Mülheim. Mülheim 1949 - die Kriegstrümmer sind noch allgegenwärtig, der Wiederaufbau läuft. Jeder zehnte Bürger ist ein Flüchtling. Mit vielen Bildern.
Mülheim vor 75 Jahren. Wir schreiben das Jahr 1949. Der Wiederaufbau der Stadt, in der bald 150.000 Menschen leben werden, ist vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in vollem Gange. Doch noch liegen viele Trümmer auf den Straßen der Stadt. Es wird noch vier Jahre dauern, ehe die Stadt wieder „trümmerfrei“ sein wird.
Dazu passt, dass der Rat, nach einer achtstündigen Debatte, einen Generalplan zum Wiederaufbau der vom Luftkrieg besonders betroffenen Innenstadt beschließt. Vater dieses Plans, der unter anderem eine neue Leinweberstraße vorsieht, die die Stadtmitte als Ost-West-Achse durchschneiden wird, ist der damals 48-jährige Baudezernent Paul Essers, nachdem seit 1967 eine Straße in der Stadt benannt ist.
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Mülheims Oberbürgermeister wird für viele Jahre Heinrich Thöne sein
Mülheim, in dem die Menschen seit einem Jahr mit der D-Mark bezahlen, wird jetzt nach dem Vorbild der britischen Gemeindeordnung regiert. Diese Kommunalverfassung hat die britische Rheinarmee, die jetzt in einer alten Pionierkaserne am Steinknappen stationiert ist, 1945 als Besatzungsmacht mitgebracht. Sie gilt seit drei Jahren nicht nur in Mülheim, sondern im ganzen, von den Briten neu gegründeten Bundesland Nordrhein-Westfalen.
An der Spitze von Rat und Stadt steht seit einem Jahr der Sozialdemokrat Heinrich Thöne (damals 59 Jahre alt), der noch 20 Jahre Oberbürgermeister sein wird. Die Verwaltung wird vom parteilosen Josef Poell (damals 57 Jahre alt) geführt. Er bekleidet das neu geschaffene Amt des Oberstadtdirektors. Ebenso wie der ehrenamtliche Oberbürgermeister Thöne ist er, damals hauptamtlich Geschäftsführer der Allgemeinen Ortskrankenkasse, wird auch der hauptamtliche Oberstadtdirektor vom Rat der Stadt gewählt.
Rund 15.000 Mülheimer sind 1949 Neubürger aus der zur DDR und aus alten deutschen Ostprovinzen
1949 gibt die Stadt erstmals ihr Amtsblatt heraus, in dem man alle aktuellen Bekanntmachungen und Rechtsverordnungen nachlesen kann.
Vor 75 Jahren werden die Mülheimerinnen und Mülheimer, wahlberechtigt ist man 1949 erst ab 21 Jahren, zur ersten Bundestagswahl aufgerufen. Dem Bundestag werden 402 Abgeordnete aus Westdeutschland angehören. Der Bundestag ist ein Teilparlament, weil Deutschland ab 1949 ganz offiziell in eine westdeutsche Bundesrepublik und eine ostdeutsche DDR aufgeteilt wird. Rund 15.000 Mülheimer sind 1949 Neubürger aus der zur DDR umformierten sowjetischen Besatzungszone und den ehemaligen deutschen Ostprovinzen Schlesien, Pommern und Ostpreußen, die seit 1945 zu Polen und der Sowjetunion gehören.
Mülheimer Jahresrückblicke
- Mülheim im Jahr 1974: Eine Stadt, so groß wie nie zuvor und nie danach
- Mülheim im Jahr 1949: Jeder zehnte Bürger ist ein Flüchtling
- Mülheim im Jahr 1924: Bau der Stadthalle läuft als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
- Mülheim im Jahr 1899: Auf welche Dinge die Mülheimer stolz waren
- Mülheim im Jahr 1874: Nicht nur fürs Queren der Ruhr wird Maut verlangt
- Mülheim im Jahr 1849: Die Ruhr ist der am stärksten befahrene Fluss Europas
- Mülheim im Jahr 1824: Als die Delle noch die Hauptstraße der Stadt war
Bundestagswahl 1949: Sozialdemokrat Otto Striebeck hat in Mülheim die Nase vorn
Bei der ersten Bundestagswahl machen 77 Prozent der 102.000 wahlberechtigten Mülheimerinnen und Mülheimer von ihrer Stimme Gebrauch. Anders als bei heutigen Bundestagswahlen haben sie nur eine Stimme, die sie nur persönlich in einem Wahllokal und nicht per Briefwahl abgeben können.
Um das erste Bundestagsmandat bewerben sich 1949 Kandidaten der Sozial-, Christ- und Freidemokraten, der Kommunisten, des katholischen Zentrums und der Konservativen. Am Ende hat der Sozialdemokrat Otto Striebeck mit 34 Prozent der abgegebenen Stimmen die Nase vorn, gefolgt vom Christdemokraten Heinz Langner, der 28 Prozent der Stimmen erringen kann. Und so wird aus dem ehemaligen Bergmann, Stadtverordneten und Lokalredakteur Otto Striebeck (damals 55 Jahre alt) der erste Mülheimer Bundestagsabgeordnete.
Wiederaufbau in Mülheim: Tersteegenhaus, Festsaal in der Stadthalle, Stadtbad und Wasserbahnhof
Freuen können sich die Mülheimer, die damals drei von der Britischen Militärregierung lizensierte Lokalzeitungen lesen können, zu denen auch diese Zeitung gehört, über die Wiedereröffnung des Heimatmuseums im wiederaufgebauten Tersteegenhaus, des kleinen Festsaales der Stadthalle sowie über die Wiedereröffnung des Stadtbades und des Wasserbahnhofs. Stadtbad und Wasserbahnhof waren seit 1945 von der britischen Militärregierung für ihre Zwecke beschlagnahmt und deshalb für die Bürgerschaft gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar.
Weil es bis zur vollständigen Wiedereröffnung der Stadthalle noch acht Jahre dauern wird, gehören der Saal des Hotels Handelshof an der Friedrichstraße, das Löwenhof-Kino an der Eppinghofer Straße, die Freilichtbühne an der Dimbeck und der Altenhof der Evangelischen Kirche an der Kaiserstraße 1949 zu den beliebtesten Veranstaltungsorten. Neu gründet sich vor 75 Jahren Im Handelshof auch die örtliche Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Urlaub ist 1949 für die allermeisten Menschen in der Stadt am Fluss ein Fremdwort. Etwas Vergleichbares können sie nur von Mai bis Oktober am Ruhrstrand erleben und im Notfall, mithilfe der DLRG, auch überleben.
Mülheim 1949: Weitere Bilder aus der Stadt
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