Gladbeck. Straßenwahlkampf mitten im Winter: Parteien in Gladbeck zeigen Engagement. Weshalb sie alle präsent sind, von rechts außen bis links außen.
Aufgereiht wie an einer Perlenkette stehen sie an diesem Samstagvormittag auf der Hochstraße in Gladbeck, die Infostände der Parteien, die um den Einzug in den Deutschen Bundestag kämpfen. Straßenwahlkampf mitten im Winter: Lohnt sich das? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Aber einig sind sich alle: Wenn man auf einen Stand in der Fußgängerzone verzichtet, dann heißt’s: Ihr habt es wohl auch nicht mehr nötig? Weshalb sie alle präsent sind, von rechts außen (SPD) bis links außen (CDU).
Der Countdown läuft: Gladbecker Straßenwahlkampf in Bildern
Das ist natürlich nur geografisch zu verstehen: Auf dem Europaplatz – rechts außen – hat die SPD ihre Zelte aufgeschlagen. Direktkandidat Dustin Tix beginnt seine Wahlkampftour an diesem Tag in Gladbeck, bevor er am späten Vormittag weiter nach Bottrop fährt und später auch noch in Dorsten Rede und Antwort stehen will. Die drei Städte gehören zum Wahlkreis 124.

Mitgebracht hat Tix Brownies, von der Mutter gebacken. Und er verteilt Primeln an die Passanten, rote, versteht sich. Er mag den Straßenwahlkampf, sagt er, das sei die beste Gelegenheit, direkt ins Gespräch mit den Menschen zu kommen. Was wollen sie von ihm wissen? Seit die CDU im Bundestag mit der AfD abgestimmt habe, gehe es vorrangig um die Migration, zuvor sei das Themenspektrum viel breiter gewesen.
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Der überwiegende Teil der Menschen, mit denen er ins Gespräch komme, sei sehr freundlich und zugewandt, schildert der SPD-Direktkandidat seine Erfahrungen aus den vergangenen Wochen. Das bestätigt auch Ratsherr Norbert Dyhringer, der zusammen mit sechs anderen Genossen den Stand auf dem Europaplatz betreut. Im Netz mache er da ganz andere Erfahrungen.

Am anderen Ende der Hochstraße – links außen am Willy-Brandt-Platz – hat die CDU ihre Zelte aufgeschlagen. Für Deutschland, sagt der Stadtverbandsvorsitzende Dietmar Drosdzol, sei es ja gut, dass schon im Februar gewählt werde, aber für den Wahlkampf selbst … Drosdzol macht keinen Hehl daraus, dass es ihm nicht leichtfällt, sich morgens aufzuraffen, um in der Kälte den Infostand herzurichten. „Aber wenn man erst einmal da ist, macht es doch Spaß.“
Themen, die Gladbecker bewegen: Migration, Demokratie, Wohnraum
Vor einer Woche, berichtet der Stadtverbandsvorsitzende, habe es viele Gespräche zum und auch Kritik am Abstimmungsverhalten der Union im Bundestag gegeben. An diesem Samstag stehe das aber nicht mehr im Mittelpunkt, sondern es gehe um das Thema selbst, die Migration. Es bewege die Menschen in Gladbeck, sagt Drosdzol. Und was gibt es bei den Christdemokraten abzugreifen? Kugelschreiber natürlich, Chips für den Einkaufswagen, Weingummis und Eiskratzer. Und wem nach einem Heißgetränk ist, der wird bei der CDU auch fündig.

Bei den Grünen ebenfalls. Die haben sogar Punsch für die noch nicht Wahlberechtigten, der reißenden Absatz gefunden hat. Die Sorge um einen Rechtsruck und die Demokratie – das sei das vorherrschende Thema, berichtet Bernd Lehmann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gladbecker Rat. Ob man mit einem Infostand Wählerinnen und Wähler von der eigenen Politik überzeugen könne, das vermöge er nicht einzuschätzen, sagt Lehmann, aber es sei auf jeden Fall wichtig sich zu zeigen – auch der eigenen Wählerschaft.
„Die Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz“
Bei den Grünen gibt’s eine bunte Vielfalt an Giveaways: unter anderem Kugelschreiber, kaubare Zahnpasta, Windmühlen und Blumensamen. Was Bernd Lehmann an diesem Wahlkampf freut: Es habe eine Reihe von Neuzugängen in der Partei gegeben – einen Eintritt sogar direkt am Infostand.
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Über neue Mitglieder freut sich auch Rüdiger Jurkosek von Die Linke. 17 Gladbeckerinnen und Gladbecker hätten sich neu angemeldet, was zu einer Verdoppelung der Mitgliederzahl geführt habe. Das stimme ihn für die Kommunalwahl sehr optimistisch, sagt Jurkosek. Worum geht’s in den Gesprächen mit den Passanten? Gar nicht so sehr um die Migration, antwortet der Linke-Ratsherr, sondern um Sozial- und Steuerpolitik sowie das Thema Wohnraum.

Für Bernhard Kühn ist es der erste Wahlkampf überhaupt. „Ein hartes Brot“, sagt der Gladbecker, der für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wirbt. Er habe das Gefühl, dass die meisten Menschen ihre Wahlentscheidung schon getroffen hätten. Frieden, Rente und die innere Sicherheit – das seien die Themen, um die es in den Gesprächen gehe, sagt er. „Abstauben“ kann man beim BSW Kugelschreiber und Handwärmer.

„Die Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz.“ Das hört Sebastian Steinzel aus den vielen Gesprächen heraus, die er am Wahlkampfstand der FDP führt. Das Ampel-Aus sei nur selten Thema gewesen – und wenn, dann hätten sich die Passanten einen früheren Ausstieg der Liberalen gewünscht.
Mitglieder der MLPD stimmen das Steigerlied an
Steinzel, Schatzmeister des FDP-Stadtverbandes, ist von der Wirksamkeit der Infostände überzeugt. Man komme in den direkten Kontakt mit den Menschen. Natürlich gebe es auch mal Beschimpfungen, aber die Erfahrungen seien überwiegend positiv – ganz im Gegenteil zu den Auseinandersetzungen in den sozialen Medien.

Die Lautesten an diesem Vormittag, das sind die Vertreter der MLPD. Sie haben ihre Lautsprecheranlage mitgebracht und singen ein Lied nach dem anderen – von „Glückauf, der Steiger kommt“ bis zu politischen Liedern. Wahlkampf, sagt Direktkandidat Stefan Engel, solle doch auch „kulturvoll“ sein.
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Die MLPD hat ihren Stand ausgerechnet neben dem von der AfD, die übrigens nicht mit der Presse reden mag. Ein Polizeiwagen steht zwischen den ganz Linken und den ganz Rechten. Das ist jetzt politisch zu verstehen.
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