde in Beton gesehen wird, ist damals der neueste Schrei. Moderner wohnen, als in einem Hochhaus mit Schwimmbad, Panoramaaussicht und einem Einkaufszentrum vor der Haustür, kann man damals nicht. Deshalb werden viele der neuen Hochhausbewohner von ihren klassisch tiefergelegten Nachbarn beneidet.
Das City Center ist 1974 nicht das einzige Einkaufszentrum der Stadt. Seit einem Jahr können die Mülheimerinnen und Mülheimer auch im Heißener Rhein-Ruhr-Zentrum einkaufen. Die Illustrierte Bunte feiert das Rhein-Ruhr-Zentrum als „das Super Ding des Reviers“. Trotz solch massiver Konkurrenz sind Ladenleerstand und Online-Handel vor 50 Jahren noch ein Fremdwort. Sogar ein kleiner Tante-Emma-Laden am Torbogen der ehemaligen Stadtmauer findet damals noch seine Kunden zwischen Innen- und Altstadt.
Styrumer Löwen bejubelten 1974 den Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga
Während sich die Stadt- und Verkehrsplaner, allen voran der damalige Baudezernent Philipp Otto Gellinek, über die neue Innenstadt und das neue Straßenverkehrsamt am Steineshoffweg freuen, freuen sich Mülheims Fußballfans nicht nur über den zweiten Weltmeistertitel für das von Helmut Schön trainierte DFB-Team bei der WM im eigenen Land. Sie bejubeln auch den Aufstieg des 1. FC Mülheim-Styrum in die damals noch neue 2. Bundesliga.
Während die Styrumer Löwen, zu deren Kader auch der spätere Co-Bundestrainer Holger Osieck gehört, die erste Zweitliga-Saison im Styrumer Ruhrstadion mit einem passablen elften Tabellenplatz abschließen können, folgt in der zweiten Zweitligasaison der Abstieg in die Drittklassigkeit. Dem sportlichen Niedergang folgt der finanzielle. Profifußball ist auch vor 50 Jahren ein teures Vergnügen.
Mülheimer Jahresrückblicke
- Mülheim im Jahr 1974: Eine Stadt, so groß wie nie zuvor und nie danach
- Mülheim im Jahr 1949: Jeder zehnte Bürger ist ein Flüchtling
- Mülheim im Jahr 1924: Bau der Stadthalle läuft als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
- Mülheim im Jahr 1899: Auf welche Dinge die Mülheimer stolz waren
- Mülheim im Jahr 1874: Nicht nur fürs Queren der Ruhr wird Maut verlangt
- Mülheim im Jahr 1849: Die Ruhr ist der am stärksten befahrene Fluss Europas
- Mülheim im Jahr 1824: Als die Delle noch die Hauptstraße der Stadt war
Sozialdemokrat Heinz Hager wird neuer Verwaltungschef im Mülheimer Rathaus
Im Rathaus wechselt der ehrenamtliche Oberbürgermeister, Heinz Hager nach fünf Amtsjahren auf den hauptamtlichen Posten des Oberstadtdirektors. 22 Jahre wird er an der Spitze der Stadtverwaltung stehen. Sein bisheriges Hauptamt als Verwaltungschef des Evangelischen Krankenhauses gibt er an Volkmar Spira ab. Der wird das Krankenhaus 28 Jahre lang leiten und dort die nicht nur von der UN-Kulturorganisation Unesco ausgezeichnete „Kultur am Krankenhaus“ etablieren. Auch im Kulturbetrieb des Krankenhauses spielt er als langjähriger Gründungsintendant des Backsteintheaters eine wichtige Rolle.
Im Rathaus folgt Sozialdemokrat Hager als Verwaltungschef auf seinen sozialdemokratischen Vorgänger Heinz Heiderhoff. Der wechselt nach elf Jahren an der städtischen Verwaltungsspitze in den Vorstand des Energieversorgers RWE. Hagers Amt als Oberbürgermeister übernimmt der Sozialdemokrat und bisherige Bürgermeister Dieter aus dem Siepen, der hauptberuflich als Rektor die damalige Hauptschule an der Bruchstraße leitet. Auf ihn folgt der Stadtverordnete Gerd Müller, der später Landtagsabgeordneter und Direktor der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft wird.
Mülheimer Rathaus fest in sozialdemokratischer Hand - Opposition hegt Filz-Verdacht
Heute unvorstellbar, besteht der Rat der Stadt Mülheim vor 50 Jahren nur aus drei Fraktionen. Sozial-, Christ- und Freidemokraten teilen sich die 51 Ratsmandate. Die SPD ist seit 26 Jahren stärkste Fraktion und regiert mit absoluter Mehrheit. Dienst- und Entscheidungswege im Rathaus sind kurz. Das weckt bei der Opposition aber immer wieder den Verdacht des sozialdemokratischen Filzes.
Obwohl der Zeitgeist vor 50 Jahren auch in Mülheim vor allem modern sein will, haben Mülheimerinnen und Mülheimer aus dem Geschichtsverein das Schloß Broich mit einer mehrjährigen Grabungskampagne, die jetzt ihrem Ende entgegengeht, vor dem Abriss gerettet. Bald zieht die Volkshochschule ins Schloss ein und der erste Mülheimer Fassadenwettbewerb wirbt für den noch sehr stiefmütterlich behandelten Denkmalschutz.
Mülheim 1974: Weitere Bilder aus der Stadt
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