Essen. Dreimal mehr Kinder seien 2023 an Scharlach erkrankt, so die DAK. Die Welle kam auch nach Essen, sagen die Kinderärzte. So ist die aktuelle Lage.

Dieser Tage schlug die Krankenkasse DAK Alarm: Im Jahr 2023 habe sich die Zahl der Kinder, die mit Scharlach in Arztpraxen behandelt wurden, verdreifacht. „Wir müssen die Entwicklung intensiv verfolgen“, mahnte der Leiter der DAK-Landesvertretung Klaus Overdiek. Für Essen gibt der Obmann der Kinder- und Jugendärzte, Tobias Gregor, unterdessen Entwarnung: Nach dem Schreck von 2023 habe sich die Lage erheblich entspannt.

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„Es war im letzten Jahr eine Riesenthematik, die uns kalt erwischt hat“, sagt Gregor. Grundsätzlich sei den Kinderärzten klar gewesen, dass das Immunsystem ihrer kleinen Patienten nach der Corona-Pandemie und den mit ihr einhergehenden Hygieneregeln – Schutzmasken, Abstandhalten, Lockdowns – weniger vorbereitet sei, was etwa virale Infekte angehe. „Als die Masken im Jahr 2022 fielen, hatten wir dann auch sehr viele Ansteckungen mit Grippe und vor allem mit dem RS-Virus, teils mit schweren Verläufen.“ Das Respiratorische Synzytial-Virus ist die häufigste Ursache für einen Krankenhausaufenthalt von Kindern im ersten Lebensjahr. „Die Krankenhäuser waren am Limit“, sagt Gregor.

Scharlach verbreitet sich rasch in Kitas und Schulen

Im Folgejahr überraschte dann eine heftige Scharlach-Welle die Fachärzte. Scharlach zählt zu den bakteriellen Infektionskrankheiten, ist hochansteckend und verbreitet sich in Kitas und Schulen schnell per Tröpfcheninfektion etwa beim Niesen und Husten. Wobei das, was dort weitergegeben wird, streng genommen nicht Scharlach ist, sondern eine Ansteckung mit dem Streptokokken-Bakterium „Streptococcus pyogenes“.

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Viele der Kinder, die sich damit anstecken, haben lediglich Streptokokken-Anginen, die weniger gravierend sind. Als Scharlach bezeichnet man diese Angina erst, wenn sie „von einem charakteristischen Exanthem begleitet wird“, erklärt das Robert-Koch-Institut. Wenn sich also „kleinfleckige Papeln“ am Oberkörper ausbreiten. Oder wie Tobias Gregor bündig zusammenfasst: „Erst mit dem Ausschlag ist es Scharlach.“


Tobias Gregor, Obmann der Essener Kinderärzte.

„„Die Krankenhäuser impfen praktisch jedes Kind, gleich in den ersten Tagen des Lebens.“

Tobias Gregor, Obmann der Essener Kinder- und Jugendärzte, über die Impfung gegen das RS-Virus

Es gibt für Ärzte und Labore keine Meldepflicht von Scharlach. Wenn Scharlach und sonstige Streptococcus-pyogenes-Infektionen indes in Einrichtungen auftreten, „in denen überwiegend Minderjährige betreut werden“, sind sie mitteilungspflichtig. Auch gelte ein Betretungsverbot, betont die Stadt: „Es ist wichtig, dass die erkrankten, infektiösen Personen keine Gemeinschaftseinrichtungen besuchen.“

Essener Gesundheitsamt registrierte mehr Meldungen der Krankheit

Tatsächlich registrierte das Essener Gesundheitsamt im Februar 2023 „eine erhöhte Zahl von Meldungen“. Es gebe dabei nur wenige schwere Verläufe von Streptococcus-pyogenes-Infektionen, in der Regel heile die Krankheit „komplikationslos“ aus. Trotzdem sorgte die Krankheitswelle im vergangenen Jahr für Unruhe bei den Eltern: Denn oft war es schwierig, das verschriebene Antibiotikum zu erhalten. Wegen Lieferengpässen waren die Medikamente häufig nur in den Darreichungsformen für Erwachsene vorhanden, erklärte der Sprecher der Essener Apotheker.

In vier Monaten sei der gesamte Penicillin-Vorrat für ein Jahr aufgebraucht gewesen, bestätigt Tobias Gregor. „Das liegt auch daran, dass es auf dem Markt nur noch einen deutschen Anbieter für Penicillin gibt.“ Viele Hersteller hätten sich wegen zu geringer Gewinnerwartungen zurückgezogen. Denn die gesetzlichen Festbeträge regelten, welchen Betrag die Krankenkassen maximal für ein Arzneimittel zahlen. Hier hat die Politik inzwischen mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs-Gesetz gegengesteuert: Zum 1. Februar 2024 wurden die Festbeträge für 472 Kinderarzneimittel aufgehoben. Ob es daran liegt oder nicht: „Die Antibiotika sind aktuell verfügbar“, sagt Tobias Gregor.

Impfung gegen RS-Virus wird gut angenommen

Im Vergleich zum Vorjahr sehe man im laufenden Jahr außerdem deutlich weniger Fälle von Streptococcus-pyogenes-Infektionen in den Kinderarztpraxen. Nach dem Fünf-Jahres-Höchststand 2023 scheint sich die Lage bereits wieder zu beruhigen. Die von der DAK beobachteten „Nachholeffekte“ nach der Corona-Pandemie schwächen sich offenbar langsam ab.

Beim RS-Virus habe das neue Impf-Angebot die Wende gebracht: Seit Herbst 2024 empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), Neugeborene gegen das Virus zu impfen, das schwere Atemwegserkrankungen auslösen kann. Das Angebot werde angenommen und laufe sehr gut, sagt Gregor: „Die Krankenhäuser impfen praktisch jedes Kind, gleich in den ersten Tagen des Lebens.“

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