Gladbeck. Am 1. August beginnt das neue Ausbildungsjahr. Über die Schwierigkeit, Azubis zu finden, und was sie in den einzelnen Branchen verdienen.

Am 1. August beginnt das neue Ausbildungsjahr. Viele junge Menschen starten dann wieder ins Berufsleben. In Gladbeck gibt es nach Daten der Agentur für Arbeit aber noch viele Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, insgesamt 267. Hingegen stehen nur noch 153 offene Ausbildungsstellen in der Stadt zur Verfügung. „Damit ist die Ausbildungsmarktsituation in Gladbeck im Bezirk Recklinghausen für Jugendliche am ungünstigsten“, so Pressesprecher Ulrich Brauer.

Besonders schwer, Azubis zu finden, haben es laut Brauer grundsätzlich Handwerksbetriebe und Industrieunternehmen, teilweise auch der Handel und Arztpraxen. Grund sei meist der Mangel an „geeigneten und motivierten Bewerbern, die genau diese Berufe suchen“.

Hausarzt: Medizinische Fachangestellte wechseln immer öfter ins Krankenhaus

Dr. Gregor Nagel, Mediziner im Hausarztzentrum Butendorf, kennt die Problematik. Es gebe zwar viele Bewerber, häufig würden sie aber nicht die nötigen Qualifikationen mitbringen. „Oft fehlt es ihnen an der für den Beruf nötigen Empathie, oder die schulische Ausbildung ist mangelhaft“, so Gregor Nagel. Im Hausarztzentrum gibt es drei Auszubildende, Männer seien in dem Beruf eine „Rarität“. Die Stellen aber zu besetzen, sei mühevoll gewesen.

Oft komme es zudem vor, dass abgeschlossene Lehrverträge nicht eingehalten würden. Die vorgesehenen Azubis erschienen dann einfach nicht. „Einige schließen mehrere Lehrverträge ab“, so Nagels Erfahrung. Und: „Das wird noch nicht einmal sanktioniert.“ Das wundere ihn schon sehr, so der Arzt. Schließlich hielten sich die Betroffenen nicht an Verträge.

Dr. Gregor Nagel

„Medizinische Fachangestellte werden vermehrt in Krankenhäusern angestellt, da sie günstiger sind als Krankenschwestern, zunehmend aber immer mehr von deren Aufgaben übernehmen“

Dr. Gregor Nagel
Hausarzt

Ein weiteres Problem: Ausgebildete Medizinische Fachkräfte sind begehrt. „Sie werden vermehrt in Krankenhäusern angestellt, da sie günstiger sind als Krankenschwestern, zunehmend aber immer mehr von deren Aufgaben übernehmen“, so Nagel. Auch seine Praxis erlebe es immer wieder, dass von den dort praktizierenden Medizinern gut ausgebildete Fachkräfte nach der Ausbildung in ein Krankenhaus wechseln.

Männer möchten Kfz-Mechatroniker werden, Frauen Medizinische Fachangestellte

Dabei ist bei Frauen die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten am beliebtesten. Das geht aus Zahlen der Agentur für Arbeit hervor. Bei jungen Menschen im Kreis Recklinghausen – Daten allein für Gladbeck kann die Agentur für Arbeit nicht liefern, die Aussagen seien aber auf Gladbeck übertragbar – haben sich demnach 173 Frauen für eine Ausbildung in dieser Branche beworben. 94 Ausbildungsstellen in diesem Bereich gibt es jedoch nur im Kreis Recklinghausen. Viele junge Frauen mussten sich hier also umorientieren. Allein aus Gladbeck gab es 43 Bewerbungen für eine Ausbildung in der Arzt- und Praxishilfe, 25 Bewerber bleiben hier aber unversorgt.

Für Männer ist vor allem der Beruf des Kfz-Mechatronikers interessant, hier gibt es 182 Bewerbungen, bei Frauen sind es in diesem Bereich nur 13 Bewerbungen. Demgegenüber stehen allerdings nur 71 freie Ausbildungsplätze in dieser Branche.

Geschlechterübergreifend sind besonders die Ausbildungen zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau im Büromanagement bei Jugendlichen im Kreis beliebt, dort gab es Stand Juni 205 Bewerbungen. In diesem Bereich gibt es allerdings nur 159 Ausbildungsstellen.

Nicht jeder Abiturient muss studieren, so ein Gewerkschafter

Martin Mura, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Ruhrgebiet, rät jungen Menschen, beim Einstieg ins Berufsleben „die Vorteile, die eine Ausbildung bietet, zu erkennen“.

„Es ist wie ein Reflex: Wer sein Abi oder die Fachhochschulreife in der Tasche hat, meint studieren zu müssen“, so Martin Mura. Dabei würden gerade Industrie, Handwerk und Dienstleistung enorme Chancen bieten. Die Zeiten, in denen nur ein Studium ein überdurchschnittliches Einkommen garantiere, seien lange vorbei.

Gewerkschaft: Betriebe müssen mehr Praktika anbieten

Der Azubi von heute sei die Fachkraft von morgen. Und ein weiterer Fachkräftemangel verschärfe die Arbeitsbelastung in den Betrieben: „Es ist einfach schlecht für die Produktivität, aber auch fürs Betriebsklima, nicht rechtzeitig für den eigenen Nachwuchs zu sorgen“, sagt Mura.

Die NGG Ruhrgebiet kritisiert eine „bedauerliche Trägheit bei der Nachwuchsförderung“ im Kreis Recklinghausen. Es werde grundsätzlich zu wenig ausgebildet. Betriebe sollten zudem manchmal deutlich weniger auf die Noten im letzten Schulzeugnis schielen: „Sie sollten versuchen, die Talente der jungen Leute zu entdecken. Das bedeutet, dass Unternehmen mehr Gespräche zum persönlichen Kennenlernen führen. Aber auch, dass sie mehr Praktika anbieten. Oft ist es nämlich der zweite Blick, der dann zur ersten Wahl wird“, erklärt Martin Mura.

Das Gehalt von Azubis variiert je nach Branche stark

Die Bezahlung von Azubis variiert je nach Branche stark. Laut Daten des statistischen Landesamtes lag die Ausbildungsvergütung im dualen System im ersten Lehrjahr bei durchschnittlich 935 Euro. In den Ausbildungsbereichen öffentlicher Dienst (1068 Euro), Industrie, Handel (997 Euro) und Landwirtschaft (960 Euro) wurden sie überdurchschnittlich entlohnt, so das statistische Landesamt.

Azubis im Beruf Sozialversicherungsfachangestellter verdienten mit durchschnittlich 1 142 Euro im ersten Ausbildungsjahr am meisten. Dahinter folgen Drogisten (1125 Euro), auf Platz 3 Auszubildende zum/zur Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzanlagen (1120 Euro). Die geringste Ausbildungsvergütung erhielten angehende Bestattungsfachkräfte (625 Euro), Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen (640 Euro) sowie Auszubildende in den Berufen Konditor, Sport- und Fitnesskaufmann/-frau und Zweiradmechatroniker (650 Euro).

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