Mülheim... Eine Stadt ohne „Hauptbahnhof“: 112 Jahre hatte Mülheim auf dieses Statussymbol verzichten müssen und zahlte schließlich mehr als 100.000 D-Mark. So könnten sich die Mülheimer „endlich als Städter fühlen“, sagte 1974 der Bundesbahn-Präsident.

Statussymbole sind kostspielig: Mehr als 100.000 D-Mark musste die Stadt Mülheim vor 40 Jahren nur dafür berappen, dass sie sich im Nah- und Fernverkehr endlich mit einem richtigen Hauptbahnhof präsentieren konnte. Am 25. Mai 1974 warteten rund 300 Mülheimer auf Bahnsteig 2 auf den Moment, als die erste S-Bahn eintrudelte.

Der Andrang war so groß, schrieb die WAZ damals, dass die Bahnpolizei viele Neugierige von Bahnsteig 2 hatte fernhalten müssen. Bundesbahnpräsident Dr. Fritz Eckhardt war extra gekommen, Bürgermeister Herbert Mohr setzte sich eine rote Mütze der Bahn auf und gab mit Signalkelle und Trillerpfeife die Weiterfahrt der neuen S-Bahn Rhein-Ruhr frei, übrigens eine Minute vor Fahrplan-Zeit! Die Bundesbahnkapelle intonierte zur Feier, wie es hieß, „etliche flotte Märsche“. Der Bahnhof Mülheim (Ruhr)-Stadt, früher Bahnhof Eppinghofen, war von nun an der Hauptbahnhof. 112 Jahre hat es gedauert, bis der alte Bahnhof zu dieser Ehre kam. Hauptbahnhof! Nun könnten sich die Mülheimer „endlich als Städter fühlen“, so Bahnpräsident Eckhardt.

1974 fuhren täglich 700 Züge, heute nur noch 420

Der neue Status des 1862 eingerichteten Bahnhofes in Eppinghofen ließ ihn aufblühen. Mit der neuen S-Bahn fuhren nun täglich 700 statt bisher 480 Züge den Bahnhof an. Aktuell sind es werktags nur noch knapp mehr als 420. Laut Deutscher Bahn AG wird der Hauptbahnhof heute täglich von rund 20.800 Menschen aufgesucht. Der Hauptbahnhof ist Mülheims ältester Bahnstandort. 1866 baute die Rheinische Bahn, die von dort über Speldorf nach Osterath und über Heißen nach Essen und Dortmund fuhr, dort einen Holzbau. 1867 kam auch die Bergisch Märkische Eisenbahn an den Standort. Beide konkurrierenden Bahngesellschaften wurden direkte Nachbarn.

Die Bahn kreuzte da noch ohne Überführung die Eppinghofer Straße. Mit Zunahme des Bahnverkehrs wurde die Schrankenanlage zunehmend zum Ärgernis: In der Spitze waren die Schranken acht von zwölf Stunden geschlossen. Auch erschien das Bahnhofsgebäude nicht repräsentativ genug. So wurde am 11. Februar 1911 schließlich das neue, gemeinsame Empfangsgebäude der zwei Bahngesellschaften eingeweiht, dessen Grundmauern bis heute existieren. Durch seine Lage zwischen den Bahntrassen war der Mülheimer ein sogenannter Keilbahnhof – das änderte sich Anfang dieses Jahrtausends, als dort auch der Güterbahnverkehr eingestellt wurde.

Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg

1938 füllten mehrseitige Pläne für einen neuen Zentralbahnhof die Mülheimer Tageszeitungen. Doch kam der Zweite Weltkrieg dazwischen. Das Empfangsgebäude verlor im Bombenhagel sein markantes Ziegeldach. Es blieb aber stehen. Weil die Bundesbahn aber lange andere Sorgen hatte, als das Dach zu reparieren, gaben die Mülheimer dem späteren Hauptbahnhof zu dieser Zeit einen anderen Namen: Wasserbahnhof – weil es über Jahre hinweg reinregnete.