Essen. Dem Gesundheitsamt Essen wurden zuletzt mehr Scharlach-Fälle gemeldet. Kitas nähmen die Krankheit nicht immer ernst genug. klagt eine Mutter.

Seit Wochen verbreite sich Scharlach in der Kita ihrer Tochter, klagt eine Mutter aus Essen: Kinder litten oft tagelang an hohem Fieber, manche steckten sich mehrfach an, einzelne müssten sogar im Krankenhaus behandelt werden. „Einige Antibiotika-Säfte sind gar nicht mehr lieferbar. Da steht man mit dem kranken Kind und telefoniert verzweifelt Apotheken ab.“ Tatsächlich werden beim Gesundheitsamt Essen derzeit mehr Fälle der Krankheit erfasst.

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Doch während die Kitas coronabedingt strikte Hygienemaßnahmen ergriffen hätten und zeitweilig ganz geschlossen wurden, würden nun nicht mal Gruppen vernünftig getrennt oder kranke Kinder konsequent nach Hause geschickt, sagt die Mutter, die unserer Redaktion namentlich bekannt ist. Die Kita ihrer Tochter möchte sie nicht nennen, das Problem betreffe viele Einrichtungen im ganzen Stadtgebiet: „Sollten die Kindergärten oder unser Gesundheitsamt nicht zumindest Vorkehrungen zum Schutz unserer Kinder treffen?“

Stadt Essen verzeichnet offensichtlichen Anstieg der Krankheitsfälle

Auf Nachfrage teilt die Stadt mit, dass es für Ärzte und Labore keine Meldepflicht von Scharlach gebe. Scharlach und sonstige Streptococcus-pyogenes-Infektionen wie Angina seien aber mitteilungspflichtig, wenn sie in Einrichtungen auftreten, „in denen überwiegend Minderjährige betreut werden“. Dort gebe es aktuell eine erhöhte Zahl von Meldungen. Das liege zum Teil am Ende von Hygieneregeln wie der Maskenpflicht, „die auch die Ansteckungsgefahr anderer Erkrankungen reduzierten“. Im Falle der Streptococcus-pyogenes-Infektionen gebe es selbst im Vergleich mit der Vor-Corona-Zeit einen „offensichtlichen Anstieg“ der Fälle.

Die Stadt bestätigt, dass Scharlach zu Krankenhausaufenthalten führen könne, doch die Zahl so schwerer Erkrankungen sei „sehr gering“. Auch gebe es zwar eine Vielzahl möglicher Komplikationen, diese träten jedoch „sehr selten“ auf. „Der Normalfall ist das komplikationslose Ausheilen der Erkrankung.“

Kranke Kinder gehören nicht in die Kita

Dazu komme, dass man es häufig noch nicht mit Scharlach zu tun habe: Davon spreche man erst, wenn es „zu einer systemischen Reaktion des Körpers kommt“, teilt die Stadt mit. Meist sehe man Streptokokken-Anginen, die weniger gravierend sind, wie auch der Sprecher der Essener Kinder- und Jugendärzte, Dr. Ludwig Kleine-Seuken, bestätigt. Als Schutzmaßnahme gelte in allen Fällen das Betretungsverbot, sagt die Stadt: „Es ist wichtig, dass die erkrankten, infektiösen Personen keine Gemeinschaftseinrichtungen besuchen.“

Weitere Hygienemaßnahmen sind aus Sicht des Gesundheitsamtes in der Regel nicht notwendig. Auch Kinderarzt Kleine-Seuken sieht eher die Eltern als die Einrichtungen in der Pflicht: „Ein krankes Kind gehört nicht in die Kita.“ Im Falle von Scharlach muss das Kind nicht unbedingt lange zu Hause bleiben: „Nach einer antibiotischen Behandlung und dem Abklingen der Symptome ist eine Ansteckungsfähigkeit bereits nach 24 Stunden nicht mehr zu befürchten“, sagt die Stadt. Ohne Antibiotikum „ist eine Wiederzulassung frühestens zwei Wochen nach dem Abklingen der spezifischen Symptome möglich“.

Manche Antibiotika-Säfte sind derzeit nicht lieferbar

Für die Eltern erweist es sich derzeit mitunter als schwierig, das verschriebene Antibiotikum auch zu bekommen. Der Sprecher der Essener Apotheken, Hanno Höhn, bestätigt: „Wir erleben seit Monaten Lieferengpässe, das betrifft auch einige Antibiotika.“ Die seien oft nur in Darreichungsformen für Erwachsene vorhanden: Viele kleine Patienten hätten Schwierigkeiten, eine Tablette zu schlucken. Wenn es den aufgeschrieben Saft nicht oder nicht in der vom Kinderarzt notierten Konzentration gebe, müsse die Apotheke dann erst in der Praxis anrufen und Alternativen besprechen. „Einen Notstand gibt bei diesen Medikamenten aber nicht.“